Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland fallen nach einem heute verkündeten Urteil des Gerichtshofs der Euorpäischen Union nicht unter die Zollpräferenzregelung des Abkommens EG-Israel. Die Zollbehörden in der EU sind insoweit auch nicht an die Bestätigung der israelischen Behörden, dass die in den besetzten Gebieten erzeugten Waren unter die Präferenzbehandlung fallen, die israelischen Waren gewährt wird, gebunden.

Hintergrund dieses Rechtsstreits ist die Frage, wie die von Israel besetzten Gebiete im Westjordanland staatsrechtlich – und damit zollrechtlich zu behandeln sind: Die Europäische Gemeinschaft hat nacheinander zwei Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommen geschlossen, das erste mit Israel1 und das zweite mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen2.
Diese beiden Abkommen sehen vor, dass gewerbliche Erzeugnisse mit Ursprung in Israel und den palästinensischen Gebieten frei von Zöllen in die Europäische Union eingeführt werden können und dass die zuständigen Behörden der Parteien zusammenarbeiten, um den genauen Ursprung der Erzeugnisse festzustellen, denen die Präferenzregelung gewährt wird.
Der Streit entzündete sich nun an den „Soda Club“-Sprudelwasser-Geräten: Brita, eine deutsche Gesellschaft, führt Sprudelwasserbereiter sowie Zubehör und Getränkesirupe ein, die von einem israelischen Lieferanten, Soda-Club, erzeugt werden, dessen Produktionsstätte in Mishor Adumin im Westjordanland, östlich von Jerusalem, liegt.
Brita wollte von Soda-Club erzeugte Waren nach Deutschland einführen. Sie teilte den deutschen Zollbehörden mit, dass die Waren ihren Ursprung in Israel hätten, und ersuchte um Gewährung der Zollpräferenz nach dem Abkommen EG-Israel. Die deutschen Zollbehörden hatten den Verdacht, dass die Erzeugnisse aus den besetzten Gebieten stammten, und ersuchten die israelischen Zollbehörden, zu bestätigen, dass die Erzeugnisse nicht in diesen Gebieten hergestellt wurden.
Die israelischen Behörden bestätigten, dass die betreffenden Waren aus einer Zone stammten, die unter ihre Zollzuständigkeit fiele, sie beantworteten jedoch nicht die Frage, ob die Waren in den besetzten Gebieten hergestellt wurden. Daher lehnten es die deutschen Behörden schließlich ab, Brita die Zollpräferenz zu gewähren, weil nicht zweifelsfrei habe festgestellt werden können, dass die eingeführten Waren in den Anwendungsbereich des Abkommens EG-Israel fielen.
Brita erhob eine Klage gegen diese Entscheidung, und das Finanzgericht Hamburg legte dem Gerichtshof die Frage vor, ob Waren, die in den besetzten palästinensischen Gebieten hergestellt wurden und deren israelischer Ursprung von den israelischen Behörden bestätigt wurde, die Präferenzregelung nach dem Abkommen EG-Israel gewährt werden kann.
In seinem Urteil vom heutigen Tag folgt der Gerichtshof der Europäischen Union dem Antrag des Generalanwalts beim EuGH und stellt fest, dass jedes dieser beiden Assoziierungsabkommen einen eigenen räumlichen Geltungsbereich hat:
- Das Abkommen EG-Israel gilt ausschließlich für das Gebiet des Staates Israel,
- während das Abkommen EG-PLO für das gesamte Gebiet des Westjordanlands und des Gaza-Streifens gilt.
Das Völkerrecht untersagt es, einem Dritten, wie der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen, ohne seine Zustimmung eine Verpflichtung aufzuerlegen. Das Abkommen EG-Israel kann demnach nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass die palästinensischen Behörden verpflichtet sind, auf die Ausübung der Befugnisse zu verzichten, die ihnen durch das Abkommen EG-PLO übertragen wurden und die insbesondere die Ausstellung der Zolldokumente zum Nachweis des Ursprungs der im Westjordanland und im Gaza-Streifen hergestellten Waren betreffen.
Die Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland fallen daher, so der Gerichtshof der Europäischen Union, nicht in den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens EG-Israel und folglich nicht unter die durch dieses Abkommen eingeführte Präferenzregelung. Folglich konnten die deutschen Zollbehörden den betreffenden Waren die Gewährung der Präferenzbehandlung nach diesem Abkommen verweigern, weil die Waren aus dem Westjordanland stammten.
Der Gerichtshof weist auch die Ansicht zurück, dass die Präferenzregelung den israelischen Erzeugern, die in den besetzten Gebieten niedergelassen sind, jedenfalls gewährt werden müsse, sei es auf der Grundlage des Abkommens EG-Israel, sei es auf der des Abkommens EG-PLO. Waren, deren israelischer Ursprung von den israelischen Behörden bescheinigt wurde, kann die Präferenzbehandlung nach dem Abkommen EG-Israel nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass sie in Israel hergestellt wurden.
Was die Bestätigung der israelischen Behörden betrifft, dass die streitigen Waren aus Israel stammen, weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Ursprung der Waren von den Behörden des Ausfuhrstaats bestimmt wird. Diese sind nämlich am besten in der Lage, die Tatsachen, von denen der Ursprung abhängt, unmittelbar festzustellen.
Demzufolge sind die Zollbehörden des Einfuhrstaats im Fall einer nachträglichen Prüfung durch die Zollbehörden des Ausfuhrstaats grundsätzlich an deren Ergebnisse gebunden.
Im vorliegenden Fall betraf die nachträgliche Prüfung nicht die Frage, ob die eingeführten Erzeugnisse vollständig an einem bestimmten Ort gewonnen oder dort in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden waren, um als Ursprungserzeugnisse dieses Orts angesehen werden zu können. Die nachträgliche Prüfung betraf den Herstellungsort der eingeführten Erzeugnisse selbst, um zu beurteilen, ob diese Erzeugnisse in den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens EG–Israel fallen. Die Europäische Union ist nämlich der Ansicht, dass die Erzeugnisse, die an Orten gewonnen wurden, die seit 1967 unter israelischer Verwaltung stehen, nicht unter die in dem Abkommen definierte Präferenzbehandlung fallen.
Trotz des ausdrücklichen Ersuchens der deutschen Behörden gaben die israelischen Behörden keine Antwort auf die Frage, ob die Erzeugnisse in den israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet hergestellt worden waren. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die israelischen Behörden nach dem Abkommen EG-Israel verpflichtet sind, ausreichende Angaben zu machen, damit der tatsächliche Ursprung der Waren festgestellt werden kann.
Da die israelischen Behörden diese Verpflichtung verletzt haben, sind die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats an die Bestätigung dieser Behörden, dass die betreffenden Waren unter die israelischen Waren vorbehaltene Präferenzbehandlung fallen, nicht gebunden.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 25. Februar 2010 – C-386/08 (Firma Brita GmbH / Hauptzollamt Hamburg-Hafen)
- Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits, unterzeichnet in Brüssel am 20. November 1995 (ABl. 2000, L 147, S. 3).[↩]
- Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits, unterzeichnet in Brüssel am 24. Februar 1997 (ABl. 1997, L 187, S. 3).[↩]