Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem privaten Facebook-Account

Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem privaten Facebook-Nutzerkonto, die einen rassistischen und menschenverachtenden Inhalt haben, können jedenfalls dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen, wenn sich aus dem Facebook-Nutzerkonto ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitsgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sein kann.

Äußerungen eines Arbeitnehmers auf seinem privaten Facebook-Account

In dem hier vom Arbeitsgericht Mannhein entschiedenen Fall hatte ein Triebfahrzeugführer der Deutschen Bahn auf seinem Facebook-Account ein Bild geteilt, das das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Tor-Überschrift „Arbeit macht frei“ zeigt. Im unteren Bereich des Bildes befindet sich ein Text auf Polnisch („……KA JEST GOTOWA…….JECIE IMIGRANTÓW“). Unterhalb des Bildes befindet sich ebenfalls polnischer Text. Auf Nachfrage eines anderen Facebook-Nutzers übersetzte der Lokführer den Text auf dem Bild mit „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Nachdem er von seinem Arbeitgeber hierauf angesprochen worden war, entfernte er den Post und veröffentlichte eine Entschuldigung. Das fragliche Bild war ursprünglich auf der polnischen Satire- und Witzeseite „Chamsko.pl“ veröffentlicht und auf Facebook verbreitet worden. Diesen Beitrag hatte der Arbeitnehmer geteilt. Laut eigener Beschreibung der Seite Chamsko.pl handelt es sich um einen Onlinedienst „mit derben Bildern, Witzen und allem, was derb ist! Die tägliche Dosis Derbheit“. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis sowohl außerordentlich wie ordentlich. Zu Unrecht, wie nun das Arbeitsgericht Mannheim befand:

Außerordentliche Kündigung

Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Die Kündigung ist vielmehr unwirksam gemäß § 626 BGB.

§ 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, zumutbar ist oder nicht1.

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber angesichts der Gesamtumstände sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam, wenn schon eine ordentliche Kündigung geeignet war, das Risiko künftiger Störungen zu vermeiden2.

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Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann3.

Die Arbeitgeberin hat die Kündigung darauf gestützt, dass der Arbeitnehmer auf seinem privaten Facebook-Nutzerkonto ein Foto, das er zuvor „geteilt“ hatte, veröffentlicht hatte, und dieses Foto eine rassistische und menschenverachtende Äußerung darstelle. Der Arbeitnehmer ist dagegen der Auffassung, dass es sich bei dem Bild um Satire handele. Er beruft sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit und darauf, dass kein Bezug zur dienstlichen Tätigkeit bestehe.

Bei dem Foto nebst Textaufschrift handelt es sich um ein Werturteil. Werturteile fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind. Darauf kann sich auch ein Arbeitnehmer berufen. Mit der Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit wäre es unvereinbar, wenn es in der betrieblichen Arbeitswelt nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre. Der Grundrechtsschutz besteht dabei unabhängig davon, welches Medium der Arbeitnehmer für seine Meinungsäußerung nutzt und ob diese rational oder emotional, begründet oder unbegründet ist. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasste Äußerungen verlieren den sich daraus ergebenden Schutz selbst dann nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäußert werden. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Es ist gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Mit diesen muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Auch § 241 Abs. 2 BGB gehört zu den allgemeinen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetzen. Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet demnach eine Wechselwirkung statt. Die Reichweite der Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme muss ihrerseits unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts bestimmt werden; der Meinungsfreiheit muss dabei also die ihr gebührende Beachtung geschenkt werden – und umgekehrt. Erweist sich das in einer Äußerung enthaltene Werturteil zum Beispiel als Formalbeleidigung oder Schmähkritik, muss die Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten. Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Dafür muss hinzutreten, das bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern zum Beispiel die Diffamierung einer Person im Vordergrund steht, die diese jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll3.

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Bei Beachtung der vorstehenden Grundsätze kommt das Arbeitsgericht zu der Auffassung, dass der Arbeitnehmer seine Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat. Das Bild auf dem Facebook-Nutzerkonto des Arbeitnehmers war nach seinem Erscheinungsbild und Kontext in dem von der Arbeitgeberin dargelegten Sinn zu interpretieren.

Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer schriftlichen Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie vom Empfänger verstanden werden muss. Dabei ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr sind der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen4. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von ihr Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat5.

Dem Arbeitnehmer ist zuzugestehen, dass seine Interpretation des Bildes nicht gänzlich ausgeschlossen ist, ja sogar in einem anderen Umfeld die naheliegende Auslegung sein könnte. Für jemanden, der der polnischen Sprache mächtig ist, in einem polnischen Umfeld lebt oder zumindest damit vertraut ist, wäre es möglicherweise nichts Ungewöhnliches unter Nutzung des Eingangstores des Konzentrationslagers Auschwitz einen satirischen Beitrag oder einen „derben Witz“ zu gestalten. Da wie oben dargelegt bei der Ermittlung des Aussagegehalts jedoch nicht von dem subjektiven Verständnis des Arbeitnehmers, sondern von dem der Empfänger, hier eher Betrachter, des Bildes auszugehen ist, geht das Arbeitsgericht von Folgendem aus:

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Adressaten des Bildes waren die Facebook-Freunde des Arbeitnehmers und – soweit das Facebook-Nutzerkonto nicht nur von einem eingeschränkten Personenkreis einsehbar war – sogar weltweit jeder, der Zugang zu diesem sozialen Netzwerk hatte. Da der Arbeitnehmer das Bild geteilt hat, hat er diesem Adressatenkreis zu verstehen gegeben, dass ihm dieses Bild gefällt und er mit dessen Aussagegehalt einverstanden ist.

Beim Betrachten des Fotos samt Text drängt sich die Aussage auf, dass Flüchtlinge in ein „Arbeitslager“ gebracht werden und dort möglicherweise auch nicht mehr lebend herauskommen sollen und damit „entsorgt“ wären. Das Eingangstor von Auschwitz ist jedermann bekannt; Auschwitz ist zu einem Symbol für den Holocaust geworden. Allein schon die vom geschichtlichen Kontext losgelöste Verwendung dieses Symbols oder des Satzes „Arbeit macht frei“ ist in Deutschland tabuüberschreitend. Dieses Symbols in Verbindung zu bringen mit Flüchtlingen mutet daher menschenverachtend an. Auch das Arbeitsgericht hat das Foto bei unvoreingenommener Betrachtung so interpretiert.

Dass es sich bei dem Foto um Satire handeln soll, ist nicht offensichtlich erkennbar. Zwar ist durch die Bildunterschrift die Quelle des Bildes ersichtlich. Allein die Kenntnis der Quelle führt jedoch nicht zu dem Verständnis, dass ein Witz oder Satire vorliegt. Dies würde sich den Betrachtern allenfalls dann erschließen, wenn sie die polnische Sprache beherrschen würden oder über Insiderwissen verfügten. Ohne dieses Vorwissen ist jedoch die vom Arbeitnehmer vertretene Interpretation des Bildes fernliegend. Der Arbeitnehmer hat auf seinem Nutzerkonto keinerlei Hinweise auf eine mögliche satirische Bedeutung gegeben. Dementsprechend haben auch die weiteren Betrachter im Netzwerk den satirischen Inhalt offensichtlich ebenfalls nicht erkannt. Die sich unter dem Bild befindlichen Kommentare anderer Leser sprechen insofern eine deutliche Sprache. Selbst diese Kommentare haben den Arbeitnehmer allerdings nicht veranlasst darauf hinzuweisen, wie er das Bild verstanden haben will. Der Arbeitnehmer lebt seit über 20 Jahren in Deutschland und hat in Deutschland nach seinen Angaben im Arbeitsgerichttermin zumindest die weiterführende Schule in Deutschland besucht. Es ist daher für das Arbeitsgericht nicht nachvollziehbar, dass ihm die Sensibilität für diese Thematik gefehlt haben soll.

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Es handelte sich auch nicht um eine Äußerung, die rein im privaten Bereich des Arbeitnehmers getätigt worden ist. Aus dem Profil des Facebook-Nutzerkontos ist eindeutig erkennbar, dass der Arbeitnehmer Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist. Die Arbeitgeberin hat er zum einen klar als seinen Arbeitgeber angegeben und dies zum anderen durch ein Foto in Dienstkleidung vor einem Triebwagen der Arbeitgeberin veranschaulicht. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Arbeitgeberin mit der Meinungsäußerung des Arbeitnehmers in Zusammenhang gebracht wird. Die Arbeitgeberin weist nachvollziehbar darauf hin, dass in ihren Zügen auch Flüchtlinge transportiert werden. Zudem ist eine solche Äußerung eines Zugführers insofern bedenklich, als seinerzeit unter den Nationalsozialisten die in die Konzentrationslager verbrachten Menschen vornehmlich per Bahn transportiert wurden. Die Herstellung dieses Zusammenhangs kann sich für die Arbeitgeberin als äußerst ruf- und geschäftsschädigend erweisen.

Zwar liegt – wie oben dargelegt – eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ergibt sich jedoch, dass hier die Interessen des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Interesse der Arbeitgeberin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Vorrang einzuräumen ist. Sein Verhalten wiegt den Umständen nach jedenfalls nicht so schwer, dass der Arbeitgeberin – auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen – ein Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre.

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Bei der Interessenabwägung war auf Seiten der Arbeitgeberin zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer durch das Teilen des Fotos eine unkontrollierte Verbreitung des Fotos über das soziale Netzwerk verursacht hat. Solange das Bild mit seinem Nutzerkonto in Verbindung gebracht werden konnte, hat er – da zu seinen Facebook-Freunden auch Arbeitskollegen gehörten – rassistisches bzw. menschenverachtendes Gedankengut in den Betrieb getragen. Auch außerhalb des Betriebs bestand die Gefahr, dass bis zum Löschen des Bildes die Arbeitgeberin damit in Verbindung gebracht werden konnte. Dies wiegt umso schwerer als es sich um ein im Eigentum des Bundes stehendes Unternehmen handelt. Zugunsten der Arbeitgeberin war zudem zu bewerten, dass der Arbeitnehmer angesichts seines Alters auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben dürfte, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Das Arbeitsgericht hat demgegenüber zugunsten des Arbeitnehmers dessen Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als vierzehn Jahren – ausschließlich der vorangegangen Berufsausbildung bei der Arbeitgeberin – berücksichtigt. Mangels anderweitigen Vortrags der Arbeitgeberin geht das Arbeitsgericht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis bisher beanstandungsfrei verlaufen ist. Weiterhin waren zugunsten des Arbeitnehmers seine Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht hält dem Arbeitnehmer auf zugute, dass er das Foto auf seinem Facebook-Nutzerkonto nach dem Anruf von Herrn M gelöscht hat und sich für sein Verhalten entschuldigt hat. Es hat sich offenbar auch nicht die Gefahr realisiert, dass die Arbeitgeberin durch das Verhalten des Arbeitnehmers eine Ruf- oder Geschäftsschädigung erlitten hat. Das Arbeitsgericht geht auch davon aus, dass der Arbeitnehmer nicht die Absicht hatte, die Arbeitgeberin durch sein Verhalten zu schädigen. Vielmehr dürfte sich der Arbeitnehmer überhaupt keine Gedanken darüber gemacht haben, was er mit dem Teilen des Fotos und damit der Veröffentlichung auf seinem Nutzerkonto auslösen würde. Der Arbeitnehmer mag dies zum Anlass nehmen, sensibler in den sozialen Netzwerken zu agieren.

Da die außerordentliche Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam war, konnte offen bleiben, ob die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt war.

Ordentliche Kündigung

Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die ordentliche Kündigung beendet worden, da die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG nicht sozial ungerechtfertigt ist.

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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist6.

Wie bereits oben dargelegt wurde, lag eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes waren die oben aufgeführten Gesichtspunkte zu bewerten. Der Arbeitgeberin war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 19. Februar 2016 – 6 Ca 190/15

  1. BAG 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, BAGE 146, 303[]
  2. BAG 09.06.2011 – 2 AZR 284/10[]
  3. BAG 18.12.2014 – 2 AZR 265/14 – NZA 2015, 797 mwN[][]
  4. BAG 7.07.2011 – 2 AZR 355/10 – BAGE 138, 312[]
  5. BVerfG 25.10.2012 – 1 BvR 901/11[]
  6. BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 – mwN[]