Betriebliche Altersversorgung – und die Anrechnung einer fiktiven Erwerbsminderungsrente

Die Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen auf betriebliches Ruhegehalt bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage, da nicht vereinbarte Anrechnungen mit der Vertragserfüllungspflicht des Arbeitgebers unvereinbar und daher unwirksam sind1. Insbesondere statuiert § 5 Abs. 2 BetrAVG kein gesetzliches Anrechnungsrecht, sondern setzt eine solche Rechtsgrundlage voraus2.

Betriebliche Altersversorgung – und die Anrechnung einer fiktiven Erwerbsminderungsrente

Anrechnungen anderweitiger Bezüge auf eine Betriebsrente sind daher nur insoweit möglich, wie die maßgeblichen Bestimmungen die Anrechnungs- bzw. Berücksichtigungstatbestände, aufgrund derer im Rahmen einer Limitierungsklausel anderweitige Einkünfte berücksichtigt werden, für den Versorgungsberechtigten erkennbar und eindeutig beschreiben3.

Dabei reicht es jedoch aus, wenn eine Auslegung nach den jeweils anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen zum Ergebnis hat, dass anderweitige Versorgungsleistungen auf das betriebliche Ruhegehalt anzurechnen sind4. Eine im Wege der Auslegung ermittelte Rechtsgrundlage für eine Anrechnung muss daher nicht klarer oder eindeutiger gefasst sein als andere Regelungsinhalte.

Eine in einer betrieblichen Versorgungsordnung geregelte Berücksichtigung der Erwerbsminderungsrente bei der Berechnung der Zusatzrente verstößt nicht gegen § 5 Abs. 2 BetrAVG.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit diese auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Das gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG nicht für Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie für sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen. Aus Satz 2 der Vorschrift ergeben sich keine eigenständigen Anrechnungsverbote. Die Bestimmung schränkt vielmehr das Anrechnungsverbot des Satzes 1 ein und erweitert damit die Anrechnungsmöglichkeiten5. Entscheidend für das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ist deshalb allein, dass der Arbeitnehmer zumindest auch eigene Beiträge aufwenden musste6.

Die hier zu berücksichtigende Erwerbsminderungsrente unterfällt zwar grundsätzlich dem Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG, weil die Arbeitnehmerin insoweit auch Eigenbeiträge erbracht hat. Die Anrechnung ist jedoch zulässig, weil sie von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BetrAVG gedeckt ist. Die Erwerbsminderungsrente ist eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf Pflichtbeiträgen beruht.

Der Nichtanwendung des Anrechnungsverbots steht nicht entgegen, dass die Arbeitnehmerin die Erwerbsminderungsrente tatsächlich nicht bezogen hat. Darauf kommt es nach dem Zweck des Gesetzes nicht an7. Das Anrechnungsverbot nach § 5 Abs. 2 BetrAVG soll Leistungen der Eigenvorsorge schützen, um eine Benachteiligung von Arbeitnehmern zu vermeiden, die sich während des Arbeitslebens eine eigene Altersversorgung verschafft haben8. Die anrechenbare gesetzliche Rente, die nicht allein auf eigenen Beiträgen des Arbeitnehmers, sondern auf beiderseitigen Pflichtbeiträgen beruht, wird aber nicht dadurch zur anrechnungsfreien Eigenvorsorge, dass sie „fiktiv“ zu berücksichtigen ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. November 2024 – 3 AZR 49/24

  1. BAG 8.12.2020 – 3 AZR 437/18, Rn. 86[]
  2. BAG 13.07.2021 – 3 AZR 349/20, Rn. 21 mwN[]
  3. BAG 13.07.2021 – 3 AZR 349/20, Rn. 22 mwN[]
  4. vgl. BAG 13.07.2021 – 3 AZR 349/20 – aaO; 18.05.2010 – 3 AZR 97/08, Rn. 16, BAGE 134, 254[]
  5. BAG 11.12.2018 – 3 AZR 453/17, Rn. 42, BAGE 164, 294; 18.05.2010 – 3 AZR 80/08, Rn. 27[]
  6. BAG 11.12.2018 – 3 AZR 453/17 – aaO; missverständlich insoweit BAG 18.05.2010 – 3 AZR 80/08 – aaO[]
  7. vgl. zur Zulässigkeit der Anrechnung fiktiver Renten BAG 8.12.2020 – 3 AZR 437/18, Rn. 74; 16.12.1986 – 3 AZR 631/84[]
  8. vgl. ErfK/Steinmeyer 24. Aufl. BetrAVG § 5 Rn. 6[]