Dass für die Werbung von Rechtsanwälten – vor dem Hintergrund ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege – ein Sachlichkeitsgebot gilt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit dieser Begründung hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen anwaltsgerichtliche Entscheidungen und Bescheide der Rechtsanwaltskammer über die berufsrechtliche Beurteilung einer geplanten Werbemaßnahme nicht zur Entscheidung angenommen.

Eine Verletzung von Grundrechten im konkreten Fall hat der Rechtsanwalt nicht hinreichend dargelegt.
Inhaltsübersicht
Der Ausgangssachverhalt[↑]
Der beschwerdeführende Rechtsanwalt bat die zuständige Rechtsanwaltskammer Köln um Prüfung, ob eine beabsichtigte Werbemaßnahme berufsrechtlich zulässig sei. Es handelte sich dabei um Tassen mit der durchgestrichenen Abbildung einer Frau, die mit einem Knüppel auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlägt. Neben der Abbildung sollten der Text „Körperliche Züchtigung ist verboten § 1631 Abs. 2 BGB“ sowie der Name, die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ und die Kontaktdaten des Rechtsanwalts abgedruckt werden. Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Rechtsanwalt mit, dass sie die Werbemaßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43b BRAO für unzulässig halte.
Eine zweite Anfrage des Rechtsanwalts bezog sich wiederum auf die beabsichtigte Gestaltung von Werbetassen. Eine Abbildung zeigte einen älteren Mann, der mit einem Stock auf das entblößte Gesäß einer Frau schlägt; daneben sollte die Frage „Wurden Sie Opfer einer Straftat?“ stehen. Eine weitere Abbildung zeigte eine Frau, die sich eine Schusswaffe an den eigenen Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten; daneben sollte der Text „Nicht verzagen, R… fragen“ abgedruckt werden. In beiden Gestaltungen sollten wiederum der Name, die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ und die Kontaktdaten des Rechtsanwalts hinzugefügt werden. Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Rechtsanwalt mit, dass auch diese Werbemaßnahmen unzulässig seien und wiederholte im Wesentlichen die bereits im ersten Bescheid enthaltenen Erwägungen.
Die Klage des Rechtsanwalts gegen die beiden Bescheide blieb sowohl vor dem Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen1 als auch vor dem Bundesgerichtshof2 ohne Erfolg.
Die Entscheidung des Bundesverfassugnsgerichts[↑]
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
Das Bundesverfassungsgericht hat geklärt, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG auch für eine Wirtschaftswerbung in Betracht kommt, wenn eine Ankündigung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen3. Dass hierunter auch Bilder zu fassen sind, wenn in ihnen ein Werturteil, eine Ansicht oder Anschauung bestimmter Art zum Ausdruck kommt, entspricht ebenfalls bereits der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4.
Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls bereits entschieden, dass in den Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsträger einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste fällt5. Geklärt ist zudem die verfassungsrechtliche Beurteilung des anwaltlichen Werberechts6.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten des Rechtsanwalts angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der Rechtsanwalt hat eine Verletzung der gerügten Grundrechte nicht im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG hinreichend dargelegt7.
Auf der Grundlage der Ausführungen des Rechtsanwalts ist weder eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) noch der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) oder der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ersichtlich.
Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG[↑]
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt Meinungsäußerungen aller Art und Tatsachenbehauptungen sowie andere Äußerungsformen jedenfalls dann, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind8. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat9. Soweit eine Meinungsäußerung – eine Ansicht, ein Werturteil oder eine bestimmte Anschauung – in einem Bild zum Ausdruck kommt, fällt auch dieses in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG10.
Zwar können die vom Rechtsanwalt beanstandeten Entscheidungen der Beklagten und der Ausgangsgerichte in seine Meinungsfreiheit eingreifen, wenn mit dem Bundesgerichtshof davon ausgegangen wird, dass die „belehrenden Hinweise“ der Beklagten jedenfalls mit dem Ausspruch des Verbots der Werbemaßnahme den Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen haben.
Der Rechtsanwalt hat indes nicht hinreichend dargelegt, dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.
Die Meinungsfreiheit findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Diese müssen für sich genommen verfassungsmäßig sein und sind ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen11.
Bei § 43b BRAO handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Schutzzweck der Regelung ist die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege12. Mit der Stellung des Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun hat und sich nicht mit dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats vereinbaren lässt13.
Auch bestehen keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, zumal der Rechtsanwalt eine solche weder geltend gemacht noch dargelegt hat.
Dass die Ausgangsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 43b BRAO die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht hinreichend beachtet haben, macht der Rechtsanwalt nicht hinreichend deutlich.
Die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind dabei grundsätzlich Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Überprüfung daher auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts14. Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen15.
Daran gemessen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Ausgangsgerichte die Rechtmäßigkeit der vom Rechtsanwalt selbst so genannten „Werbetassen“ am Maßstab des § 43b BRAO geprüft haben. § 43b BRAO normiert spezielle Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Werbung für anwaltliche Dienstleistungen. Das beabsichtigte Verhalten des Rechtsanwalts erfüllt – entgegen seiner Behauptung – die Anforderungen für das Vorliegen von Werbung; denn es ist planvoll darauf angelegt, andere dafür zu gewinnen, die eigenen Leistungen in Anspruch zu nehmen16. Dabei ist unerheblich, ob der Rechtsanwalt den Gewinn neuer Kunden oder den Erhalt beziehungsweise Ausbau bestehender Geschäftsverbindungen anstrebt17. Unter den Begriff der Werbung fallen auch nicht nur die herkömmlichen Werbeformen, wie etwa Anzeigen und Broschüren, sondern auch das Marketing sowie insgesamt die Öffentlichkeitsarbeit eines Rechtsanwalts18.
Nach alldem handelt es sich bei den beabsichtigten Maßnahmen des Rechtsanwalts – jedenfalls auch – um Werbung. Sein Vortrag, er beabsichtige mit dem Druck und der Verteilung der Tassen keine Werbemaßnahme, sondern wolle lediglich einen gesellschafts- und rechtspolitischen Diskurs anstoßen, geht offensichtlich an den Tatsachen vorbei. Für von ihm beabsichtigte Werbung spricht bereits der Umstand, dass der Rechtsanwalt selbst von Anfang an von einer „Werbeaktion“ und „Werbetassen“ spricht. Zudem sind die Werbemotive auch derart gestaltet, dass die ausschließlich berufsbezogenen Kontaktdaten des Rechtsanwalts in gleicher Weise wie die Bildmotive in den Vordergrund gerückt werden. Eines der geplanten Motive soll sogar mit dem ausdrücklichen Hinweis „Nicht verzagen, R… fragen“ verbunden werden und damit explizit zur Mandatierung des Rechtsanwalts in prekären Lebenslagen auffordern. Überdies beschreibt der Rechtsanwalt selbst in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde sein beabsichtigtes Vorgehen als eine „Werbeaktion“, die sein „zurückliegendes rechtspolitisches Engagement als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Kanzleien hervorheben“ soll. Demnach geht es ihm nicht darum, durch die provozierenden Bildmotive einen Diskurs zu initiieren, sondern lediglich ein Engagement in der Vergangenheit zu nutzen, um mit dem Ziel der Beauftragung mit anwaltlichen Dienstleistungen auf sich aufmerksam zu machen.
Dass der Rechtsanwalt neben der Werbung unter Umständen daneben noch weitere Anliegen, etwa das Anstoßen eines gesellschaftspolitischen Diskurses, verfolgen könnte, hindert die Anwendbarkeit des § 43b BRAO nicht. Der Begriff der Werbung im Sinne des § 43b BRAO ist grundsätzlich weit zu fassen19.
Mit alldem setzt sich der Rechtsanwalt nicht hinreichend auseinander. Er gründet seine Behauptung eines Verfassungsverstoßes letztlich allein auf die Überlegung, die Ausgangsgerichte hätten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Werbung der Firma Benetton20 auch in seinem Fall anwenden müssen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege bei der Werbung für seine berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen aufgrund des § 43b BRAO unterliegt.
Soweit der Rechtsanwalt darauf hinweist, es liege eine Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG vor, so dass die angegriffenen Entscheidungen bereits unter diesem Gesichtspunkt verfassungswidrig seien, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der Rechtsanwalt setzt sich weder mit dem Begriff der Zensur noch mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander. Er verkennt insbesondere, dass unter Zensur im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG nur die Vorzensur zu verstehen ist, also einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts21. Eine solche war vorliegend bereits deshalb nicht gegeben, weil der Rechtsanwalt keineswegs dazu verpflichtet war, die von ihm beabsichtigte Werbemaßnahme vorab der Beklagten zur Prüfung und Billigung vorzulegen. Dies geschah vielmehr freiwillig und nach eigenem Entschluss des Rechtsanwalts, der es offenkundig vermeiden wollte, finanzielle Mittel für eine Werbemaßnahme aufzuwenden, für die er befürchtete, dass sie ihm anschließend berufsrechtlich untersagt werden könnte. Um Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG handelt es sich dabei jedoch erkennbar nicht.
Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 4 Satz 1 GG[↑]
Auch die behauptete Verletzung seiner Kunstfreiheit macht der Rechtsanwalt nicht hinreichend deutlich. Ungeachtet der Frage, inwieweit die Ausgangsgerichte überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen haben, setzt sich der Rechtsanwalt mit einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs nicht hinreichend auseinander. Auch insoweit bezieht er sich auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Benetton-Werbung20, ohne den Unterschied zur Zulässigkeit der Werbung eines Rechtsanwalts herauszuarbeiten und sich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen auseinanderzusetzen.
Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG[↑]
Gleiches gilt für die behauptete Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Auch hier beachtet der Rechtsanwalt nicht, dass ihm als Rechtsanwalt durch § 43b BRAO besondere Grenzen für die Werbung gezogen sind, seine freie Berufsausübung insoweit also durch Gesetz beschränkt ist. Dass die Norm als solche oder im konkreten Fall ihrer Anwendung in nicht zu rechtfertigender Weise in seine Berufsfreiheit eingreifen könnte, legt der Rechtsanwalt mit seinen pauschalen, in erster Linie auf die Meinungs- und Kunstfreiheit bezogenen Ausführungen nicht hinreichend dar.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. März 2015 – 1 BvR 3362/14
- AnwGH NRW, Urteil vom 05.07.2013 – 2 AGH 3/13[↩]
- BGH, Urteil vom 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13[↩]
- vgl. BVerfGE 71, 162, 175; 95, 173, 182; 102, 347, 359[↩]
- vgl. BVerfGE 30, 336, 352; 71, 162, 180; 102, 347, 359[↩]
- vgl. BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389[↩]
- vgl. BVerfGE 76, 196, 207 f.[↩]
- zu den Substantiierungsanforderungen BVerfGE 89, 155, 171; 99, 84, 87; 101, 331, 345 f.; 102, 147, 164; 108, 370, 386 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 61, 1, 8; 85, 23, 31[↩]
- vgl. BVerfGE 71, 162, 175; 102, 347, 359[↩]
- vgl. BVerfGE 30, 336, 352; 71, 162, 175[↩]
- vgl. BVerfGE 7, 198, 208 f.; 10, 118, 121; 107, 299, 331 f.; 124, 300, 342; 128, 226, 265 f.[↩]
- vgl. BT-Drs. 12/4993, S. 28 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.08.2003 – 1 BvR 2108/02, NJW 2003, S. 2816, 2817[↩]
- vgl. BVerfGE 1, 418, 420; 81, 29, 31 f.; 82, 6, 11; 115, 320, 367[↩]
- vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 366, 378[↩]
- vgl. Huff, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., 2014, § 43b BRAO Rn. 10[↩]
- vgl. Huff, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.2000 – 1 BvR 721/99, NJW 2000, S. 3195[↩]
- BVerfGE 102, 347[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 33, 52, 71 f.[↩]