Beiziehung der Finanzamtsakten – und die Sachaufklärungspflicht des Finanzgerichts

Das Finanzgericht ist verpflichtet, von Amts wegen den Sachverhalt zu erforschen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Deshalb hat das Gericht den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufzuklären.

Beiziehung der Finanzamtsakten – und die Sachaufklärungspflicht des Finanzgerichts

Dies gilt insoweit, als Aufklärungsmaßnahmen durch den Inhalt der Akten, das Beteiligtenvorbringen oder sonstige Umstände veranlasst sind. Dabei steht die Art und Weise der Beweiserhebung und die Auswahl der Beweismittel grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts1.

Das Gericht trifft allerdings keine Verpflichtung, den Sachverhalt ohne bestimmten Anlass und gleichsam „ins Blaue hinein“ zu erforschen.

Aufklärungsmaßnahmen muss das Gericht vielmehr nur dann ergreifen, wenn ein Anlass hierzu besteht, der sich aus den beigezogenen Akten, dem Beteiligtenvorbringen oder sonstigen Umständen ergibt2.

Die Mitwirkungspflicht fordert von den Beteiligten, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Beweisermittlungs- oder -ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen3.

Nach diesen Grundsätzen hatte das Finanzgericht im hier entschiedenen Fall die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht nicht verletzt, indem es eine Beiziehung der Akten des Jahres 2001 nicht vorgenommen hat:

Die Kläger hatten weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ausgeführt, dass seitens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) seinerzeit überhaupt Ermittlungen hinsichtlich der Frage angestellt worden sind, ob die vertraglich geschuldeten Anschaffungskosten der GmbH-Anteile auch tatsächlich von ihnen getragen worden sind und seinerzeit Unterlagen dazu angefordert worden sind. Die Kläger haben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Finanzgericht auch nicht substantiiert dargelegt, dass Belege betreffend die Anschaffungskosten der Beteiligung im Rahmen der Veranlagung 2001 zu den Akten gereicht worden sind. Ebenso haben die Kläger nicht dargelegt, warum diese Unterlagen sich noch in den Finanzamtsakten befinden sollten und nicht -wie Papierbelege üblicherweise- nach Durchführung der Veranlagung zurückgesandt worden sind.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. September 2016 – IX B 66/16

  1. vgl. BFH, Urteil vom 23.04.2014 – VII R 41/12, BFHE 245, 493, BStBl II 2015, 117[]
  2. vgl. BFH, Beschluss vom 24.05.2012 – IV B 58/11, BFH/NV 2012, 1466, m.w.N[]
  3. vgl. BFH, Beschluss vom 02.03.2006 – XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 76 Rz 29[]