Auseinandersetzung und Gewinnzurechnung bei der Personengesellschaft

Dem aus einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter ist der gemeinschaftlich erzielte laufende Gewinn auch dann anteilig persönlich zuzurechnen, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Auszahlung verweigern, weil der ausgeschiedene Gesellschafter ihnen Schadenersatz in übersteigender Höhe schulde.

Auseinandersetzung und Gewinnzurechnung bei der Personengesellschaft

Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Anspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters nach der Rechtsprechung des BGH der sog. Durchsetzungssperre unterliegt und deshalb nicht mehr isoliert, sondern nur noch als Abrechnungsposten im Rahmen des Rechtsstreits um den Auseinandersetzungsanspruch geltend gemacht werden kann.

Eine vom grundsätzlich maßgeblichen Gewinnverteilungsmaßstab (vorübergehend) abweichende persönliche steuerliche Zurechnung kommt unter den Umständen des Falles nicht schon deshalb in Betracht, weil der Schuldner die Auszahlung verweigert und auch nicht deshalb, weil die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs nach Maßgabe der sog. Durchsetzungssperre im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränkt ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs werden den Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die als Mitunternehmer anzusehen sind, die Ergebnisse, Gewinn und Verlust, der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet1. Die Mitunternehmer sind insoweit einem Einzelunternehmer gleichrangig; der Mitunternehmer unterscheidet sich von diesem nur dadurch, dass er seine unternehmerische Tätigkeit nicht alleine, sondern zusammen mit anderen (Mit-)Unternehmern in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit ausübt2. Demgemäß werden die Einkünfte nicht von der Personengesellschaft, sondern originär von den Mitunternehmern erzielt. Nur der Mitunternehmer ist Subjekt der Einkünfteerzielung3. Das gilt gleichermaßen für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie für die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

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Der Gewinn ist den Mitunternehmern in dem Zeitpunkt zuzurechnen, in dem er entsteht. Es bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung, ob dabei auf den einzelnen Geschäftsvorfall oder auf den Schluss des Gewinnermittlungszeitraums abzustellen ist4. Soweit allerdings im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass der gemeinschaftlich erzielte Gewinn den Mitunternehmern frühestens im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses zugerechnet werden könne5, vermag der Bundesfinanzhof dem nicht zu folgen. Dies hätte – wie der Streitfall zeigt – eine nicht gerechtfertigte Besserstellung von Mitunternehmern gegenüber Einzelunternehmern zur Folge. Mitunternehmer hätten es in der Hand, den Zeitpunkt der Gewinnzurechnung selbst zu bestimmen. Bis zur Feststellung des Jahresabschlusses wäre der Gewinn niemand zurechenbar, weil die Personengesellschaft insoweit nicht selbst Subjekt der Besteuerung ist. Bei Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern über die Feststellung (z.B. einer Auseinandersetzungsbilanz) könnte die Besteuerung nicht zeitnah durchgeführt werden. Das alles ist mit Grundprinzipien der Besteuerung unvereinbar. Dem kann auch nicht mit § 42 AO begegnet werden6.

Die in gemeinschaftlicher Verbundenheit erzielten Einkünfte sind den Mitunternehmern grundsätzlich nach dem vertraglichen oder dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel, also nach einem normativen Maßstab zuzurechnen7.

Ohne Bedeutung ist danach, ob der Gewinn entnahmefähig ist, ob und gegebenenfalls wann die Gesellschafter eine Gewinnausschüttung beschließen und wann diese den einzelnen Gesellschaftern zufließt8. Anders als der Kläger meint, ist der Zufluss des Gewinns bei dem einzelnen Mitunternehmer danach keine Voraussetzung für die anteilige steuerliche Zurechnung des gemeinschaftlich erzielten Gewinns. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Gesellschafter den Gewinn in gemeinschaftlicher Verbundenheit „erzielt“ haben (vgl. § 2 Abs. 1 EStG). Das ist grundsätzlich der Fall, sobald er bei der Gesellschaft nach Maßgabe der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften entstanden ist.

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Ermittelt die Gesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, kommt es für den Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) allein auf die Gesellschaft an. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist die Personengesellschaft für die Einkommensteuer u.a. Subjekt der Gewinnermittlung9. Das bedeutet, dass sie und nicht der einzelne Gesellschafter den Gewinn nach Maßgabe der dafür anwendbaren Vorschriften zu ermitteln hat. Der Gewinn ist folglich entstanden, sobald er bei der Gesellschaft zu erfassen ist. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass eine Besteuerung des Mitunternehmers vor dem Zufluss von Liquidität bei diesem wegen Verstoßes gegen grundlegende Besteuerungsprinzipien unzulässig sei. Der die Besteuerung rechtfertigende Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit liegt hier unabhängig vom Zufluss verfügbarer Zahlungsmittel- bereits in der rechtlichen Zuweisung des anteiligen Gewinns.

Von der Aufteilung und anteiligen Zurechnung des Gewinns nach normativen Maßstäben hat die Rechtsprechung bisher nur dann eine Ausnahme gemacht, wenn ein Gesellschafter durch strafbare Handlungen (z.B. Unterschlagung oder Untreue) die tatsächliche Verteilung des Gewinns, abweichend vom Vereinbarten, zu seinen Gunsten und zum Schaden der anderen Gesellschafter beeinflusst hat10. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Grundsatz, dass kein Steuerpflichtiger ein Einkommen versteuern muss, das tatsächlich einem anderen zugeflossen ist, sofern es dort endgültig verbleibt.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der ausgeschiedene Gesellschafter seinen Gewinnanspruch nicht mehr isoliert gerichtlich durchsetzen kann. Die dadurch bewirkte längere Vorenthaltung des dem Kläger zustehenden Geldbetrags rechtfertigt ebenfalls keine (vorübergehende) abweichende steuerliche Zurechnung.

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Nach der ständigen, wenn auch durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochenen Rechtsprechung des BGH führt die Auflösung einer GbR dazu, dass die Gesellschafter die ihnen gegen die gesamte Hand (und gegen die Mitgesellschafter) zustehenden Ansprüche nicht mehr selbständig auf dem Wege der Leistungsklage durchsetzen können (sog. Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung (Auseinandersetzungsbilanz) aufzunehmen, deren Saldo dann ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat11. Der wesentliche rechtfertigende Grund hierfür ist, dass der Gefahr von Hin- und Herzahlungen begegnet werden soll12. Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat das LG im Streitfall die Leistungsklage des Klägers auf Auszahlung der Gewinnanteile für 1998 und 1999 rechtskräftig abgewiesen.

Es kann dahinstehen, ob der Gewinnanspruch infolge der zivilrechtlichen Durchsetzungssperre als Anspruch untergeht und durch einen anderen, einheitlichen Auseinandersetzungsanspruch ersetzt wird. Dies ändert nichts daran, dass der im Auseinandersetzungsanspruch enthaltene laufende Gewinn dem Kläger steuerlich zugerechnet wird, weil der Kläger insofern den Besteuerungstatbestand verwirklicht hat. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der streitige Geldbetrag dem Kläger nicht endgültig vorenthalten bleibt, sondern lediglich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Auseinandersetzungsanspruch. Die vorübergehende Berücksichtigung der Besitzverhältnisse kann auch deshalb bei der steuerlichen Zurechnung nicht berücksichtigt werden, weil sie einen unverhältnismäßigen administrativen Aufwand verursachen würde.

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Besondere persönliche Härten, die sich im Einzelfall bei einer Besteuerung ohne vorangegangenen Zufluss an Liquidität ergeben können, sind erforderlichenfalls im Billigkeitswege zu mildern. Durch die Gewinnzurechnung entsteht dem Kläger auch kein endgültiger Nachteil. Nachträgliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die sich z.B. aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs ergeben können, werden gegebenenfalls als rückwirkendes Ereignis zur Änderung der Feststellungsbescheide und der Einkommensteuerbescheide führen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. November 2011 – VIII R 12/09

  1. BFH (GrS). Beschluss vom 03.05.1993 – GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616[]
  2. grundlegend: BFH (GrS), Beschluss in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616[]
  3. BFH, Urteile vom 03.02.2010 – IV R 26/07, BFHE 228, 365, BStBl II 2010, 751; und IV R 59/07, BFH/NV 2010, 1492[]
  4. vgl. dafür Schmidt/Wacker, EStG, 30. Aufl., § 15 Rz 441; Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 495[]
  5. Bauschatz, FR 2005, 1230[]
  6. a.A. Bauschatz, FR 2005, 1230[]
  7. vgl. nur Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 443 ff.[]
  8. BFH, Urteil vom 24.02.1988 – I R 95/84, BFHE 153, 101, BStBl II 1988, 663[]
  9. vgl. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, 622[]
  10. vgl. dazu BFH, Urteile vom 08.06.2000 – IV R 39/99, BFHE 192, 494, BStBl II 2000, 670; und vom 14.12.2000 – IV R 16/00, BFHE 194, 151, BStBl II 2001, 238 betr. unberechtigte Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen[]
  11. ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 03.04.2006 – II ZR 40/05, DStR 2006, 1238, m.w.N.[]
  12. BGH, Urteile vom 02.07.1962 – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299; und vom 24.10.1994 – II ZR 231/93, DStR 1994, 1858[]
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