Die Bonuszahlung einer privaten Krankenversicherung – und der Sonderausgabenabzug

Bonuszahlungen einer privaten Krankenkasse mindern als Beitragserstattung die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abzugsfähigen Sonderausgaben, wenn diese unabhängig davon gezahlt werden, ob dem Versicherungsnehmer finanzieller Gesundheitsaufwand entstanden ist oder nicht1. Der mit den Bonuszahlungen einhergehende teilweise Verlust eines Erstattungsanspruchs für Gesundheitsaufwendungen berührt nicht die für § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG maßgebliche Beitragsebene.

Die Bonuszahlung einer privaten Krankenversicherung – und der Sonderausgabenabzug

Die von den Versicherungsnehmern bezogenen Bonuszahlungen ihrer Krankenversicherung mindern also als Beitragserstattungen den Sonderausgabenabzug für die betreffenden Jahre. Dies ergibt sich nicht bereits daraus, dass das Versicherungsunternehmen die Boni gegenüber der Finanzverwaltung als Beitragserstattung gemeldet hat. Vielmehr lässt das materielle Recht des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG insoweit keinen Sonderausgabenabzug zu.

Nach § 10 Abs. 2a Satz 4 Nr. 2 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung waren u.a. private Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen verpflichtet, die vom Steuerpflichtigen im jeweiligen Beitragsjahr sowohl geleisteten als auch erstatteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Finanzverwaltung per Datensatz zu übermitteln, sofern -wie im Streitfall geschehen- der Steuerpflichtige in die Datenübermittlung schriftlich eingewilligt hat (inzwischen geregelt in § 10 Abs. 2b EStG i.V.m. § 93c AO). Dieses, allein der Bearbeitungseffizienz von Steuererklärungen dienende Verfahren2 begründet allerdings keine materiell-rechtliche Bindungswirkung des Inhalts der Datensätze für die Steuerfestsetzung. Die Datensätze sind keine Verwaltungsakte, sodass sie bereits deshalb keine Grundlagenbescheidswirkung i.S. von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO entfalten können. Vielmehr haben die Finanzämter selbst zu prüfen und zu bestimmen, wie die übermittelten Werte materiell-rechtlich einzuordnen sind3.

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Die Bonuszahlungen haben als Beitragserstattungen den Sonderausgabenabzug gemindert.

Beiträge zu Krankenversicherungen sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und auf die Leistungen ein Anspruch besteht. Für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung sind dies nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift die Beitragsanteile, die auf Vertragsleistungen entfallen, die -mit Ausnahme der auf das Krankengeld entfallenden Beitragsanteile- in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) vergleichbar sind.

Zu den Beiträgen gehören nicht nur die eigentlichen Prämien, sondern auch die üblichen mit dem Versicherungsverhältnis zusammenhängenden; und vom Versicherten zu tragenden Nebenleistungen. Aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG, der Beiträge „zu“ einer Krankenversicherung voraussetzt, folgt allerdings, dass nur solche Beiträge tatbestandlich sind, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen4. Dies ist z.B. für einen vom Steuerpflichtigen vereinbarten und getragenen Selbstbehalt nicht der Fall, da die Krankenversicherung insoweit nicht das Risiko übernimmt, für künftige Schadensfälle einzutreten5.

Nach dem Eingangssatz des § 10 Abs. 1 EStG sind nur „Aufwendungen“ als Sonderausgaben abzugsfähig. Hieraus und aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte -die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindernde- Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, folgt, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist6. Werden dem Steuerpflichtigen Versicherungsbeiträge erstattet, mindert die Erstattung im Jahr des Zuflusses den Sonderausgabenabzug. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Zahlung des Versicherungsunternehmens nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt auch als Beitragserstattung und nicht als eine hiervon losgelöste Leistung zu werten ist. Hierbei ist weder die von dem Versicherungsunternehmen gewählte Bezeichnung seiner Zahlung noch deren sozialrechtliche Qualifikation erheblich7.

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Demzufolge stellt eine Prämienzahlung, die eine gesetzliche Krankenkasse ihrem Mitglied im Rahmen eines Wahltarifs gemäß § 53 Abs. 1 SGB V gewährt, keine Versicherungsleistung, sondern eine Beitragserstattung dar, weil diese im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes steht. Durch die Prämie ändert sich die Gegenleistung, die vom Mitglied zu erbringen ist, um den vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Die Prämie wird gezahlt, da die Krankenversicherung vom Mitglied entweder nicht oder in einem geringeren Umfang in Anspruch genommen worden ist, als dies der Fall gewesen wäre, wenn es keine Prämie gegeben hätte; hierdurch wird im Ergebnis der Beitrag des Mitglieds und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert8.

Dagegen hat der Bundesfinanzhof bereits mehrfach entschieden, dass die Bonuszahlung einer gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 65a SGB V nicht als Beitragserstattung zu qualifizieren ist, sofern hierdurch konkret der Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise ausgeglichen wird9. Derartige Boni stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, sondern sind als Erstattung der vom Versicherten getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen und damit als eine nicht die Höhe des Sonderausgabenabzugs beeinflussende Leistung der Krankenkasse anzusehen. Diese Boni mindern daher -unabhängig von der Art ihrer Ausgestaltung- nicht die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge, sondern lediglich den zusätzlichen Gesundheitsaufwand des Steuerpflichtigen10.

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Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist die Entscheidung der Vorinstanz, die von der privaten Krankenversicherung gezahlten Boni als den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattungen zu werten, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die streitgegenständlichen Boni stellten keine von den Versicherungsbeiträgen der Versicherungsnehmer unabhängige Leistungen der Krankenversicherung dar. Sie minderten vielmehr laufend die Gegenleistung, die die Versicherungsnehmerin für sich und der Versicherungsnehmer für die beiden Kinder zu erbringen hatten, um den vertraglich vereinbarten Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Krankenversicherung die als Bonus bezeichneten monatlichen Zahlungen von 30 € je versicherter Person nach den im Streitfall geltenden Versicherungsbedingungen unabhängig davon erbrachte, ob den Versicherungsnehmern erstattungsfähiger Gesundheitsaufwand entstanden war oder nicht. Die Bonuszahlungen als solche waren somit garantiert.

Die von den Versicherungsnehmern vereinnahmten Zahlungen sind nicht vergleichbar mit solchen Boni, die von gesetzlichen Krankenkassen nach Maßgabe von § 65a SGB V gezahlt werden können. Während es dort darum geht, Anreize für ein gesundheitsbewusstes Verhalten der Versicherten zu schaffen11, zielt die vorliegende Bonusregelung -letztlich gegenteilig- darauf ab, die Versicherten zu einem kostenbewussten bzw. sogar -vermeidenden Verhalten zu bewegen. Denn dem Versicherungsnehmer bleiben die Boni in dem Umfang wirtschaftlich erhalten, in dem seine grundsätzlich erstattungsfähigen Gesundheitsaufwendungen jährlich unter 360 € liegen. Die Vereinbarung schafft somit einen Anreiz, der -vergleichbar einer „klassischen“ Beitragserstattung12- bewirken soll, dass die Versicherung vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erbringen muss, weil der Versicherungsnehmer entweder keinen versicherten Schaden erlitten hat oder einen hieraus resultierenden Aufwand nicht geltend macht. Der Versicherungsnehmer erhält den Bonus, weil er die Versicherung bis zu einem Beitrag von 360 € nicht in Anspruch nimmt, d.h. in diesem Umfang das wirtschaftliche Risiko für Gesundheitsaufwendungen selbst trägt.

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Der Bundesfinanzhof verkennt hierbei -ebenso wenig wie die Vorinstanz- nicht, dass der Bonus aufgrund der vertraglich vereinbarten Verrechnungsmöglichkeit der Krankenversicherung in dem Umfang wirtschaftlich herabgesetzt wird, in dem dem Versicherungsnehmer erstattungsfähiger Gesundheitsaufwand entsteht und bei einem Aufwand von mindestens 360 € je versicherter Person in Gänze verbraucht ist. Dieser Umstand berührt allerdings nicht die für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG maßgebliche Beitragsebene, sondern ausschließlich diejenige der Kostenerstattung. Denn der von den Versicherungsnehmern in Anspruch genommene -garantierte- Bonus ging damit einher, dass sie Gesundheitsaufwendungen bis zu 360 € je versicherter Person selbst zu tragen hatten. Diese Vereinbarung kommt -wie vom Finanzgericht zutreffend angenommen- einem Selbstbehalt gleich. Die gegenteilige Ansicht der Versicherungsnehmer, sie hätten nicht im Vorhinein verbindlich auf Versicherungsschutz verzichtet13, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Die Zahlung der Boni war vertraglich geknüpft an das Nichtbestehen eines Erstattungsanspruchs von Gesundheitsaufwendungen in oben genannter Höhe.

Hieraus leitet sich auch die rechtliche Fehlbeurteilung der Versicherungsnehmer ab, sie seien im Umfang der Verrechnung der Boni mit den Gesundheitsaufwendungen hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Krankenversicherungsbeiträge tatsächlich wirtschaftlich belastet gewesen. Nicht hieraus, sondern vielmehr aus den vereinbarungsgemäß anteilig selbst zu tragenden Gesundheitsaufwendungen resultierte die wirtschaftliche Last. Für einen vertraglich vereinbarten Selbstbehalt hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass die hieraus entstehenden Aufwendungen nicht als „Beiträge zu Krankenversicherungen“ i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG zu werten sind14. Nichts anderes gilt, wenn -wie hier- ein garantierter Bonus Grund dafür ist, dass der Versicherungsnehmer Gesundheitsaufwendungen bis zur Bonushöhe wirtschaftlich selbst zu tragen hat.

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Dem Grunde nach kann solcher Aufwand eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG darstellen, wobei der Bundesfinanzhof nicht entscheiden muss, ob dieser Aufwand den Versicherungsnehmern in Anbetracht der von ihnen gewählten Versicherungstarifstruktur zwangsläufig entstanden ist15. Denn Anhaltspunkte dafür, dass sich die vorliegend streitigen Aufwendungen mit Blick auf die Höhe der zumutbaren Belastung der Versicherungsnehmer in den Streitjahren (§ 33 Abs. 3 EStG) steuerlich überhaupt auswirken würden, bestehen nicht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Dezember 2020 – X R 31/19

  1. Abgrenzung zu BFH, Urteile vom 01.06.2016 – X R 17/15, BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 24, 27, 33, sowie vom 06.05.2020 – X R 16/18, BFHE 269, 43, BFH/NV 2020, 1144, Rz 22 ff.[]
  2. vgl. BT-Drs. 16/12254, 23[]
  3. vgl. hierzu bereits BFH, Urteil vom 01.06.2016 – X R 17/15, BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 32, sowie zudem § 93c Abs. 4 Satz 2 AO in der durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 [BGBl I 2016, 1679] eingeführten Fassung[]
  4. BFH, Urteil vom 06.05.2020 – X R 16/18, BFHE 269, 43, BFH/NV 2020, 1144, Rz 15, m.w.N.[]
  5. BFH-Entscheidungen vom 08.10.2013 – X B 110/13, BFH/NV 2014, 154, Rz 8; vom 01.06.2016 – X R 43/14, BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55, Rz 19[]
  6. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 06.06.2018 – X R 41/17, BFHE 261, 524, BStBl II 2018, 648, Rz 12, m.w.N.[]
  7. BFH, Urteile in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 27; in BFHE 261, 524, BStBl II 2018, 648, Rz 26; vom 06.05.2020 – X R 30/18, BFH/NV 2020, 1067, Rz 29[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 261, 524, BStBl II 2018, 648, Rz 21, 24[]
  9. grundlegend BFH, Urteil in BFHE 254, 111, BStBl II 2016, 989, Rz 24, 27, 33; nachfolgend BFH, Urteile in BFHE 269, 43, BFH/NV 2020, 1144, Rz 22 ff., sowie in BFH/NV 2020, 1067, Rz 20 ff.[]
  10. BFH, Urteil in BFHE 269, 43, BFH/NV 2020, 1144, Rz 24 ff.[]
  11. vgl. BFH, Urteil in BFHE 269, 43, BFH/NV 2020, 1144, Rz 23, m.w.N. auf das sozialversicherungsrechtliche Schrifttum[]
  12. vgl. insoweit BFH, Beschluss in BFH/NV 2014, 154, Rz 8[]
  13. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 29.11.2017 – X R 3/16, BFHE 260, 218, BStBl II 2018, 384, Rz 17[]
  14. BFH, Beschluss in BFH/NV 2014, 154, Rz 8[]
  15. vgl. hierzu BFH, Urteile in BFHE 260, 218, BStBl II 2018, 384, Rz 27 [offengelassen für selbst getragenen Aufwand im Hinblick auf eine erstrebte Beitragserstattung], sowie in BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55 [bejaht für selbst getragenen Aufwand in Gestalt eines vertraglich vereinbarten Selbstbehalts][]
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