Die Anwartschaft auf den Bezug von GmbH-Anteilen

Eine Anwartschaft auf den Bezug von Geschäftsanteilen an einer GmbH (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG) im Rahmen einer Kapitalerhöhung liegt erst dann vor, wenn das Bezugsrecht selbständig übertragbar ist. Dies setzt voraus, dass die Kapitalerhöhung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen bzw. der entsprechende Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden ist.

Die Anwartschaft auf den Bezug von GmbH-Anteilen

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war streitig, ob die klagende Stiftung liechtensteinischen Rechts durch den Verzicht einer Tochtergesellschaft auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung einen Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG 2001 und § 2 Nr. 1 KStG 2001 erzielt hat. Die in Liechtenstein ansässige Stiftung, deren Begünstige die in Österreich wohnenden A sowie deren Kinder B und C waren, hielt im Streitjahr sämtliche Anteile an einer Anstalt liechtensteinischen Rechts. Sie war zudem alleinige Anteilseignerin einer in Luxemburg ansässigen s.a.r.l., die wiederum sämtliche Anteile an einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen GmbH hielt. Die Anstalt und eine in Liechtenstein ansässige AG hielten seit Beginn der 1980er Jahre jeweils 50 % der Anteile an einer deutschen GmbH 1, die wiederum alleinige Anteilseignerin einer GmbH 2 war. Zwischen den beiden GmbH bestand ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag für die ab dem 01.10.1991 beginnenden Wirtschaftsjahre.

Im Jahr 1998 schlossen die Anstalt und die AG eine Kapitalerhöhungs- und Optionsvereinbarung, der zufolge beabsichtigt war, bei der GmbH 1 eine Erhöhung des Stammkapitals um 22, 5 Mio. DM auf 37,5 Mio. DM vorzunehmen. Die durch die Kapitalerhöhung entstehende neue Stammeinlage sollte gegen Zahlung eines Betrages von 30 Mio. DM (Stammeinlage in Höhe von 22,5 Mio. DM zzgl. Agio in Höhe von 7,5 Mio. DM) von der noch zu gründenden GmbH 3 (Anteilseignerin: die s.a.r.l.) übernommen werden. Zudem gewährten die Anstalt und die AG der s.a.r.l. ein auf die zu gründende GmbH 3 übertragbares Optionsrecht, von der Anstalt und der AG weitere Gesellschaftsanteile an der GmbH 1 in Höhe von nominell jeweils 5, 25 Mio. DM für den Fall zu erwerben, dass zusätzlich zu der o.g. Kapitalerhöhung eine weitere Kapitalerhöhung von 22, 5 Mio. DM durchgeführt, die neue Stammeinlage erneut gegen Zahlung eines Betrages von 30 Mio. DM (einschließlich Agio in Höhe von 7, 5 Mio. DM) von der GmbH 3 übernommen, die Beträge von insgesamt 60 Mio. DM in Geld erbracht und die Übernahmen und Agios von der zu gründenden GmbH 3 auf der Grundlage notarieller Beurkundungen der Stammkapitalerhöhungen erbracht wurden. Die Anstalt und die AG sollten in beiden Fällen von ihrem Bezugsrecht ausgeschlossen sein, weil sie nicht bereit waren, sich an der Finanzierung weiterer Investitionen bei der GmbH 1 zu beteiligen. Das Optionsrecht konnte nach der Vereinbarung durch die s.a.r.l. oder durch die zu gründende GmbH 3 längstens bis zum 31.12.2003 ausgeübt werden. Nach der Ausübung des Optionsrechtes sollten die zu gründende GmbH 3 über 92, 5 % sowie die Anstalt und die AG über jeweils 3, 75 % der Anteile an der GmbH 1 verfügen. Ebenfalls 1998 fassten die Anstalt und die AG als Gesellschafter der GmbH 1 einen Beschluss über die vereinbarte Erhöhung des Kapitals der GmbH 1 von 15 Mio. DM um 22, 5 Mio. DM auf 37, 5 Mio. DM. Die neue Stammeinlage von 22, 5 Mio. DM war in Geld zu erbringen und wurde mit einem Aufgeld von 7, 5 Mio. DM ausgegeben. In Höhe eines Betrages von 15 Mio. DM war die Stammeinlage unverzüglich nach der Übernahme in Geld zu leisten, der verbleibende Betrag der Stammeinlage von 7, 5 Mio. DM und das Aufgeld von ebenfalls 7, 5 Mio. DM waren spätestens bis zum 31.12.1999 zu zahlen. Zur Übernahme der neuen Stammeinlage wurde unter Ausschluss der bisherigen Gesellschafter (Anstalt und AG) ausschließlich die GmbH 3 in Gründung zugelassen. Durch diese Kapitalerhöhung verringerte sich die Höhe der Beteiligung der Anstalt und der AG an der GmbH 1 von jeweils 50 % auf jeweils 20 %. Im Jahr 2001 fasste die Gesellschafterversammlung der GmbH 1 einen weiteren Gesellschafterbeschluss, nach dessen Inhalt das Stammkapital der GmbH 1 von 37,5 Mio. DM um weitere 22, 5 Mio. DM auf 60 Mio. DM erhöht wurde. Zugleich wurde das Stammkapital in Euro ausgewiesen (30.677.512,87 €) und um weitere 2.487,13 € auf einen Betrag von 30,68 Mio. € erhöht. Zur Übernahme des neuen Geschäftsanteils in Höhe von 22,5 Mio. DM war nur die GmbH 3 zugelassen. Für die Übernahme des Geschäftsanteils hatte diese neben dem Betrag von 22,5 Mio. DM ein Aufgeld von 7,5 Mio. DM zu entrichten. Durch die Kapitalerhöhung verringerten sich die Anteile der Anstalt und der AG an der GmbH 1 jeweils von 20 % auf 12,5 %. Dementsprechend erhöhte sich die Beteiligung der GmbH 3 an der GmbH 1 von 60 % auf 75 % der Anteile. Zu einer Übertragung weiterer Anteile kam es in der Folgezeit nicht mehr.

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Im Rahmen einer Außenprüfung bei der GmbH 1 vertrat der Prüfer die Ansicht, durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung über die (zweite) Kapitalerhöhung sei zugunsten der Anstalt ein Anwartschaftsrecht/Bezugsrecht in Bezug auf einen Teil des neuen Geschäftsanteils an der GmbH 1 entstanden. Dieses Recht habe die Anstalt der GmbH 3 dadurch zugewendet, dass sie im Rahmen der Gesellschafterversammlung ihre Zustimmung zur Ausschließung der bisher mit 20 % beteiligten Gesellschafter von der Übernahme der neuen Anteile erklärt habe. Rechtlich sei dieser Vorgang so zu behandeln, als habe die Anstalt ihr Anwartschaftsrecht/Bezugsrecht der Stiftung zugewendet und diese die Rechtsposition über die s.a.r.l. in die GmbH 3 eingelegt. Da der gemeine Wert des von der GmbH 3 übernommenen Geschäftsanteils erheblich höher gewesen sei als das von ihr für die Übernahme des neuen Geschäftsanteils entrichtete Entgelt, sei bei der GmbH 3 als Empfängerin der von der Stiftung getätigten Einlage eine Vermögensmehrung eingetreten. Spiegelbildlich liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der Anstalt an die Stiftung in Form der verhinderten Vermögensmehrung vor, denn es sei davon auszugehen, dass diese in der Lage gewesen wäre, für das von ihr zugunsten der GmbH 3 aufgegebene Anwartschaftsrecht/Bezugsrecht ein Entgelt zu erzielen. Die Stiftung habe durch die Einlage des Anwartschaftsrechtes/Bezugsrechtes in die GmbH 3 einen Veräußerungsgewinn nach § 17 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG erzielt, denn nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG gehöre zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der verdeckten Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Da als Anteile an einer Kapitalgesellschaft gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG auch Anwartschaften auf eine solche Beteiligung anzusehen seien, sei das von der Stiftung in die GmbH 3 eingelegte Anwartschaftsrecht ein tauglicher Gegenstand im Sinne der Vorschrift. Der Vorgang unterliege auch der beschränkten Steuerpflicht, da es um Anteile an einer inländischen GmbH gehe. Von einer Gewinnrealisierung sei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG auch dann auszugehen, wenn der Veräußerer oder der Einlegende die Anteile unentgeltlich erworben hätte. Dies sei vorliegend der Fall, denn die Anstalt habe der Stiftung das Anwartschaftsrecht/Bezugsrecht im Wege der vGA zugewendet. An die Stelle eines Veräußerungspreises trete im vorliegenden Fall der gemeine Wert des eingelegten Anwartschaftsrechtes/Bezugsrechtes mit 15.269.651 DM. Dabei handele es sich um einen Anteil des gemeinen Werts des gesamten Unternehmens der GmbH 1 in Höhe von 253.595.350 DM (vor der zweiten Kapitalerhöhung). Als Anschaffungskosten der Rechtsposition seien, soweit die Steuerpflichtige den Anteil im Wege der vGA erworben habe, nach § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend, der den Anteil zuletzt entgeltlich erworben habe. Der gemeine Wert des der Stiftung von der Anstalt zugewendeten Anwartschaftsrechtes/Bezugsrechtes in Höhe von 15.269.651 DM sei mithin lediglich um anteilig auf diese Rechtsposition entfallende Anschaffungskosten der Anstalt in Höhe von 2.257.975 DM zu vermindern. Damit ergebe sich ein Veräußerungsgewinn von 13.011.676 DM. Das Finanzamt folgte dem und erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid für 2001.

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Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte im ersten Rechtsgang vor dem Finanzgericht Münster teilweise Erfolg1; die Stiftung sei nach liechtensteinischem Recht rechtsfähig und damit eine Vermögensmasse, die im Streitjahr weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland gehabt habe. Sie habe durch ihren Verzicht auf die Teilnahme an der im Jahre 2001 bei der GmbH 1 vorgenommenen Kapitalerhöhung inländische Einkünfte i.S. von § 49 EStG i.V.m. § 2 Nr. 1 KStG erzielt, und zwar in Form einer dem § 17 Abs. 1 EStG unterfallenden verdeckten Einlage. Die Höhe des Veräußerungsgewinns aus der verdeckten Einlage belaufe sich aber lediglich auf 6.432.671 DM, da der gemeine Wert des der Stiftung von der Anstalt zugewendeten Anwartschaftsrechtes/Bezugsrechtes auf Grundlage einer tatsächlichen Verständigung zwischen den Beteiligten mit 15.269.651 DM anzusetzen sei. Der Bundesfinanzhof hat das erstinstanzliche Urteil des Finanzgericht aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen2. Im zweiten Rechtsgang hat das Finanzgericht der Klage erneut teilweise stattgegeben und ist wiederum zu inländischen Einkünften der Stiftung i.S. von § 49 EStG i.V.m. § 2 Nr. 1 KStG in Höhe von 6.432.671 DM gelangt3. Die dagegen gerichtete Revision der Stiftung, die sie auf die Verletzung materiellen Bundesrechts stützt, hat der Bundesfinanzhof nunmehr als unbegründet zurückgewiesen; das Finanzgericht habe ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass die Stiftung durch den Verzicht auf die Teilnahme an der im Streitjahr bei der GmbH 1 vorgenommenen Kapitalerhöhung inländische Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG i.V.m. § 2 Nr. 1 KStG in Höhe von 6.432.671 DM erzielt habe:

Das Finanzgericht ist auf der Grundlage der im zweiten Rechtsgang nachgeholten Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass es sich bei der Stiftung i.S. des § 2 Nr. 1 KStG um eine Körperschaft handelt, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, und daher mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.

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Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil in BFH/NV 2017, 1588 im ersten Rechtsgang ausgeführt hat, kommt es im Rahmen eines Typenvergleichs darauf an, ob die Stiftung, die dem Recht des Fürstentums Liechtenstein untersteht, nach ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Struktur einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt entspricht. Entscheidend ist insoweit eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft sowie deren konkrete Ausformung in ihrer Satzung4. Die für den Typenvergleich erforderlichen Feststellungen zum ausländischen Recht gehören zu den Tatsachenfeststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die das Finanzgericht von Amts wegen und unter Beachtung des § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO vorzunehmen hat. Der Bundesfinanzhof ist daran und an die Tatsachenwürdigung des Finanzgericht gebunden, wenn aus den Gründen des angefochtenen Urteils nachvollziehbar ist, aus welchen Tatsachen das Finanzgericht eine Schlussfolgerung tatsächlicher Art ableitet5.

Unter Beachtung dieser Vorgaben hat das Finanzgericht nunmehr festgestellt, dass es sich bei der Stiftung um ein rechtlich und wirtschaftlich verselbständigtes Zweckvermögen handelt, das von seinem Typ her mit einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt i.S. von § 1 KStG vergleichbar ist. An diese Feststellung, die keinen revisionsrechtlich beachtlichen Fehler erkennen lässt und gegen die die Beteiligten keine Einwendungen erhoben haben, ist der Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

Das Finanzgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Stiftung durch den Verzicht auf die Teilnahme an der im Streitjahr bei der GmbH 1 vorgenommenen Kapitalerhöhung inländische Einkünfte i.S. des § 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG erzielt hat. Inländische Einkünfte sind danach solche, die unter den Voraussetzungen des § 17 EStG erwirtschaftet werden, wenn es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat.

Es ist zwischen den Beteiligten nicht (mehr) im Streit, dass der Stiftung (etwaige) Einkünfte aus dem Verzicht an der Kapitalerhöhung bei der GmbH 1, die im Streitjahr sowohl ihren Sitz (§ 11 AO) als auch ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland hatte, im Sinne der vorgenannten Vorschriften persönlich zuzurechnen sind.

Zwar kann bei einer ausländischen Stiftung fraglich sein, ob die betreffenden Einkünfte aufgrund allgemeiner Regelungen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) einer anderen Person -beispielsweise dem Stifter- zuzurechnen sind. Maßgebend ist insoweit die Gestaltungs- und Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen, wie es sich insbesondere aus den Statuten und Beistatuten der Stiftung nach dem im Streitfall insoweit anwendbaren liechtensteinischen Recht ergibt6.

Das Finanzgericht hat dazu im zweiten Rechtsgang weitergehende Feststellungen getroffen und auf deren Grundlage -für den Bundesfinanzhof wiederum nach § 118 Abs. 2 FGO bindend- den Schluss gezogen, dass die Gestaltungs- und Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen ausschließlich bei den organschaftlichen Vertretern der Stiftung lag, so dass ihr nach allgemeinen Regelungen (§ 39 Abs. 1 AO) die Einkünfte und das Vermögen zuzurechnen waren.

Das Finanzgericht hat auch zu Recht eine anderweitige Zurechnung der Einkünfte aufgrund von § 15 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz -AStG-) abgelehnt. § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG setzt einen unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter bzw. eine unbeschränkt steuerpflichtige bezugsberechtigte oder anfallsberechtigte Person voraus, an denen es aber nach den Feststellungen des Finanzgericht im Streitfall gerade fehlt.

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Der Verzicht auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung der GmbH 1 im Streitjahr erfüllt die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich (im Streitjahr: zu mindestens 10 %) unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG); dabei steht die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft der Veräußerung von Anteilen gleich (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG). Zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gehören neben den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auch Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG) – dies umfasst aufgrund einer Kapitalerhöhung entstehende Bezugsrechte7 oder abspaltbare Teile des Wirtschaftsguts „Geschäftsanteil“8. Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, gilt § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG entsprechend, wenn dessen Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war.

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Stiftung (erst) im Streitjahr eine dem § 17 Abs. 1 EStG unterfallende Einlage vorgenommen hat, indem sie -abgeleitet aus dem gesellschaftlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter9- eine ihr von der Anstalt zugewendete Anwartschaft auf Bezug von Geschäftsanteilen, die durch die Nichtbeteiligung an der im Streitjahr bei der GmbH 1 durchgeführten Kapitalerhöhung entstanden ist, verdeckt in die GmbH 3 eingelegt hat. Auch wenn das Bezugsrecht der Altgesellschafter in dem für die Kapitalerhöhung notwendigen Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen wurde und damit gesellschaftsrechtlich kein Bezugsrecht entstanden ist10, kann dennoch eine (übertragbare) Anwartschaft i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG vorliegen11.

So verhält es sich im Streitfall. Nach den Feststellungen des Finanzgericht wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH 1 vom 31.08.2001 deren Stammkapital von 37, 5 Mio. DM um weitere 22, 5 Mio. DM auf 60 Mio. DM erhöht, wobei allerdings zur Übernahme des neuen Geschäftsanteils nur die GmbH 3 zugelassen wurde und damit die Altgesellschafter (Anstalt und AG) ausgeschlossen waren. Damit hat die Anstalt wirtschaftlich über ihre Anwartschaft auf neue Geschäftsanteile zugunsten der GmbH 3 verfügt und sie der Stiftung zugewendet.

Entgegen der Auffassung der Revision wurde die Anwartschaft auf Bezug von Geschäftsanteilen der GmbH 1 nicht bereits mit dem Abschluss der Vereinbarung vom 03.02.1998 und damit im Jahre 1998 zugewendet, sondern erst durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 31.08.2001 bzw. durch die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses im Handelsregister am 19.09.2001, und damit im Streitjahr.

Das Finanzgericht hat die Kapitalerhöhungs- und Optionsvereinbarung vom 03.02.1998 dahingehend gewürdigt, dass die s.a.r.l. bzw. die GmbH 3 lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet gewesen seien, eine weitere Erhöhung des Kapitals der GmbH 1 um 22, 5 Mio. DM unter Ausschluss der Altgesellschafter vorzunehmen. Auf dieser Grundlage ist das Finanzgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass erst im Zusammenhang mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 31.08.2001 bzw. durch die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses im Handelsregister am 19.09.2001 eine Anwartschaft i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG entstanden und damit auch erst im Streitjahr auf die GmbH 3 übergegangen ist. Denn ein selbständig übertragbares Bezugsrecht aus einer Kapitalerhöhung entsteht erst zu dem Zeitpunkt, in dem es durch den Kapitalerhöhungsbeschluss konkretisiert wird12. Vor diesem Zeitpunkt ist für die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG kein Raum.

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Die Revision kann sich für ihre gegenteilige Ansicht nicht mit Erfolg auf das Urteil des VIII. Bundesfinanzhofs des Bundesfinanzhofs vom 19.12.2007 – VIII R 14/0613 berufen. Danach kann zwar auch eine schuldrechtliche Option auf den Erwerb einer Beteiligung eine Anwartschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG sein. Das BFH, Urteil ist jedoch zu einer Kaufoption bezüglich eines bereits existierenden -und nicht eines erst unter weiteren Voraussetzungen künftig entstehenden Geschäftsanteils- ergangen und betrifft daher einen im wesentlichen Punkt andersgelagerten Sachverhalt.

Die Anwartschaft auf Bezug von Geschäftsanteilen der GmbH 1 wurde der Stiftung von der Anstalt zugewendet und nachfolgend von ihr (mittelbar) über die s.a.r.l. in die GmbH 3 verdeckt eingelegt. Verdeckte Einlagen sind -im Gegensatz zu offenen Einlagen (Einlagen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten)- Zuwendungen eines einlagefähigen Vermögensvorteils durch einen Anteilseigner oder einer ihm nahestehenden Person an seine Kapitalgesellschaft ohne wertadäquate Gegenleistung, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben14. Diese Voraussetzungen sind zwischen den Beteiligten nicht im Streit und es bedarf hierzu keiner weiteren Ausführungen des Bundesfinanzhofs.

Schließlich ist das Finanzgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Stiftung einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 6.432.671 DM erzielt hat.

Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der gemeine Wert der verdeckt eingelegten Anteile nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG). Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil unentgeltlich erworben, bestimmt § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG, dass als Anschaffungskosten des Anteils die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend sind.

Nach diesen Maßstäben und unter Beachtung der zwischen den Beteiligten erzielten tatsächlichen Verständigung hat das Finanzgericht zutreffend den gemeinen Wert der (verdeckt) eingelegten Anteile mit 8.375.351 DM sowie die anteilig zuzuordnenden historischen Anschaffungskosten der Anstalt in Höhe der übergegangenen stillen Reserven mit 1.942.680 DM angesetzt.

Dem kann von der Revision nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass von Anschaffungskosten für die Anteile in Höhe von 8.375.351 DM ausgegangen werden müsse, weil der Stiftung die Anwartschaft von der Anstalt im Wege einer vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) zugewendet worden sei und eine (vorangegangene) vGA zum Ansatz des gemeinen Werts der Anteile als Anschaffungskosten führe. Denn auch eine vGA ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein (dem Grunde nach) unentgeltlicher Vorgang15. Dem entspricht es, wenn verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften als unentgeltliche Vorgänge angesehen werden16 und in der Entnahme kein Anschaffungsvorgang gesehen wird17. Nach dem klaren Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG führt dies -abweichend von dem in § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG angeordneten Ansatz des gemeinen Werts bei verdeckten Einlagen- zum Ansatz der „historischen Anschaffungskosten“.

Soweit die Revision meint, aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ergebe sich, dass bei einer vGA der Ertrag beim Gesellschafter mit seinem „wahren Wert“, mithin dem gemeinen Wert, anzusetzen sei18, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Wie die Stiftung selbst einräumt, erfolgt der Ansatz mit dem gemeinen Wert im Rahmen einer vGA „ungeachtet der Frage der Unentgeltlichkeit“ des Rechtsvorgangs im Rahmen des § 17 EStG. Die Charakterisierung als unentgeltlicher Vorgang hängt allein von der Frage ab, ob eine Gegenleistung für die Zuwendung eines Vorteils an den Gesellschafter erfolgt ist oder nicht. Dementsprechend kann einer solchen Charakterisierung weder entgegengehalten werden, dass beim Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters von einer Barausschüttung und anschließender Veräußerung zum gemeinen Wert auszugehen wäre, noch dass es bei der vGA zu einem Rechtsträgerwechsel komme, mithin es sich um einen Anschaffungsvorgang handele.

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Schließlich ist ein Ansatz höherer (fiktiver) Anschaffungskosten auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion des Wortlauts des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG möglich. Ein Grund, die Geltungsanordnung des Gesetzes über den klaren Gesetzeswortlaut hinaus teleologisch zu reduzieren und im Fall einer der verdeckten Einlage vorangehenden vGA nicht die historischen Anschaffungskosten, sondern den gemeinen Wert anzusetzen, vermag der Bundesfinanzhof zumindest unter den besonderen Umständen des Streitfalls (punktuelle Anwendung des § 17 EStG in einem rein ausländischen Dreieckssachverhalt) nicht zu erkennen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. September 2022 – I R 47/19

  1. FG Münster, EFG 2014, 2076[]
  2. BFH, Urteil vom 08.02.2017 – I R 55/14, BFH/NV 2017, 1588[]
  3. FG Münster,  Urteil vom 14.08.2019 – 13 K 3170/17 K, EFG 2019, 1705[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 20.08.2008 – I R 34/08, BFHE 222, 521, BStBl II 2009, 263; vom 18.05.2021 – I R 12/18, BFHE 273, 223, BStBl II 2021, 875[]
  5. vgl. wiederum BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1588[]
  6. BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1588[]
  7. vgl. dazu BFH, Urteil vom 21.09.2004 – IX R 36/01, BFHE 207, 543, BStBl II 2006, 12[]
  8. dazu BFH, Urteile vom 21.01.1999 – IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638; vom 09.11.2010 – IX R 24/09, BFHE 231, 557, BStBl II 2011, 799[]
  9. vgl. die Nachweise im BFH, Urteil vom 19.04.2005 – VIII R 68/04, BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762[]
  10. vgl. hierzu etwa BFH, Urteil vom 15.12.2004 – I R 6/04, BFHE 209, 57, BStBl II 2009, 197[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 08.04.1992 – I R 128/88, BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761; BFH, Urteil in BFHE 209, 476, BStBl II 2005, 762[]
  12. BFH, Urteil vom 22.05.2003 – IX R 9/00, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712[]
  13. BFHE 220, 249, BStBl II 2008, 475[]
  14. z.B. BFH, Urteil vom 04.03.2009 – I R 32/08, BFHE 224, 410, BStBl II 2012, 341[]
  15. vgl. BFH, Urteil vom 20.08.1986 – I R 150/82, BFHE 149, 25, BStBl II 1987, 455[]
  16. z.B. BFH, Urteil in BFHE 224, 410, BStBl II 2012, 341, m.w.N.[]
  17. vgl. hierzu BFH, Urteil vom 13.04.2010 – IX R 22/09, BFHE 229, 189, BStBl II 2010, 790[]
  18. BFH (GrS), Beschluss vom 26.10.1987 – GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348[]

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