Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KStG sind Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, mit sämtlichen Einkünften steuerpflichtig. Demnach können auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sein1.

Ist dies der Fall und geben die für die Gesellschaft Verantwortlichen (§§ 34 f. AO) keine Körperschaftsteuererklärung ab, kann dies ihre Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen2.
Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird, mithin wo sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die bedeutsamste Stelle befindet3. Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Bei einer Körperschaft ist das regelmäßig der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sogenannten Tagesgeschäfte)4. Jedes Unternehmen muss einen Ort der Geschäftsleitung haben. Eine feste eigene Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, ist hierfür nicht erforderlich. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte kann sich daher beispielsweise auch in der Wohnung des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft befinden5.
Wird eine Kapitalgesellschaft an verschiedenen Orten geschäftsführend tätig, so sind die an den verschiedenen Orten ausgeübten Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung für die Kapitalgesellschaft zu gewichten, um auf diese Weise den Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen6. Zu den „Tagesgeschäften“ gehören nicht die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung. Von der laufenden Geschäftsführung ist deshalb die Mitwirkung der Gesellschafter an einzelnen Geschäftsführungsentscheidungen zu unterscheiden. Sie ist solange kein Teil der Geschäftsleitung nach § 10 AO, als die Gesellschafter sich nicht ständig in den gewöhnlichen Geschäftsverkehr der Kapitalgesellschaft einmischen und nicht alle Geschäftsführungsentscheidungen von einigem Gewicht selbst treffen7.
In seltenen Fällen ist eine Gewichtung im vorstehenden Sinn allerdings nicht möglich mit der Folge, dass mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten bestehen8. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere Personen, die mit gleichwertigen Geschäftsführungsaufgaben betraut sind, diese nicht von einem gemeinsamen Ort, sondern von unterschiedlichen Orten wahrnehmen9.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will; bedingter Vorsatz genügt. Nimmt der Steuerpflichtige irrtümlich an, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB)10. Insbesondere angesichts bestehender Umstände, die gegen eine Geschäftsleitung in Deutschland sprechen, muss sich das Gericht mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten auseinandersetzen.
Gleiches gilt auch für die Verurteilung wegen Hinterziehung von Gewerbesteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, § 149 Abs. 2 Satz 1 aF AO, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GewStG):
Ein Gewerbebetrieb wird – mit der Folge der Gewerbesteuerpflicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG – insbesondere im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Die Begriffsbestimmung des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO ist für § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG maßgeblich11. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO seinerseits knüpft mit dem Begriff der „Geschäftsleitung“ an § 10 AO an. Damit gelten die zum „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ (§ 10 AO) dargestellten Grundsätze auch für § 12 Satz 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG12.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. März 2019 – 1 StR 520/18
- BFH, Urteile vom 16.12 1998 – I R 138/97, BFHE 188, 251, 252; und vom 19.03.2002 – I R 15/01, DStRE 2003, 346, 347; Beschluss vom 15.07.1998 – I B 134/97, GmbHR 1999, 94[↩]
- BGH, Beschluss vom 30.05.1990 – 3 StR 55/90, wistra 1990, 307, 308[↩]
- BFH, Urteil vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BFHE 248, 81 Rn. 27 ff.[↩]
- BFH, Urteile vom 16.12 1998 – I R 138/97, BFHE 188, 251, 252; und vom 19.03.2002 – I R 15/01, DStRE 2003, 346, 347; Beschluss vom 15.07.1998 – I B 134/97, GmbHR 1999, 94; jeweils mit umfangreichen Nachweisen[↩]
- BFH, Urteil vom 16.12 1998 – I R 138/97, BFHE 188, 251, 252 f.[↩]
- BFH, Urteile vom 16.12 1998 – I R 138/97, BFHE 188, 251, 253; und vom 07.12 1994 – I K 1/93, BFHE 176, 253, 259[↩]
- BFH, Urteile vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BFHE 248, 81 Rn. 27; vom 07.12 1994 – I K 1/93, BFHE 176, 253, 259; und vom 03.07.1997 – IV R 58/95, BFHE 184, 185, 188[↩]
- BFH, Urteile vom 16.12 1998 – I R 138/97, BFHE 188, 251, 252; und vom 30.01.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128, 1129[↩]
- BFH, Urteil vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BFHE 248, 81 Rn. 30[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.01.2018 – 1 StR 331/17, wistra 2018, 339, 340; Urteil vom 08.09.2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465, 466 f.; je mwN[↩]
- BFH, Urteile vom 20.12 2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169 Rn. 28; vom 09.07.2003 – I R 4/02 16; und vom 03.07.1997 – IV R 58/95, BFHE 184, 185, 187[↩]
- BFH, Urteile vom 20.12 2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169 Rn. 29; und vom 05.11.2014 – IV R 30/11, BFHE 248, 81 Rn. 26 ff.[↩]