Belehrte der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht, bestand das Widersrpchsrecht auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. (1 Jahr nach Zahlung der ersten Prämie) fort.

Das ergibt, wie der Bundesgerichtshof aktuell ausdrücklich nochmals bestätigte, die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12 2013 [1].
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 07.05.2014 [2] entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer wie hier nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
Eine hilfsweise erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem Widerspruch nicht entgegen [3].
Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht [4].
Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot [5].
Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen [6].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Mai 2015 – IV ZR 260/13
- EuGH, VersR 2014, 225[↩]
- BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 1734[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 36 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 37 m.w.N.[↩]
- dazu im Einzelnen BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 4244[↩]
- BGH, Urteil vom 07.05.2014 aaO Rn. 45 m.w.N.[↩]