Mit der Vollstreckbarerklärung einer zu Lasten eines Zeugen in einem englischen Insolvenzverfahren erlassenen Third Party Costs Order hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen. Konkret stellte sich die Rechtsfrage, ob eine Vollstreckbarerklärung sich nach den Regeln der EuGVVO oder nach denen der EuInsVO richtet.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage jedoch dahinstehen lassen:
Die Frage, ob die EuGVVO oder die EuInsVO anwendbar ist, die lückenlos ineinander greifen, ist hinsichtlich eines geltend gemachten ordrepublic-Vorbehalts nicht entscheidungserheblich, wenn sich die Auslegung des Art. 26 EuInsVO bei einer insolvenzbezogenen Einzelentscheidung in einem kontradiktorischen Verfahren an den zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO entwickelten Maßstäben orientiert1.
Die Rechtsfrage der sachlichen Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12 20002 (EuGVVO) ist in einem solchen Fall jedenfalls nicht entscheidungserheblich. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es, wenn die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen – unter Aussparung der als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage – im Ergebnis richtig ist3. Selbst wenn die Vollstreckbarerklärung der englischen Costs Order nicht auf Art. 32 ff EuGVVO hätte gestützt werden dürfen, weil es sich um eine vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgeschlossene insolvenzrechtliche Annexentscheidung handeln könnte (vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO), wäre die Vollstreckbarerklärung nicht gescheitert.
Die Vollstreckbarerklärung hätte dann unter den Voraussetzungen des Art. 26 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2001 des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren4 geprüft werden müssen, weil die Exequatur von insolvenzrechtlichen Annexentscheidungen nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO von den Regelungen der EuInsVO erfasst wird. Dass die Anerkennungsregelungen der EuInsVO und der EuGVVO lückenlos ineinander greifen, wird durch den Erläuternden Bericht zum Entwurf des zunächst geplanten Europäischen Insolvenzrechtsübereinkommens bestätigt5. Der von der Rechtsbeschwerde aufgezeigte Meinungsstreit zu einer möglichen Regelungslücke betrifft nicht die Exequatur von insolvenzrechtlichen Annexentscheidungen, sondern die Regelung der internationalen Zuständigkeit für Annexverfahren6. Auch dieser Streit dürfte aber seit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weitestgehend überholt sein7.
Bei der Vollstreckbarerklärung wirkt sich die Qualifizierung der Costs Order als zivilrechtliche oder insolvenzrechtliche Entscheidung im Ergebnis nicht aus, weil nach beiden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für die Exequatur dieselben Versagungsgründe zu prüfen sind. Die Auslegung des Art. 26 EuInsVO orientiert sich bei insolvenzbezogenen Einzelentscheidungen, die in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind, an den zu Art. 34 EuGVVO entwickelten Maßstäben8. So gilt auch bei Art. 26 EuInsVO der Grundsatz, dass die Ordre public-Klausel nur in Ausnahmefällen anzuwenden ist9. Mit Art. 26 EuInsVO sollen neben dem materiellen Ordre public auch verfahrensrechtliche Garantien, wie sie in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO vorgesehen sind, gewahrt bleiben10, insbesondere soweit es um Entscheidungen gegenüber bestimmten Gläubigern geht11. Die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Beschwerdegerichts bei Anwendung der Art. 25 Abs. 1, Art. 26 EuInsVO ist damit nicht ersichtlich.
Ebenso wenig besteht Rechtsfortbildungsbedarf, soweit die Höhe der dem Antragsgegner als Gesamtschuldner auferlegten Verfahrenskosten beanstandet wird. Rechtsfortbildungsbedarf wäre nur dann gegeben, wenn substantiiert dargelegt würde, inwiefern eine abstrakte Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und im Streitfall auch geklärt werden kann12. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage noch nicht gerichtlich, nicht zwingend höchstrichterlich, geklärt ist13. Es bestehen jedoch keine Zweifel, dass eine nicht am Streitwert ausgerichtete, sondern nach zeitlichem Aufwand konkret berechnete anwaltliche Vergütung eines ausländischen Rechtsanwalts im Allgemeinen nicht gegen grundlegende Prinzipien des inländischen Rechts im Sinne von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO oder Art. 26 EuInsVO verstößt. Ein hoher Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts ist auch nicht generell unverhältnismäßig, weil er die Justizgewährung erschweren könnte14. Soweit die Höhe der nach Stundenaufwand abgerechneten Vergütung im konkreten Einzelfall gegen die inländische öffentliche Ordnung verstoßen könnte, wird nicht deutlich, inwieweit sich daraus der Bedarf ergibt, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen, des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen15.
Der Umstand, dass ein Verstoß gegen die inländische öffentliche Ordnung darin liegen könnte, dass einem nicht verfahrensbeteiligten Dritten die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, begründet ebenfalls keinen Rechtsfortbildungsbedarf. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass sich in diesem Zusammenhang eine klärungsbedürftige, also zweifelhafte oder streitige Rechtsfrage stellt. Vielmehr ist die Möglichkeit, einem Dritten Verfahrenskosten aufzuerlegen, auch dem deutschen Recht nicht fremd (vgl. § 81 Abs. 4 FamFG, § 380 Abs. 1, Abs. 2, § 390 Abs. 1, Abs. 2, § 409 Abs. 1 ZPO) und allgemein anerkannt. Es ist regelmäßig hinzunehmen, dass in anderen Rechtssystemen von dieser Möglichkeit unter anderen Voraussetzungen und mit weitreichenderen Folgen insbesondere dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn wie im Streitfall besondere Umstände des Einzelfalles für diese Kostenfolge herangezogen werden.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2014 – IX ZB 35/12
- Fortführung von BGH, WM 2013, 45 Rn. 3[↩]
- ABl. EG L 12 S. 1 vom 16.01.2001[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2003 – V ZR 187/02, WM 2004, 46, 47 f mwN; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 544 Rn. 14, § 574 Rn. 16[↩]
- ABl. EG L 160 S. 1 vom 30.06.2000, fortan: EuInsVO[↩]
- Virgos/Schmit in Hans Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EUÜbereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997, Rn.195, 197; vgl. auch MünchKomm-InsO/Reinhart, 2. Aufl., Art. 25 VO (EG) 1346/2000 Rn. 2; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 25 Rn. 50; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 1 Rn.19, 21d; Leipold in Festschrift Ishikawa, 2001, S. 221, 224 f[↩]
- eingehend dazu Strobel, Die Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, 2006, S. 86 ff[↩]
- EuGH, Urteil vom 12.02.2009 – C339/07, Seagon/Deko Marty Belgium NV, EWS 2009, 99 Rn.19 ff; vom 19.04.2012 – C213/10, Lietuvos Aukš?iausiasis Teismas, ZIP 2012, 1049 Rn. 27; vom 16.01.2014 – C328/12, Schmid/Hertel, ZIP 2014, 181 Rn. 30; vgl. auch Kropholler/von Hein, EuZPR, 9. Aufl., Art. 1 Rn. 36 EuGVO; Paulus, EuInsVO, 4. Aufl., Art. 25 Rn. 2a, 18 ff[↩]
- BGH, Beschluss vom 08.11.2012 – IX ZB 120/11, WM 2013, 45 Rn. 3 mwN[↩]
- EuGH, Urteil vom 02.05.2006 – C341/04, Eurofood, NZI 2006, 360 Rn. 63 f[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 02.05.2006, aaO Rn. 66 f; Duursma-Kepplinger, aaO Art. 26 Rn. 6 ff[↩]
- Virgos/Schmit, aaO Rn.206[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.10.2009 – IX ZB 50/09, WM 2010, 237 Rn. 4; Hk-ZPO/Kayser/Koch, aaO § 574 Rn. 17[↩]
- Hk-ZPO/Kayser/Koch, aaO § 543 Rn. 8[↩]
- vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 259 Rn. 24 ff[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225[↩]









