Der Grundstückskauf vom „unwissenden“ Testamentsvollstrecker

Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ zugerechnet werden.

Der Grundstückskauf vom „unwissenden“ Testamentsvollstrecker

Eine solche Zurechnung findet auch im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm (nur) mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbständigen Hausverwaltung nicht statt1.

Hat der Verkäufer das Grundstück in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker veräußert und ist damit selbst Vertragspartner des Grundstückskäufers geworden, kommt es auf seine Person an, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch Kenntnis oder das Kennenmüssen dieser Umstände beeinflusst werden2.

Nicht einschlägig ist daher die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.04.20163 zu einer Mehrheit von Verkäufern, wonach sich ein Verkäufer gemäß § 444 Alt. 1 BGB nicht auf einen vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen kann, wenn sein Mitverkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Der für den Nachlass handelnde Testamentsvollstrecker bildet mit den Erben keine Verkäufermehrheit.

Arglist des verkaufenden Testamentsvollstreckers wäre gegeben, wenn er selbst Kenntnis von der Eintragung des Hauses in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler gehabt hätte oder wenn ihm als Testamentsvollstrecker die Kenntnis eines Wissensträgers analog § 166 BGB zuzurechnen wäre. Beides ist im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall nicht gegeben:

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat es in der Vorinstanz in seinem Berufungsurteil dahinstehen lassen, ob die Behauptung des Testamentsvollstreckers zutreffend ist, dass er selbst keine Kenntnis von der Eintragung des Objekts in das Verzeichnis erkannter Denkmäler gehabt und noch nicht einmal um die Existenz eines solchen Verzeichnisses bei Vertragsschluss gewusst habe4. Für das Revisionsverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass das der Fall ist und der Testamentsvollstrecker lediglich wusste, dass es aus Sicht des Denkmalschutzamts schützenswerte Elemente des Hauses gab und das Haus unter der Beobachtung des Denkmalschutzamts stand. Darauf hat der Testamentsvollstrecker den Grundstückskäufer in dem Kaufvertrag hingewiesen.

Entgegen der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts ist dem Testamentsvollstrecker eine mögliche Kenntnis seiner Schwester von der Eintragung des Hauses in das Verzeichnis erkannter Denkmäler nicht zuzurechnen. Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ zugerechnet werden.

Eine Zurechnung von Wissen bei dem Abschluss von Verträgen ist nach § 166 BGB zu beurteilen. Die Vorschrift ist nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkt, sondern erstreckt sich analog auf den vergleichbaren Tatbestand der Wissensvertretung. „Wissensvertreter“ ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggf. weiterzuleiten5. Eine Wissenszurechnung auf dieser Grundlage scheidet hier aus, weil nach dem festgestellten Sachverhalt nicht davon auszugehen ist, dass der Testamentsvollstrecker seine Schwester damit betraut hatte, bestimmte Aufgaben in Bezug auf das Grundstück zu erledigen.

Entgegen der Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einschlägig, wonach jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation im Rahmen des ihr Zumutbaren sicherstellen muss, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden, und dass nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt wird6.

Eine vergleichbare Situation liegt zwischen dem Testamentsvollstrecker und seinen Geschwistern schon deswegen nicht vor, weil es sich bei dem Testamentsvollstrecker nicht um eine juristische Person oder eine vergleichbare Organisation handelt. Unabhängig davon, ist die genannte Rechtsprechung auf das Verhältnis von Testamentsvollstrecker und Erben auch deshalb nicht übertragbar, weil es sich grundlegend von der Struktur eines arbeitsteilig organisierten Unternehmens unterscheidet. Der Erbe ist nicht kraft Erbenstellung in die Organisation des Testamentsvollstreckers eingegliedert. Er ist nicht dessen Mitarbeiter und steht auch nicht in dessen Lager. Die Testamentsvollstreckung beschränkt vielmehr die Erbenstellung (§ 2211 Abs. 1 BGB). Der Testamentsvollstrecker hat die letztwillige Verfügung des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Er muss dabei nach seinem Ermessen selbständig und unter Umständen gegen den Willen der Erben entscheiden7.

Entgegen der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts kommt auch nicht in Betracht, dem Testamentsvollstrecker das Wissen der Grundstücksverwaltung, die das Informationsschreiben des Denkmalschutzamts im Juli 2006 für ihn entgegengenommen hat, entsprechend § 166 BGB zuzurechnen. Vortrag dazu, dass die Hausverwaltung in die Veräußerung des Hauses einbezogen war, ergibt sich aus dem Berufungsurteil nicht und wird auch von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt. Eine Wissenszurechnung nach den Grundsätzen der „Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches“ findet im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm (nur) mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbständigen Hausverwaltung nicht statt8. Die genannten Grundsätze gelten nur für arbeitsteilige Abläufe innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. März 2021 – V ZR 158/19

  1. Bestätigung von BGH, Urteil vom 22.11.1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270[]
  2. vgl. BeckOK BGB/Lange [1.11.2020], § 2206 Rn. 10; MünchKomm-BGB/Zimmermann, 8. Aufl., § 2206 Rn. 15; Staudinger/Reimann, BGB [2016], § 2205 Rn. 140 und § 2206 Rn.19[]
  3. BGH, Urteil vom  8.04.2016 – V ZR 150/15, VersR 2017, 766 Rn. 23[]
  4. OLG Hamburg, Urteil vom 24.05.2019 – 1 U 128/18[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 106 f. mwN; BGH, Urteil vom 25.10.2018 – IX ZR 168/17, NJW-RR 2019, 116 Rn. 13; Urteil vom 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 15[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 330 ff.; Urteil vom 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37; Urteil vom 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360; Urteil vom 10.12.2010 – V ZR 203/09 16 ff.; BGH, Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 65/14, NJW 2016, 3445 Rn. 61; Urteil vom 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 26[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1986 – IVa ZR 90/85, NJW 1987, 1070, 1071; Urteil vom 08.03.1989 – IVa ZR 353/87, NJW-RR 1989, 642, 643[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 22.11.1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270; vgl. auch Urteil vom 27.09.2002 – V ZR 320/01, NJW 2003, 589, 590[]

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