Überträgt ein Betreuer im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner auf die Veruntreuung von Geldern des Betreuten gestützten Entlassung ein Grundstück an einen nahen Angehörigen, stellt dies ein gewichtiges Indiz für die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes dar.

Die anfechtende Gläubigerin trägt im Rahmen des § 4 Abs. 1 AnfG die Darlegungs- und Beweislast für die Vornahme einer Leistung, deren Unentgeltlichkeit und die erforderliche Gläubigerbenachteiligung1. Nur soweit die Entscheidung von (indiziellen) Umständen aus dem Bereich des Anfechtungsgegners abhängt, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast2.
Um den ihr obliegenden Beweis der Unentgeltlichkeit führen zu können, ist die Gläubigerin darauf angewiesen, in ausreichendem Maße Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit den sicheren Schluss erlauben, dass der im Übertragungsvertrag behauptete Darlehensvertrag nicht abgeschlossen oder eine entsprechende Darlehensvaluta nicht an den Schuldner ausgekehrt worden war.
Hierbei entfalten weder der Grundstücksübertragungs, noch der Darlehensvertrag eine sich auf die Entgeltlichkeit der Leistung erstreckende, tatsächliche Vermutung einer inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit.
Bei dem zwischen dem Schuldner und der Anfechtungsgegnerin geschlossenen notariellen Grundstücksübertragungsvertrag handelt es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 Abs. 1 ZPO, deren formelle Beweiskraft lediglich die Tatsache umfasst, dass der Aussteller die in der Urkunde enthaltene Erklärung abgegeben hat3. Die inhaltliche Richtigkeit ist hingegen nicht von der Beweiskraft erfasst, sie unterliegt regelmäßig der freien richterlichen Beweiswürdigung4. Allerdings ist sowohl für privatschriftlich verfasste als auch für notariell beurkundete Vertragsurkunden anerkannt, dass die Urkunde die Erklärung der Vertragsparteien vollständig und richtig wiedergibt5. Diese Vermutung gilt jedoch nur im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander6. Da der Übertragungs- und der Darlehensvertrag zwischen dem Schuldner und der Anfechtungsgegnerin geschlossen wurde, wirkt die Vermutung bereits aus diesem Grund nicht zu Lasten der am Vertragsschluss unbeteiligten Anfechtungsgläubigerin.
Zum Nachweis der nachträglichen Erstellung und Rückdatierung des privatschriftlichen Darlehensvertrags hat die Gläubigerin vorliegend Sachverständigenbeweis angeboten. Die Einholung dieses Sachverständigengutachtens ist nicht als entbehrlich anzusehen. Zwar schließt die Tatsache der nachträglichen Erstellung eines Vertrages grundsätzlich nicht aus, dass dieser dennoch zu einem früheren Zeitpunkt (mündlich) geschlossen und zwischen den Parteien vollzogen wurde. Gleichwohl kann der nachträglichen Schaffung einer in eine notarielle Urkunde aufzunehmenden Vertragsgrundlage eine Indizwirkung zukommen, die das Gericht im Rahmen einer das gesamte Ergebnis der Beweisaufnahme umfassenden Beweiswürdigung zu gewichten und bewerten hat.
Neben einer Rückdatierung des Darlehensvertrages ist insbesondere der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Grundstücksübertragung und der Entlassung des Schuldners aus dem Betreueramt nach Bekanntwerden der gegen ihn erhobenen Untreuevorwürfe als berücksichtigungsfähiges Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen. Auch der bereits in der Vergangenheit erfolgten Übertragung und Rückübereignung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes zwischen den Eheleuten sowie den desolaten Vermögensverhältnissen des Schuldners könnte insofern Bedeutung beizumessen sein. Sofern das Berufungsgericht aus dem auf dem Kontoauszug handschriftlich vermerkten Zusatz „Einlage“ nichts Entscheidendes gegen die Ausreichung eines Darlehens herleiten wollte, ist dies für sich genommen nicht zu beanstanden. Allerdings ergibt sich aus einer Zusammenschau von Darlehensvertrag und dem auf dem Kontoauszug vermerkten abweichenden Zahlungszweck eine zumindest mehrdeutige Urkundenlage, welche ebenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein wird.
Soweit die Annahme einer Entgeltlichkeit der angefochtenen Leistung neben der Erfüllung der Darlehensverbindlichkeit auf die Einräumung des dinglichen Wohnungsrechts zugunsten des Schuldners stützt, verkennt es, dass bei einer Grundstücksübertragung die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts für den Übertragenden keinen Gegenwert darstellt, sondern allenfalls den Wert des übertragenen Grundstücks mindert7. Die objektive Gläubigerbenachteiligung kann insoweit nicht verneint werden. Denn die Bestellung eines gemäß §§ 1093, 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 857 Abs. 3, § 851 Abs. 2 ZPO grundsätzlich unpfändbaren Wohnungsrechts benachteiligt die Gläubiger, sofern nicht die Überlassung an Dritte ausdrücklich gestattet ist8. Eine derartige Gestattung enthält der zwischen Schuldner und Anfechtungsgegnerin geschlossene Grundstücksübertragungsvertrag jedoch nicht.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist eine vorsätzliche Benachteiligung erforderlich. Hierfür genügt ein bedingter Vorsatz des Schuldners. Der Schuldner muss nicht mit dem Ziel gehandelt haben, seine Gläubiger zu benachteiligen. Vielmehr liegt ein Benachteiligungsvorsatz schon dann vor, wenn der Schuldner bei einem auf einen anderen Zweck gerichteten Handeln die Benachteiligung als mögliche Folge seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt9. Für dieses Bewusstsein reicht es aus, dass der Schuldner den Ausfall weiterer Gläubiger für möglich hält und er sich trotz dieser Kenntnis nicht von seinem Handeln abhalten lässt10.
Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz liegt beim anfechtenden Gläubiger11. Allerdings kann dieses subjektive Tatbestandsmerkmal – weil es sich um eine innere, dem Beweis nur schwer zugängliche Tatsache handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden12. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung nach § 286 ZPO sind die maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, welche als Erfahrungswerte für und gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen. Indizielle Bedeutung können neben der Inkongruenz des Deckungsgeschäfts bei gleichzeitig beengten finanziellen Verhältnissen13 der Eintritt einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung und das besondere Ausmaß der Beeinträchtigung haben14. Erhebliche Bedeutung für die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes kommt vorliegend insbesondere dem Umstand zu, dass der Schuldner in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Entlassung aus dem Betreueramt aufgrund der gegen ihn erhobenen Untreuevorwürfe sein letztes werthaltiges Grundstück auf einen Dritten übertragen hat15. Dieses Beweisanzeichen wird durch das Näheverhältnis zwischen dem Schuldner und der Anfechtungsgegnerin als seiner Ehefrau noch verstärkt16. Unerheblich ist hierbei, dass die Gläubigerin zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung noch keine gegen den Schuldner gerichteten Schadensersatzansprüche geltend gemacht hat. Der Schuldner, dessen Untreuehandlungen zum Nachteil der Gläubigerin im Rahmen eines zivilrechtlichen Urteils festgestellt wurden, musste spätestens seit dem Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Betreueramt mit künftigen Schadensersatzforderungen der Gläubigerin rechnen.
Sollte sich im Rahmen des einzuholenden Sachverständigengutachtens die nachträgliche Erstellung und Rückdatierung des privatschriftlichen Darlehensvertrags beweisen lassen und hieraus auf eine Unentgeltlichkeit der Grundstücksübertragung zu schließen sein, wäre überdies im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass die unentgeltlich erfolgte Weggabe eines wertvollen Vermögensgegenstandes regelmäßig in nicht geringerem Maße als eine inkongruente Deckung ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes darstellt17.
Im Rahmen der gemäß § 286 Abs. 1 ZPO gebotenen umfassenden Abwägung des gesamten Beweisergebnisses wird das Berufungsgericht sämtliche für und gegen die Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners und dessen Kenntnis seitens der Anfechtungsgegnerin sprechenden Umstände heranzuziehen und zu bewerten haben. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanz eine Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz nicht an besonders strenge Voraussetzungen gebunden ist, unter denen nur ausnahmsweise in die Rechtssphäre Dritter eingegriffen werden kann. Die Anfechtung einer Rechtshandlung nach dem Anfechtungsgesetz soll vielmehr Gegenstände, welche ein Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat, dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers wieder erschließen und die durch Vermögensverschiebung verhinderte Zwangsvollstreckung wieder ermöglichen18.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. April 2015 – IX ZR 68/14
- vgl. BGH, Urteil vom 25.06.1992 – IX ZR 4/91, NJW 1992, 2421, 2423; RGZ 62, 38, 44; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 4 Rn. 74[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.11.1954 – IV ZR 64/54, WM 1955, 407, 411; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, aaO Rn. 75[↩]
- vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 415 Rn. 16; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., vor § 415 Rn. 4, 6[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1993 – IX ZR 96/92, NJW-RR 1993, 1379, 1380; Stein/Jonas/Leipold, aaO Rn.19; Prütting/Gehrlein/Preuß, ZPO, 6. Aufl., § 415 Rn. 7; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, Kapitel 26 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.07.2002 – V ZR 143/01, NJW 2002, 3164, 3165; RGZ 68, 15; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 119 Rn. 29; Ahrens, aaO Rn. 71[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240, 245 mwN; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., § 416 Rn 10[↩]
- vgl. für den Nießbrauch MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 4 Rn. 32[↩]
- BGH, Urteil vom 29.04.1986 – IX ZR 145/85, WM 1986, 841, 842; vom 13.07.1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314, 318; vom 10.07.2014 – IX ZR 50/12, WM 2014, 1586 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 13.07.1995, aaO S. 319; vom 17.12 1998 – IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, 1397; vom 10.07.2014, aaO Rn. 10; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 3 Rn. 14 ff; Huber, AnfG, 10. Aufl., § 3 Rn. 21; Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 1998, § 3 AnfG Rn. 6[↩]
- Münch-Komm-AnfG/Kirchhof, aaO Rn. 16[↩]
- BGH, Urteil vom 10.07.2014, aaO Rn. 11; Huber, aaO Rn. 30[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.08.2009 – IX ZR 159/06, NZI 2009, 768 Rn. 8; vom 07.11.2013 – IX ZR 248/12, WM 2013, 2233 Rn. 7; vom 10.07.2014, aaO mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2013, aaO Rn. 11 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.12 1997 – IX ZR 47/97, NJW 1998, 1561, 1563 zu § 31 KO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2014, aaO; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, aaO Rn. 47[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2014, aaO; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, aaO Rn. 60; vgl. auch MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 133 Rn. 27[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 06.12 2001 – IX ZR 158/00, WM 2002, 141, 143[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183, 184 f mwN; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, Einführung Rn. 1; Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2000, § 1 AnfG, Rn. 1, 3[↩]
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