Die Untreue des Insolvenzverwalters – und die verwirkte Insolvenzverwaltervergütung

Ein Insolvenzverwalter, der zum Nachteil der Masse eine strafbare Untreue begeht, um sich oder einen nahen Angehörigen zu bereichern, handelt regelmäßig in besonders schwerem Maß verwerflich und verwirkt in der Regel seinen Anspruch auf Vergütung.

Die Untreue des Insolvenzverwalters – und die verwirkte Insolvenzverwaltervergütung

Hat der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf Vergütung verwirkt, ist der Insolvenzverwalter mit seinem Anspruch auf Vergütung insgesamt ausgeschlossen.

Die Verwirkung des Anspruchs auf Vergütung erstreckt sich regelmäßig auch auf die vom Insolvenzverwalter als Pauschsatz geltend gemachten Auslagen.

Der Insolvenzverwalter verwirkt seinen Vergütungsanspruch (§ 63 InsO), wenn er die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als unwürdig erweist. Dies erfordert stets eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ein Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch verwirkt, kann dies anders als das Beschwerdegericht meint nicht auf eine Kürzung der Vergütung beschränkt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirkt der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf Vergütung entsprechend dem der Regelung in § 654 BGB zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als „unwürdig“ erweist1. Da der Insolvenzverwalter einen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit hat, kommt ein Ausschluss der Vergütung bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht2. Es genügt nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung. Die Versagung jeglicher Vergütung kommt vielmehr nur bei einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat3.

Diese Voraussetzungen sind im Regelfall erfüllt, wenn der Insolvenzverwalter zu Lasten der verwalteten Masse eine strafbare Untreue begeht, um sich oder seine Angehörigen zu bereichern.

Die Verwirkung des Anspruchs eines Insolvenzverwalters auf Vergütung findet ihren inneren Grund in dem schweren Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht, das ihn bestellt hat4. Deshalb kann die Verwirkung des Vergütungsanspruchs regelmäßig nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden, für das er eine Vergütung beansprucht5. Hat der Insolvenzverwalter in Ausübung eines konkreten Amtes einen schweren Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht begangen, ist umgekehrt ein pflichtgemäßes Verhalten des Insolvenzverwalters in anderen Insolvenzverfahren nicht geeignet, die Verwirkung seines Vergütungsanspruchs auszuschließen. Zu würdigen sind stets die Umstände im Hinblick auf die dem Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht obliegende Treuepflicht.

Eine schwere, subjektiv in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht liegt insbesondere dann vor, enn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat3. Hierbei sind die Umstände und das Gewicht der Straftat nach Art, Zielrichtung, Dauer und Ausmaß der Straftat zu würdigen und insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit die Straftat auf einem systematischen Vorgehen des Insolvenzverwalters zum Nachteil der Insolvenzmasse und zu seinem eigenen Vorteil beruhte.

Begeht der Insolvenzverwalter die vorsätzliche Straftat zum Nachteil der Masse, um sich oder einen nahen Angehörigen zu bereichern, handelt er regelmäßig in besonders schwerem Maß verwerflich. Dies gilt insbesondere, wenn es sich bei der vom Insolvenzverwalter vorsätzlich begangenen Untreue nicht um eine Einzeltat geringen Gewichts handelt, sondern um ein systematisches Vorgehen des Insolvenzverwalters, das dieser über mehrere Jahre zum Nachteil der Insolvenzmasse fortgesetzt hat. Sorgt der Insolvenzverwalter über einen längerem Zeitraum durch ein systematisches Vorgehen dafür, für sich oder seine Angehörigen wirtschaftliche Vorteile aus der Verwaltung der Masse zu ziehen, die zum Nachteil der Insolvenzmasse gehen, und begeht er dabei eine strafbare Untreue, hat er regelmäßig seinen Vergütungsanspruch verwirkt. Denn mit diesem Verhalten missachtet der Insolvenzverwalter eine seiner Hauptpflichten, die Insolvenzmasse zu sichern und zu erhalten6, und verlässt damit die grundlegende Vertrauensbasis, auf der seine Bestellung durch das Insolvenzgericht beruht. Die an einen Insolvenzverwalter gestellte Erwartung, er werde im Rahmen seiner Amtsausübung weder sich noch seine Angehörigen in strafbarer Weise vorsätzlich zu Lasten der Masse bereichern, enthält elementare, einfach zu erfüllende Anforderungen und betrifft den Kern der Treuepflicht.

Ob ein anderer Tatbeteiligter (hier: die durch die Zahlung von Rückvergütungen beteiligte Bank) den unmittelbar durch die Bereicherung des Insolvenzverwalters für die Masse eingetretenen Schaden ausgeglichen hat, ist unerheblich. Da maßgeblicher Gesichtspunkt die Treuepflicht des Insolvenzverwalters ist, sind grundsätzlich nur in seiner Person und seinem Verhalten in dem betroffenen Insolvenzverfahren liegende Umstände geeignet, das Gewicht einer begangenen Treuepflichtverletzung zu mindern. Die Schadenswiedergutmachung durch einen Dritten zählt nicht hierzu. Im Übrigen liegt der Schaden für die Insolvenzmasse nicht allein in den Rückvergütungen an den Insolvenzverwalter, sondern allgemein in der erhöhten Vergütung (hier: für die beteiligte Bank).

Unerheblich ist weiter, ob der Insolvenzverwalter sich in anderen Insolvenzverfahren pflichtgemäß verhalten hat oder ob er auch Einkünfte aus einer anderen Tätigkeit erzielt. Beide Umstände berühren das Gewicht einer im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin begangenen Treuepflichtverletzung regelmäßig nicht.

Kommt das Gericht bei der Gesamtwürdigung zur bei einer Untreue naheliegenden Überzeugung, dass der Insolvenzverwalter vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt hat, dass er sich seines Lohnes als „unwürdig“ erweist und deshalb die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen ein Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch verwirkt, scheidet eine bloße Kürzung der Vergütung auf einen noch angemessenen (Rest)Betrag bereits aus Rechtsgründen aus. Vielmehr führt die Verwirkung dazu, dass der Insolvenzverwalter mit seinem Anspruch auf Vergütung insgesamt ausgeschlossen ist.

Die Insolvenzverwaltervergütung ist als Tätigkeitsvergütung ausgestaltet, so dass der Einwand mangelhafter oder erfolgloser Leistung von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abgesehen die Höhe der Vergütung grundsätzlich nicht zu beeinflussen vermag7. Deshalb hat auch ein Verwalter, der gemäß § 59 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht aus wichtigem Grund entlassen worden ist, grundsätzlich einen Anspruch auf Festsetzung der Vergütung für seine bisherige Tätigkeit8. Pflichtverletzungen des Verwalters können daher grundsätzlich nicht zu einer Minderung der Vergütung führen9.

Dies gilt regelmäßig auch bei schweren Pflichtverletzungen des Verwalters. Eine vom Landgericht Halle für möglich gehaltene Kürzung für eine treuwidrige Pflichtverletzung, die keine vollständige Verwirkung rechtfertigt10, läuft auf eine Minderung der Vergütung für Schlechtleistung hinaus. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass die Insolvenzverwaltervergütung eine Tätigkeitsvergütung darstellt, die dem Insolvenzverwalter grundsätzlich unabhängig von Pflichtverletzungen zusteht. Die Rechtsauffassung des Landgerichts Halle erweitert zudem entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch des Insolvenzverwalters auf eine seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessene Vergütung und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine enge Begrenzung der Fälle gebieten, in denen ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen ist11, den Anwendungsbereich des aus § 654 BGB folgenden allgemeinen Rechtsgedankens auf Pflichtverletzungen, die keinen Ausschluss der Vergütung rechtfertigen.

Anders als das Landgericht Halle10 annimmt, richten sich Voraussetzungen und Rechtsfolge der Verwirkung nicht nach Art. 12 GG. Maßstab für die Frage, ob der Vergütungsanspruch entfällt, ist der aus § 654 BGB folgende allgemeine Grundgedanke, dass ein Makler unter vorsätzlicher oder grob leichtfertiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seiner Auftraggeber in wesentlicher Weise zuwidergehandelt hat. Die Verwirkung des Anspruchs auf Maklerlohn hat Strafcharakter und soll den Makler bei Vermeidung des Verlustes seiner Vergütung dazu anhalten, die ihm gegenüber seinem Auftraggeber obliegende Treuepflicht zu wahren. Dass dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist, setzt die Anwendung der Vorschrift nicht voraus. Entscheidendes Gewicht liegt bei der Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung, aufgrund derer der Makler den Lohn nach allgemeinem Rechtsund Billigkeitsempfinden nicht verdient hat, sondern sich seines Lohnes „unwürdig“ erweist12.

Lediglich hinsichtlich der Frage, ob das Verhalten des Insolvenzverwalters tatsächlich treuwidrig ist, sind die Anforderungen an die zur Verwirkung führende Treuwidrigkeit im Lichte des Art. 12 GG hoch anzusetzen. Da der Insolvenzverwalter einen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf eine seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessene Vergütung hat, gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine enge Begrenzung der Fälle, in denen ein Anspruch auf Vergütung ausgeschlossen ist13. Dem trägt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechnung, indem die Verwirkung auf die Fälle einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht beschränkt wird.

Die Erwägungen des Landgerichts Halle10 geben keinen Grund, hiervon abzuweichen. Es geht nicht an, in Fällen, in denen die hohen Anforderungen an eine zur Verwirkung führende Treuwidrigkeit bei einem Insolvenzverwalter erfüllt sind, dem Insolvenzverwalter gleichwohl einen teilweisen Vergütungsanspruch zuzusprechen. Hierbei ist nicht zuletzt zu berücksichtigen, dass die Masse mit zusätzlichen Vergütungsansprüchen belastet wird, sofern dem grob pflichtwidrig handelnden Insolvenzverwalter sein Vergütungsanspruch belassen wird. Ob insoweit Ansprüche des entlassenen Verwalters aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht kommen, ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden14.

Zu Unrecht will das Landgericht Halle10 berücksichtigen, ob der Verwalter bereits teilweise Vorschüsse hat abrechnen können. In den Fällen, in denen wie im vorliegenden Fall der Verwalter zu Lasten der verwalteten Masse eine strafbare Untreue begangen hat, um sich oder seine Angehörigen zu bereichern, steht es einer Verwirkung des Anspruchs auf Vergütung nicht entgegen, dass der Verwalter für seine bisherige Tätigkeit noch keine Vorschüsse erhalten hat. Unabhängig von der Frage, unter welchen Umständen der Insolvenzverwalter einen bereits erhaltenen Vorschuss an die Masse zu erstatten hat, enthält die Zustimmung des Insolvenzgerichts, dass der Insolvenzverwalter gemäß § 9 InsVV einen Vorschuss auf die Vergütung und Auslagen aus der Masse entnehmen kann, keine bindende Entscheidung über die gemäß § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 InsVV festzusetzende Vergütung. Demgemäß stünde dies einer Verwirkung der gesamten Vergütung nicht entgegen. Umgekehrt setzt eine Verwirkung gerade nicht voraus, dass der Insolvenzverwalter jedenfalls teilweise vergütet wird.

Die Verwirkung des Anspruchs auf Vergütung erstreckt sich regelmäßig auch auf die vom Insolvenzverwalter als Pauschsatz gemäß § 8 Abs. 3 InsVV geltend gemachten Auslagen15. Ob etwas anderes gilt, wenn der Insolvenzverwalter statt des Pauschsatzes gemäß § 4 Abs. 2 InsVV die ihm tatsächlich entstandenen Auslagen geltend macht16, konnte der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Streitfall dahinstehen lassen, da der Insolvenzverwalter solches nicht geltend machte.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. November 2018 – IX ZB 14/18

  1. BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131 f; vom 09.06.2011 – IX ZB 248/09, ZIP 2011, 1526 Rn. 6; vom 06.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 13; vom 14.07.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6; vom 21.09.2017 – IX ZB 28/14, ZIP 2017, 2063 Rn. 10; für die Vergütung des Zwangsverwalters: BGH, Beschluss vom 23.09.2009 – V ZB 90/09, NZI 2009, 820 Rn. 8 ff[]
  2. BGH, Beschluss vom 06.05.2004, aaO S. 132; vom 09.06.2011, aaO; vom 14.07.2016, aaO[]
  3. BGH, Beschluss vom 14.07.2016, aaO; vom 21.09.2017, aaO[][]
  4. BGH, Beschluss vom 14.07.2016, aaO Rn. 8; vom 21.09.2017, aaO Rn. 11[]
  5. BGH, Beschluss vom 21.09.2017, aaO[]
  6. BGH, Urteil vom 05.05.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 49; vom 26.06.2014 – IX ZR 162/13, WM 2014, 1434 Rn. 18; Beschluss vom 14.07.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 8[]
  7. BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130[]
  8. BGH, aaO[]
  9. BGH, Beschluss vom 06.05.2004, aaO; vom 13.07.2006 – IX ZB 104/05, BGHZ 168, 321 Rn. 25; vom 06.11.2014 – IX ZB 90/12, WM 2014, 2329 Rn. 12; zur Vergütung des Rechtsanwalts vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 55[]
  10. LG Halle, Beschluss vom 08.01.2018 3 T 34/17[][][][]
  11. BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132; vom 09.06.2011 – IX ZB 248/09, ZIP 2011, 1526 Rn. 6; vom 14.07.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6; vom 21.09.2017 – IX ZB 28/14, ZIP 2017, 2063 Rn. 10[]
  12. BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131 mwN[]
  13. BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132[]
  14. vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 133 f[]
  15. in der Sache ebenso BGH, Beschluss vom 09.06.2011 – IX ZB 248/09, ZIP 2011, 1526; vom 14.07.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23.09.2009 – V ZB 90/09, NZI 2009, 820 Rn. 30 zum Auslagenersatz des Zwangsverwalters[]
  16. offen gelassen von BGH, Beschluss vom 06.05.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 134[]