Mietpreisbremse in Berlin

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Berliner Vermieters gegen die „Mietpreisbremse“ und die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes muss der Vermieter zunächst den Zivilrechtsweg beschreiten. Mit der Nichtannahmeentscheidung hat sich auch der zugleich gestellt Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des Gesetzes erledigt.

Mietpreisbremse in Berlin

Mietpreisbremse[↑]

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die „Mietpreisbremse“, die durch das am 1.06.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG) vom 21.04.20151 in § 556d BGB eingeführt worden ist, und zudem gegen die Verordnung des Berliner Bundesverfassungsgerichts zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß § 556d Abs. 2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung – MietBegrV) vom 28.04.20152. Die Verfassungsbeschwerde ist mit einem Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des Gesetzes nach § 32 Abs. 1 BVerfGG verbunden.

Die „Mietpreisbremse“ ist durch Art. 1 Nr. 3 MietNovG in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. Die maßgebliche Bestimmung lautet:

§ 556d – Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung

Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) höchstens um 10 Prozent übersteigen.

Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. 2 Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. 3 Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn

  1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
  2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
  3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
  4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens am 31.12 2020 in Kraft treten. 5 Sie muss begründet werden. 6 Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. 7 Ferner muss sich aus der Begründung ergeben, welche Maßnahmen die Landesregierung in dem nach Satz 1 durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen.

Nach Art. 4 Satz 1 MietNovG ist die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen gemäß § 556d Abs. 2 BGB vorab am 28.04.2015 in Kraft getreten. Die übrigen Vorschriften sind seit dem 1.06.2015 in Kraft (Art. 4 Satz 2 MietNovG).

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Aufgrund der Ermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB hat der Berliner Bundesverfassungsgericht am 28.04.2015 die Mietenbegrenzungsverordnung mit folgenden Bestimmungen erlassen:

§ 1 – Gebietsbestimmung

Berlin ist eine Gemeinde im Sinne des § 556d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit einem angespannten Wohnungsmarkt, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.

§ 2 – Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1.06.2015 in Kraft. Mit Ablauf des 31.05.2020 tritt diese Verordnung außer Kraft.

Die Verfassungsbeschwerde[↑]

Der Vermieter ist Eigentümer einer Wohnung in einem Berliner Stadtteil, deren Neuvermietung er zum 1.08.2015 beabsichtigt. Er sieht sich durch das Inkrafttreten von § 556d BGB und den Erlass der Mietenbegrenzungsverordnung daran gehindert, die Wohnung zu angemessenen Konditionen weiterzuvermieten.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Vermieter die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

Er ist der Ansicht, dass die Mietenbegrenzungsverordnung offensichtlich nicht den Anforderungen der gesetzlichen Verordnungsermächtigung entspreche. Insbesondere sei die Rechtsverordnung entgegen § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB nicht ausreichend begründet worden und enthalte keinen Hinweis darauf, welche flankierenden Maßnahmen der Berliner Bundesverfassungsgericht ergreifen wolle, um der Wohnungsnot in der Stadt Herr zu werden. Daher könne nicht nachvollzogen werden, ob wirklich in allen zwölf Stadtbezirken ein angespannter Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB vorliege. Gegen eine flächendeckende, sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckende Notsituation sprächen statistische Daten wie der Rückgang der Zahl der Haushalte und Mietwohnungen im Jahr 2013 und die Tatsache, dass die Mieten weniger stark gestiegen seien als ein durchschnittliches Arbeitseinkommen.

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Auch die Ermächtigungsgrundlage des § 556d Abs. 2 BGB sei wegen Verstoßes gegen Art.20 Abs. 3 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung seien nicht hinreichend bestimmt; der Rahmen dessen, was durch Verwaltungshandeln ausgefüllt werden müsse, sei nur mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie „angespannter“ Wohnungsmarkt, „ausreichende“ Versorgung der Bevölkerung oder „angemessenen“ Bedingungen beschrieben. Diese Voraussetzungen mit objektivem Inhalt zu füllen, sei geradezu unmöglich.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[↑]

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Vermieters angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat3. Ungeachtet der Tatsache, dass der Vermieter schon mit Blick auf den nur eingeschränkten Anwendungsbereich der „Mietpreisbremse“ seine gegenwärtige Betroffenheit im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht ausreichend deutlich gemacht hat4, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde[↑]

Bei einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde – wie sie hier vorliegt – ist der Subsidiaritätsgrundsatz zur Wahrung des Vorrangs der sachnäheren Fachgerichtsbarkeit in besonderer Weise zu beachten, weil das Gebot der Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht gilt. Es ist daher besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Vermieter vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen5. Damit soll vor allem gewährleistet werden, dass dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden6.

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Demnach ist der Vermieter auf die Beschreitung des Zivilrechtswegs zu verweisen. Sollte er bei der Neuvermietung der Wohnung gegen die „Mietpreisbremse“ verstoßen, ändert dies nichts an der Wirksamkeit des Mietvertrags. Unwirksam ist lediglich die Abrede über die Höhe der Miete und auch dies nur insoweit, als die zulässige Höchstgrenze überschritten wird (vgl. § 556g Abs. 1 Satz 2 BGB). Hält der Vermieter die Begrenzung der zulässigen Miethöhe für nichtig, so ist er mithin nicht gehindert, die gesamte vertraglich vorgesehene Miete vor den Zivilgerichten einzuklagen. Diese haben dann zu prüfen, ob die Entgeltabrede teilweise unwirksam ist. Zu diesem Prüfungsprogramm könnte auch die Frage gehören, ob die Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB den Anforderungen der gesetzlichen Ermächtigung genügt und auch im Übrigen mit höherrangigem Recht in Einklang steht7.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 2015 – 1 BvR 1360/15

  1. BGBl I S. 610[]
  2. GVBl. BE S. 101[]
  3. vgl. BVerfGE 90, 22, 25 f.; 108, 129, 136; stRspr[]
  4. vgl. BVerfGE 1, 97, 102; 60, 360, 371; 97, 157, 164; 102, 197, 207; 114, 258, 277; stRspr[]
  5. vgl. BVerfGE 84, 90, 116; 90, 128, 136 f.; 97, 157, 165 f.; 102, 197, 207; stRspr[]
  6. BVerfGE 79, 1, 20; 86, 382, 386 f.; 114, 258, 279[]
  7. vgl. LG Berlin, Urteil vom 03.07.2014 – 67 S 121/14, WuM 2014, S. 554, 555 ff. – für die Berliner Kappungsgrenzenverordnung nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB[]
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