Berechnung der VBL-Zusatzrente bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst

Die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ist tauglicher Beschwerdegegenstand im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen komplexe Regelungen zur Leistungsberechnung, genügt es nicht, nachteilige Ungleichbehandlungen durch einzelne Faktoren zu behaupten; vielmehr bedarf es auch einer Auseinandersetzung mit ihrem Zusammenwirken und dessen Ergebnis. Im Einzelfall kann es zumutbar sein, dabei unterstützende Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen Verfassungsverstoß substantiiert rügen zu können.

Berechnung der VBL-Zusatzrente bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst

Mit dieser Begründung blieben jetzt zwei Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ohne Erfolg, die sich gegen die Berechnung von Zusatzrenten der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem öffentlichten Dienst (§ 18 BetrAVG) richten.

Beide Beschwerdeführer waren im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der Versorgungsanstalt pflichtversichert. Sie beendeten ihre Arbeitsverhältnisse vor Erreichen der Regelaltersgrenze und schieden damit aus der Pflichtversicherung der Versorgungsanstalt aus. Von der Versorgungsanstalt erhielten sie ab Renteneintritt eine Zusatzrente, die aufgrund der einschlägigen Satzungsbestimmungen der Versorgungsanstalt in Verbindung mit § 18 BetrAVG berechnet wurde. In den Ausgangsverfahren erstrebten die Beschwerdeführer die Zahlung höherer Zusatzrenten. Die maßgeblichen Satzungsregelungen seien verfassungswidrig; daher müssten jene Berechnungsvorschriften Anwendung finden, die ohne ein vorzeitiges Ausscheiden gelten. Hilfsweise machten sie eine Berechnung ihrer Zusatzrenten nach der Regelung für die Privatwirtschaft in § 2 BetrAVG geltend. Ihre Klagen vor den Zivilgerichten blieben erfolglos.

Mit ihren hiergegen sowie gegen die Bestimmungen zur Berechnung der Zusatzrenten gerichteten Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, weil die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abhängig vom Zeitpunkt ihres Ausscheidens unterschiedlich und zudem bei vorzeitigem Ausscheiden auch anders behandelt würden als die Beschäftigten der Privatwirtschaft. Zudem seien sie in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt, denn ihre erdienten Renten würden ihnen teilweise wieder entzogen.

Das Bundesverfassungsgericht hat beide Verfassungsbeschwerden als unzulässig zurückgewiesen:

Soweit die Beschwerdeführer ihre Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen § 18 BetrAVG richten, sind sie unzulässig, weil sie entgegen § 93 Abs. 3 BVerfGG nicht innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten des Gesetzes erhoben wurden.

Die Verfassungsbeschwerden sind, soweit sie sich mittelbar gegen die Satzungsbestimmungen der Versorgungsanstalt richten, nicht bereits deshalb unzulässig, weil diese nicht im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnten. Die Versorgungsanstalt ist als Anstalt des öffentlichen Rechts an Grundrechte gebunden1. Ihre Satzung ist tauglicher Beschwerdegegenstand im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG2. Das gilt unabhängig von ihrer Einordnung als privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen3. Es gilt auch, insofern Satzungsregelungen auf Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien zurückzuführen sind, deren Handlungsspielraum durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist4, da dies die öffentliche Gewalt ebenso wenig generell von der Beachtung der Grundrechte entbindet wie das Handeln in privatrechtlichen Organisationsformen5.

Jedoch sind die Verfassungsbeschwerden insbesondere mit Blick auf die Beschwer nicht hinreichend substantiiert (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG).

Hinsichtlich der einzelnen in Frage stehenden Satzungsbestimmungen ist nicht konkret vorgetragen, inwieweit sich aus ihnen für die Beschwerdeführer ein Nachteil ergibt. In Bezug auf § 37 Abs. 1 VBLS a.F. scheidet eine Ungleichbehandlung zum Nachteil der Beschwerdeführer von vornherein aus. Die Regelung normiert nur die Voraussetzungen unterschiedlicher Typen von Zusatzrenten, aber nicht deren Berechnung; die Norm wirkt sich folglich nicht auf die Rentenhöhe aus.

Die Verfassungsbeschwerden zeigen die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG nicht auf. Der Vortrag der Beschwerdeführer lässt nicht erkennen, inwiefern ihnen durch die angegriffenen Entscheidungen geschützte Rechtspositionen genommen worden sind. Unter den Schutz der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen6. Damit schützt die Eigentumsgarantie nicht nur dingliche oder sonstige gegenüber jedermann allgemein wirkende Rechtspositionen, sondern auch schuldrechtliche Ansprüche7 und sozialversicherungsrechtliche Rentenansprüche und Rentenanwartschaften, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes erworben worden sind8. Der Eigentumsgarantie kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und Menschen dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung ihres Lebens zu ermöglichen. Heute erlangt der Großteil der Bevölkerung eine wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen als durch den Ertrag der Erwerbsarbeit und eine daran anknüpfende, solidarisch getragene Altersversorgung, die auch historisch von jeher eng mit dem Eigentumsgedanken verknüpft war9. Folglich sind auch unverfallbare Anwartschaften auf Betriebsrenten eigentumsrechtlich geschützt. Doch reicht der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG nur so weit, wie Ansprüche bereits bestehen, verschafft diese selbst aber nicht10. Das Grundrecht auf Eigentum schützt daher auch unverfallbare Anwartschaften, wenn auch nicht in einer konkreten Höhe.

Die Beschwerdeführer nennen keine Rechtspositionen, welche die Rechtsordnung ihnen bereits in einer Weise zugeordnet hat, dass sie in ihrer Höhe durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wären11. Die Angaben aus den Mitteilungen der Versorgungsanstalt von 1993 und 1999 begründen keinen Besitzstand, der den Beschwerdeführern zu diesem Zeitpunkt bereits endgültig zugestanden hätte10. Auch der Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 4 VersorgungsTV spricht den Beschwerdeführern keine Versorgungsrente zu, denn § 4 VersorgungsTV verpflichtet bestimmte Arbeitgeber, Beschäftigte bei der Versorgungsanstalt so zu versichern, dass sie eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente für sich und die Hinterbliebenen erwerben können; eine Garantie für diese Rente in einer bestimmten Höhe enthält die Vorschrift jedoch nicht. Dasselbe gilt für das Verlangen nach Bestandsschutz gemäß § 98 VBLS a.F., denn diese Norm regelt die Art der Berechnung von Versorgungsrenten für einen bestimmten, mit Bestandsschutz gesicherten Personenkreis, begründet aber derartige Rentenansprüche ebenfalls nicht12.

Auch die Möglichkeit der Verletzung der aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs. 3 GG hergeleiteten Grundsätze der Bestimmtheit und des Vertrauensschutzes ist nicht aufgezeigt.

Hinsichtlich der Regelung des § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe f BetrAVG zur Anwendung des Näherungsverfahrens fehlt es nicht nur an einem Vortrag, der erkennen ließe, dass die angegriffenen Entscheidungen auf dem behaupteten Verfassungsverstoß beruhen. Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass die im Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche bestünden, wenn § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe f BetrAVG verfassungswidrig wäre. Zudem ist nicht konkret vorgetragen, warum es der angegriffenen Regelung an Bestimmtheit mangeln soll. Das Gesetz verweist auf das Näherungsverfahren, das bei Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung bereits feste Gestalt angenommen hatte, durch Erlasse von Finanzbehörden konkretisiert war und lediglich geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst wurde. Zwar ist das Verfahren komplex. Doch der Einwand, es ergebe sich daraus keine einfache Formel zur Rentenberechnung, begründet noch keinen Verfassungsverstoß.

Auch eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes ist nicht hinreichend dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass durch frühere Mitteilungen der Versorgungsanstalt oder § 4 VersorgungsTV ein Vertrauen in eine Rente, wie sie im Ausgangsverfahren geltend gemacht worden ist, überhaupt begründet worden wäre.

Die Rüge einer Verletzung von Art. 5 Abs. 3 GG ist unzulässig. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde lässt die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht erkennen. Art. 5 Abs. 3 GG schützt die Freiheit von Forschung und Wissenschaft als Tätigkeiten13, nicht aber das damit im Zusammenhang stehende Gewinn- und Erwerbsstreben14. Insofern ist es zwar durchaus denkbar, dass ökonomische Zwänge als faktische Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit zu verstehen sind. Doch sind solche ökonomischen Zwänge weder vorgetragen noch ersichtlich. Fallen lediglich persönliche finanzielle Vorteile weg, ist die Wissenschaftsfreiheit nicht ohne Weiteres tangiert.

Die Verfassungsbeschwerden legen insbesondere nicht hinreichend dar, inwiefern die Gerichte das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt haben sollen.

Eine Rüge ist hinreichend substantiiert, wenn im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG alles dargelegt wird, was dem Gericht eine Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen ermöglicht. Dies schließt eigene Ermittlungen des Bundesverfassungsgerichts nicht aus. Es ist jedoch nicht gehalten, sich den Sachverhalt durch langwieriges Recherchieren aus weiteren Unterlagen zu erschließen15. Die prozessuale Pflicht zur plausiblen Darlegung der gerügten Grundrechtsverletzungen kann auch Informationen umfassen, die ursprünglich nicht im Kenntnisbereich derjenigen liegen, die eine Verletzung ihrer Grundrechte geltend machen, wenn ihnen diese Darlegung möglich und zumutbar ist16. Im Einzelfall kann es ebenfalls zumutbar sein, unterstützende Beratung in Anspruch zu nehmen, um einen Verfassungsverstoß substantiiert rügen zu können. Das gilt insbesondere, wenn – wie hier im Betriebsrentenrecht – komplexe Regelungen zur Leistungsberechnung angegriffen werden. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG muss plausibel dargelegt werden, wer in Bezug auf wen in welcher Weise benachteiligt wird. Die Verfassungsbeschwerde muss erkennen lassen, worin konkret ein individueller Nachteil liegt. Richtet sich der Angriff gegen eine Regelung, muss vorgetragen werden, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine auch individuell nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen soll17. Dabei ist auch auf nahe liegende Gründe für und gegen die angegriffene Differenzierung einzugehen18.

Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen komplexe Regelungen, genügt es nicht, nachteilige Ungleichbehandlungen durch einzelne Faktoren in einer Leistungsberechnung zu rügen. Es bedarf vielmehr auch einer Auseinandersetzung mit ihrem Zusammenwirken und dem Gesamtergebnis. Dazu sind erforderlichenfalls Alternativberechnungen, wenn nötig unter Zuhilfenahme Dritter vorzulegen; ist dies ausnahmsweise unzumutbar, müssen jedenfalls die konkreten tatsächlichen Grundlagen für eine Alternativberechnung vorgetragen werden. Eine entscheidungserhebliche Ungleichbehandlung auch durch Einzelregelungen in komplexen Berechnungssystemen ist zudem nur dann hinreichend dargelegt, wenn die Verfassungsbeschwerde die Auswirkungen des behaupteten Nachteils auf die Leistungshöhe aufzeigt.

Die Beschwerdeführer rügen Ungleichbehandlungen gegenüber den vorzeitig ausscheidenden Beschäftigten in der Privatwirtschaft sowie eine Ungleichbehandlung innerhalb des öffentlichen Dienstes gegenüber den Versorgungsrentenberechtigten und halten diese nicht für gerechtfertigt, haben beides aber nicht hinreichend dargelegt.

Aus dem Vortrag ist nicht ersichtlich, in welcher Hinsicht die infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 18 BetrAVG a.F.19 getroffene Neuregelung von § 18 BetrAVG mit dem Grundgesetz unvereinbar wäre. Zwar wäre auch eine Erstreckung der Berechnung nach § 2 BetrAVG für die private Wirtschaft auf den öffentlichen Dienst sachangemessen20, doch ist sie nicht zwingend. Der Gesetzgeber hat einen Regelungsspielraum, den er auch nutzen kann, um Besonderheiten des öffentlichen Dienstes durch eine abweichende Regelung Rechnung zu tragen21. Er hat § 18 Abs. 2 BetrAVG der Regelung für die Privatwirtschaft nunmehr zwar angenähert, denn beide Vorschriften sehen eine ratierliche Berechnungsweise der Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden vor. Es gibt aber nach wie vor Unterschiede zwischen beiden, allerdings ist aus den Verfassungsbeschwerden nicht ersichtlich, dass diese gegen Verfassungsrecht verstoßen. Mit dem ausdrücklich durch das Bundesverfassungsgericht eingeräumten Spielraum bei der Neugestaltung des § 18 BetrAVG setzen sich die Beschwerdeführer nicht auseinander.

Es ist nach dem Vortrag der Beschwerdeführer insbesondere unklar, wie hoch ein Anspruch nach § 2 BetrAVG wäre und wie dieser in ihren Fällen zu berechnen wäre. Zwar hatte das hier maßgebliche Regelungswerk eine Komplexität, die es den Versicherten kaum mehr ermöglichte zu überschauen, welche Leistung sie erwarten konnten22. In eine fiktive Alternativberechnung nach § 2 BetrAVG wäre diese Komplexität auch eingeflossen. Zudem hatten die Beschwerdeführer keinen Anspruch darauf, eine Vergleichsberechnung nach § 2 BetrAVG durch die Versorgungsanstalt vornehmen zu lassen. Beiden Beschwerdeführern war dennoch ein konkreter Vortrag zu der von ihnen angestrebten alternativen Rentenberechnung zumutbar. Sie hätten eine solche Alternativberechnung erforderlichenfalls mit Unterstützung sachkundiger Dritter erstellen können. Mit der Rentenberatung ist zudem ein auch auf gerichtliche Verfahren bezogenes Unterstützungsangebot vorhanden. Auslagen für Alternativberechnungen sind den Beschwerdeführern zumutbar, wenn die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde dadurch nicht in unverhältnismäßiger Weise erschwert wird. Das ist hier nicht ersichtlich. Im Übrigen sind die Beschwerdeführer den Alternativberechnungen der Versorgungsanstalt, wonach sich keine höheren Ansprüche ergäben, nicht entgegengetreten.

Selbst wenn eine Alternativberechnung in Einzelfällen unzumutbar ist, muss eine Verfassungsbeschwerde jedenfalls die konkreten tatsächlichen Grundlagen für eine Alternativberechnung mitteilen. Einzelne Angaben – insbesondere zur erreichten gesamtversorgungsfähigen Zeit und zum gesamtversorgungsfähigen Entgelt – finden sich hier nur verstreut in den Anlagen der Verfassungsbeschwerden, fehlen aber in den Beschwerdeschriften. Der Beschwerdeführer zu 1) behauptet, dass ein Anspruch nach § 2 BetrAVG sich mindestens auf die Höhe beliefe, die ihm in einer Mitteilung der Versorgungsanstalt von 1993 in Aussicht gestellt worden sei; dieser Vortrag bezieht sich jedoch auf eine Versorgungsrente, nicht auf einen Anspruch aus § 2 BetrAVG.

Es ist nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die Beschwerdeführer als Versicherungsrentenberechtigte gegenüber den Versorgungsrentenberechtigten innerhalb des öffentlichen Dienstes in mit dem Grundgesetz unvereinbarer Weise benachteiligt worden wären. Zwar haben die Beschwerdeführer dargelegt, dass sie Nachteile erleiden. Dies ergibt sich für den Beschwerdeführer zu 1) aus der Mitteilung der Versorgungsanstalt aus dem Jahr 1993, in der seine voraussichtliche Versorgungsrente mit einem fiktiven Austritt ein Jahr vor dem tatsächlichen Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst berechnet worden ist. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Versorgungsrentenanspruch bei Berücksichtigung des späteren Austritts höher wäre als der Anspruch auf Versicherungsrente. Auch der Beschwerdeführer zu 2) hat eine Mitteilung der Versorgungsanstalt aus dem Jahr 1999 vorgelegt, in der eine höhere Versorgungsrente als die dann gezahlte Versicherungsrente beziffert war. Doch fehlt substantiierter Vortrag dazu, inwieweit darin Grundrechtsverletzungen liegen können. Die Beschwerdeführer setzen sich insbesondere nicht mit der Frage auseinander, ob die Betriebstreue bis zum Renteneintritt höhere Renten rechtfertigen kann23.

Die Einwände gegen einzelne Faktoren des Berechnungsverfahrens für die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft nach § 18 BetrAVG genügen den Anforderungen an die Substantiierung einer Rüge wegen Verstoßes gegen die Verfassung nicht. Es ist insoweit schon nicht ersichtlich, inwiefern die angegriffenen Entscheidungen der Zivilgerichte auf einer Verkennung von Grundrechten beruhen könnten. Im Ergebnis ist ein Nachteil hiermit nicht dargelegt. Bei der Berechnung der Zusatzrenten greifen mehrere Faktoren ineinander, die nur zusammen wirksam werden24. Nachteile, die auf einen Faktor zurückgehen, können durch Vorteile aus einem anderen Faktor ausgeglichen werden. Folglich kann ein einziger Faktor nicht losgelöst von anderen bewertet werden; aus verfassungsrechtlicher Sicht bedarf es einer Gesamtschau.

Die Beschwerdeführer legen nicht substantiiert dar, inwieweit sie konkret dadurch benachteiligt würden, dass nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe f BetrAVG die – zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens nur fiktive – Grundversorgung zwingend nach dem Näherungsverfahren pauschaliert berechnet wird, während Beschäftigte in der privaten Wirtschaft nach § 2 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG verlangen können, dass ihre Sozialversicherungsrente auf Grundlage der individuell erreichten Entgeltpunkte hochgerechnet wird. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass sich das Näherungsverfahren nachteilig auswirkt, wenn Versicherte einen Erwerbsverlauf haben, der untypisch ist und von den pauschalierenden Berechnungsgrundlagen abweicht, die dem Näherungsverfahren zugrunde liegen. So geht das Näherungsverfahren von einer Versicherungszeit von 45 Jahren aus, die etwa aufgrund von langen Ausbildungszeiten wie beim Beschwerdeführer zu 2)) nicht erreichbar sein können. Dann kann sich nach dem Näherungsverfahren in Einzelfällen eine bis zu mehr als doppelt so hohe Grundversorgung ergeben25. Dies war auch Anlass für den Bundesgerichtshof, den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes aufzugeben, die Auswirkungen des Näherungsverfahrens vor einer Neuregelung zu den Startgutschriften zu überprüfen26. Allerdings sind solche Nachteile vorliegend nicht dargetan. Vielmehr gibt es Hinweise darauf, dass das Näherungsverfahren im Durchschnitt eher von zu niedrigen Renten ausgeht27. Nach den Berechnungen der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anlässlich ihrer Verhandlungen über eine Neuregelung der Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte wirkt sich das Näherungsverfahren in über 92 % der Fälle für die Versicherten positiv aus28. In der erforderlichen Gesamtschau zeigt sich zudem, dass Versicherte mit unvollständigen Erwerbsbiographien von dem Berechnungsfaktor des Höchstversorgungssatzes profitieren. Das lassen jedoch beide Beschwerdeführer außer Acht.

Die Verfassungsbeschwerden sind unzureichend substantiiert, da nicht vorgetragen ist, dass sich für die Beschwerdeführer konkret ein Nachteil dadurch ergibt, dass sich die Zusatzrente nach § 18 Abs. 2 BetrAVG mit Hilfe eines unverfallbaren Anteilssatzes berechnet, der sich an einem festen jährlichen Prozentsatz von 2,25 % orientiert. Ein offenkundiger Unterschied gegenüber der Anwartschaftsberechnung in der Privatwirtschaft liegt darin, dass nach § 2 BetrAVG eine individuelle Unverfallbarkeitsquote ermittelt wird, indem die Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs ins Verhältnis gesetzt wird, während nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ein fixer Prozentsatz pro Pflichtversicherungsjahr gilt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dies den Anforderungen des Grundgesetzes in anderen Regelungszusammenhängen nicht genügt29. Doch haben die Beschwerdeführer in Bezug auf ihre Zusatzrentenberechnung nicht aufgezeigt, inwieweit sie selbst durch den Anteilssatz in verfassungswidriger Weise benachteiligt werden. Sie befassen sich nicht damit, dass ein fester Prozentsatz pro Pflichtversicherungsjahr Ungereimtheiten vermeidet, die mit einer Anwendung der Anteilsberechnung nach § 2 BetrAVG im öffentlichen Dienst verbunden wären. Sie setzen sich nicht damit auseinander, dass ein fester Prozentsatz die Anwartschaftsberechnung erleichtert und ihre Transparenz erhöht, obwohl dies angezeigt gewesen wäre30. Ebenso wenig legen sie dar, inwiefern ihnen auch bei unterstellter Verfassungswidrigkeit des jährlichen Prozentsatzes von 2,25 % ein höherer Rentenanspruch zustünde, denn aus dieser Annahme folgt für ihre konkrete Rentenberechnung noch nicht die Anwendbarkeit der Bestandsschutzregelungen, von denen die Beschwerdeführer aber profitieren müssten, um eine höhere Versorgungsrente beanspruchen zu können. Daher genügen die Verfassungsbeschwerden den Darlegungsanforderungen auch diesbezüglich nicht.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Mai 2012 – 1 BvR 1065/03 und 1 BvR 1082/03

  1. vgl. BVerfGE 124, 199, 218 m.w.N.[]
  2. anders noch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22.03.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, S. 3341, 3341 f.[]
  3. vgl. BGHZ 48, 35, 37 ff.; 103, 370, 377 ff.; 142, 103, 105 ff.[]
  4. vgl. BVerfGE 124, 199, 218[]
  5. vgl. BVerfGE 128, 226, 245[]
  6. vgl. BVerfGE 83, 201, 209; 112, 93, 107; 115, 97, 110 f.; stRspr[]
  7. vgl. BVerfGE 97, 350, 370; 105, 17, 30; 115, 97, 111[]
  8. stRspr seit BVerfGE 53, 257, 289 ff.[]
  9. BVerfGE 100, 1, 32; stRspr[]
  10. vgl. BVerfGK 11, 130, 143[][]
  11. so auch BVerfGE 98, 365, 401[]
  12. so auch BVerfGK 11, 130, 143[]
  13. vgl. BVerfGE 111, 333, 353 f.[]
  14. vgl. BVerfGK 10, 186, 194[]
  15. vgl. BVerfGE 80, 257, 263; 83, 216, 228[]
  16. vgl. BVerfGE 48, 271, 280; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl.2005, § 92 Rn. 23, 25[]
  17. vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.03.2008 – 1 BvR 1243/04[]
  18. vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 – 1 BvR 1778/05; Beschluss vom 09.12.2009 – 2 BvR 1957/08; Beschluss vom 23.08.2010 – 1 BvR 1141/10; Beschluss vom 27.01.2011 – 1 BvR 3222/09[]
  19. BVerfGE 98, 365[]
  20. vgl. BVerfGE 98, 365, 398[]
  21. vgl. BVerfGE 98, 365, 400[]
  22. vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, S. 3341; dazu auch BGHZ 174, 127, 145[]
  23. vgl. zu dauerhaften und berechenbaren Beitragsleistungen BVerfGE 122, 151, 176 ff.[]
  24. vgl. BVerfGE 58, 81, 109; 117, 272, 293, zu Anwartschaften im Sozialversicherungsrecht[]
  25. vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.2005 – 12 U 99/04[]
  26. vgl. BGHZ 174, 127, 168 ff.[]
  27. zur Versicherungsmathematik Engbroks/Engbroks, BetrAV 2011, 514, 521[]
  28. vgl. Hebler, ZTR 2011, S. 534, 538; Hügelschäffer, BetrAV 2011, S. 613, 618[]
  29. vgl. zu den Startgutschriften rentenferner Versicherter BGHZ 174, 127, 170 ff., wo allerdings im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung unberücksichtigt blieb, dass sich diese Anteilssätze auf unterschiedliche Berechnungsgrößen beziehen[]
  30. vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.03.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341, 3343[]