Bereitschaftszeiten in einer Rettungsdienstleitstelle

Der Mitarbeiter in der Rettungsdienstleitstelle eines Landkreises schuldet im Grundsatz gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Alt. 2 TVöD-V eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich. Sollten in seine Tätigkeit als Disponent in der Rettungsdienstleitstelle im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten im Sienne des Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 1 TVöD-V gefallen sein, wären diese nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit zu werten.

Bereitschaftszeiten in einer Rettungsdienstleitstelle

Dem stünde nicht entgegen, dass § 9 TVöD-V ausweislich der zu dieser Norm ergangenen Protokollerklärung nicht für Wechselschicht- und Schichtarbeit gilt. Die Tarifvertragsparteien haben die Arbeitszeit der in Leitstellen Beschäftigten mit dem Anhang zu § 9 Teil B TVöD-V unter Bezug auf § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD-V gesondert ausgestaltet. § 9 TVöD-V ist daneben nicht zu berücksichtigen1. Folglich ist die Protokollerklärung zu § 9 TVöD-V nicht anzuwenden (vgl. zu § 9 TV-L BAG 6.09.2018 – 6 AZR 204/17, Rn. 34).

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat im vorliegenden Streitfall in der Vorinstanz2 nicht erkennbar geprüft, ob der Arbeitnehmer unter die Sonderregelungen für den kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst iSd. Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 4 TVöD-V fiel und deshalb für ihn gemäß Anlage D Abschn. D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V beamtenrechtliche Bestimmungen galten. Die Klage wäre dann unbegründet, da § 2 Abs. 1 der Verordnung des Landes Sachsen-Anhalt über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im feuerwehrtechnischen Dienst der Städte und Gemeinden (Arbeitszeitverordnung- Feuerwehr – ArbZVO-FW) vom 05.07.2007 eine wöchentliche Arbeitszeit von im Jahresdurchschnitt 48 Stunden vorsieht und die vom Arbeitnehmer behauptete Differenz zwischen geschuldeter und erbrachter Arbeitszeit daher nicht bestünde. Der Arbeitnehmer gehörte jedoch als Beschäftigter der Rettungsdienstleitstelle nicht zum feuerwehrtechnischen Dienst im tariflichen Sinne, so dass § 2 Abs. 1 ArbZVO-FW nicht eingreift.

Der TVöD-V enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, was unter „feuerwehrtechnischem Dienst“ zu verstehen ist. Vom Zweck einer Feuerwehr her gesehen ist inhaltlich eine Tätigkeit erforderlich, die unmittelbar dem Brandschutz dient. Für eine unmittelbare Brandbekämpfung genügt es – ist aber auch erforderlich, wenn Beschäftigte bei der Bekämpfung von Bränden oder zur Beseitigung sonstiger Notstände Hilfsdienste leisten und damit die eigentliche Brandbekämpfung oder Hilfsleistung erst ermöglichen oder zumindest unterstützen. Ein Beschäftigter ist im feuerwehrtechnischen Dienst iSd. Anlage D Abschn. D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V nur tätig, wenn er die eigentliche Brandbekämpfung oder Hilfsleistung zumindest unterstützt. Ein nichttechnischer Dienst unterfällt jedoch nicht dem Begriff des feuerwehrtechnischen Dienstes3.

Bei Beschäftigten in einer Leitstelle ist zu differenzieren.

Bei einer Beschäftigung in einer Leitstelle im Organisationsbereich einer Feuerwehr besteht eine Zugehörigkeit zum feuerwehrtechnischen Dienst4. Dies gilt auch, wenn die Einsatzleitzentrale einer städtischen Berufsfeuerwehr auch Notrufe bezüglich des medizinischen Rettungsdienstes entgegennimmt5.

Von solchen Feuerwehrleitstellen sind integrierte Leitstellen zu unterscheiden, welche eine umfassende Zuständigkeit für Notfälle aller Art aufweisen und nicht von einer Feuerwehr betrieben werden. Die in einer solchen integrierten Leitstelle Beschäftigten gehören regelmäßig nicht zum feuerwehrtechnischen Dienst.

Der Wortlaut des Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 4 TVöD-V zwingt jedoch nicht zu diesem Verständnis, da er nur den Oberbegriff „Leitstelle“ verwendet und lediglich klarstellt, dass Beschäftigte in Leitstellen dem feuerwehrtechnischen Dienst zurechenbar sein können („… auch soweit sie in Leitstellen tätig sind“).

Ob die in einer integrierten Leitstelle Beschäftigten dem Arbeitszeitregime des TVöD oder dem der beamtenrechtlichen Bestimmungen unterfallen, bestimmt sich damit nach den allgemeinen Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum feuerwehrtechnischen Dienst. Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen ist der feuerwehrtechnische Dienst von bloßen Unterstützungstätigkeiten wie Verwaltung oder Telefondienst abzugrenzen. Die Zugehörigkeit zum feuerwehrtechnischen Dienst setzt nach der Zielsetzung des Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 4 TVöD-V einen hinreichenden Bezug der Tätigkeit zur Feuerwehrorganisation voraus. Dies bezieht sich nicht auf nur eingruppierungsrechtlich relevante Arbeitsvorgänge in der Tätigkeit des Beschäftigten6, sondern auf die Aufgabenstellung und Organisation der integrierten Leitstelle, in welcher der Beschäftigte eingesetzt wird. Eine arbeitszeitrechtliche Gleichstellung mit den Beamten im Feuerwehrdienst, wie sie der Anhang zu § 9 Teil B Abs. 4 iVm. Anlage D Abschn. D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TVöD-V als Rechtsfolge anordnet, ist nach dem Zweck dieser Regelung nur dann erforderlich, wenn ein enger Bezug zur Organisation einer Feuerwehr vorliegt, denn letztlich sollen die im Feuerwehrdienst Beschäftigten – Arbeitnehmer und Beamte – angesichts vergleichbarer Tätigkeit im selben Organisationsgefüge demselben Arbeitszeitregime unterfallen. Für diese arbeitszeitrechtliche Gleichstellung besteht kein Bedarf, wenn die integrierte Leitstelle als eigenständige organisatorische Einheit keinen Bezug zur Feuerwehrorganisation aufweist und nur bei Bedarf mit dieser zum Zweck der Brandbekämpfung oder Gefahrenabwehr verbunden wird.

Dieses Tarifverständnis vorausgesetzt, begründet die Tätigkeit in einer integrierten Leitstelle regelmäßig keine Zugehörigkeit zum feuerwehrtechnischen Dienst. Eine solche Leitstelle ist keine Einrichtung der Feuerwehr, sondern eigenständig organisiert und nur einsatzbezogen mit der Feuerwehrorganisation verbunden. Eine solche Zusammenarbeit ist vergleichbar einer externen Unterstützung der Feuerwehr durch sonstige Dienste, die keine Angleichung des Arbeitszeitregimes der dort Beschäftigten mit den Beamten der Feuerwehr rechtfertigt. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 22.03.19907 eine andere Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht fest.

Der Arbeitnehmer gehörte demnach nicht zum feuerwehrtechnischen Dienst. Er war nicht in einer Leitstelle der Feuerwehr, sondern in einer integrierten Leitstelle beschäftigt, die außerhalb des Organisationsbereichs der Feuerwehr als koordinierende Einsatzzentrale für den Rettungsdienst Aufgaben sowohl im Zuständigkeitsbereich der Feuerwehr als auch anderer Rettungsdienste zu bewerkstelligen hat (vgl. § 9 Abs. 1 RettDG LSA vom 18.12 2012). Dies ergibt sich aus dem Aufgabenkatalog in § 1 Nr. 2 der Zweckvereinbarung vom 27.08.2012 und steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt2 hat im vorliegenden Fall einen Anfall von Bereitschaftszeiten nach dem Anhang zu § 9 Teil B Abs. 1 und Abs. 2 TVöD-V zu Recht als vom beklagten Landkreis nicht hinreichend dargelegt angesehen. Es hat jedoch nicht geprüft, ob etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-V verfallen wären. Zudem hat es die fehlende Schlüssigkeit der Höhe der Klageforderung nicht erkannt.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines hinreichenden Anfalls von Bereitschaftszeiten in der Rettungsdienstleitstelle bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorliegen. Der Arbeitnehmer kann daher dem Grunde nach für die nicht ausgeglichene Differenz zwischen den nach dem Schichtplan geleisteten 48 Wochenstunden und der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden Überstundenvergütung verlangen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Arbeitnehmer bei einer Arbeitsverpflichtung von 40 Stunden wöchentlich bezogen auf die Jahre 2014 bis einschließlich 2016 insgesamt 1.117, 1 Überstunden geleistet hätte. Die Differenz zwischen einer Wochenarbeitsleistung von 40 und 48 Stunden wäre als geplante Überstundenleistung nicht in dem nach § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-V maßgeblichen Schichtplanturnus ausgeglichen worden8.

Ein solcher Ausgleich wäre jedoch jedenfalls in der streitgegenständlichen Höhe nicht veranlasst gewesen, falls in der Dienststelle des Arbeitnehmers Bereitschaftszeiten iSd. Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 1 TVöD-V angefallen wären, denn diese wären nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit zu werten gewesen. Der Landkreis hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass in der von ihm betriebenen Rettungsdienstleitstelle in den Jahren 2014 bis 2016 regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang solche Bereitschaftszeiten anfielen.

§ 9 Abs. 1 Satz 1 TVöD-V setzt ua. voraus, dass bei Bereitschaftszeiten die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Diese Voraussetzung ist ebenso nach dem hier einschlägigen Anhang zu § 9 Teil B TVöD-V zu erfüllen (dort Abs. 1 Satz 4). Zudem müssen Bereitschaftszeiten regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang anfallen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V bzw. Anhang zu § 9 Teil B Abs. 1 Satz 1 TVöD-V). Nur dann werden sie nach dem Anhang zu § 9 Teil B Abs. 1 Satz 5 TVöD-V zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Die Annahme der Revision, die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass bei Leitstellen ebenso wie beim Hausmeister- und Rettungsdienst erfahrungsgemäß regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten anfallen, trägt nicht. Zwar mag eine solche Annahme bei Hausmeistern zutreffen9. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch entgegen der Annahme der Revision für die im Anhang zu § 9 TVöD-V genannten Berufsgruppen kein „berufstypisches“ Regel-Ausnahme-Verhältnis konstituiert, sondern ausdrücklich die Voraussetzung der Regelmäßigkeit und des nicht unerheblichen Umfangs der Bereitschaftszeit festgelegt und damit eine Prüfung der konkreten Tätigkeit in der jeweiligen Leitstelle vorgegeben.

Gegenteiliges folgt entgegen der Revision auch nicht aus der „Natur von Leitstellen“. Die Erfüllung der Leitstellenaufgaben setzt zwar voraus, dass die Mitarbeiter grundsätzlich genügend Zeit haben, einen Notruf entgegenzunehmen. Das impliziert aber nicht, dass Bereitschaftszeit im Sinne einer überwiegenden Zeit ohne Arbeitsleistung der Beschäftigten vorliegt. Das ist vielmehr eine Frage der Personalausstattung. Bei einer unzureichend besetzten Leitstelle kann es wegen der fehlenden Vorhersehbarkeit der Notrufe auch bei Planung von Bereitschaftszeit zu entsprechenden Engpässen bei der Bearbeitung kommen. Umgekehrt ist bei ausreichender Personalausstattung das Vorhalten von Bereitschaftszeiten iSd. Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 1 TVöD-V nicht zwingend erforderlich.

Ein regelmäßiger Anfall von Bereitschaftszeiten ist im tariflichen Sinne nur dann anzunehmen, wenn diese nicht nur gelegentlich, sondern in ständiger Wiederkehr und vorhersehbar, dh. immer wieder zu leisten sind. Bereitschaftszeiten fallen „in nicht unerheblichem Umfang“ an, wenn die Zeitanteile der Bereitschaftszeit bezogen auf die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 TVöD-V einen deutlichen Ausprägungsgrad erreichen. Grundsätzlich schuldet der Beschäftigte nur die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 TVöD-V. Nur im Ausnahmefall des Anhangs zu § 9 Teil B Abs. 1 TVöD-V verlängert sich für die Beschäftigten in einer Leitstelle die für das tarifliche Entgelt geschuldete Anwesenheitszeit10. Nach diesem Regelungskonzept ist ausgehend von der „Normalarbeitszeit“ des § 6 Abs. 1 TVöD-V zu bestimmen, ob Bereitschaftszeiten in einem nicht unerheblichem Umfang anfallen, der eine Faktorisierung nach dem Anhang zu § 9 Teil B Abs. 1 Satz 5 TVöD-V rechtfertigt. Von einem „nicht unerheblichen“ Anteil ist auszugehen, wenn der Anteil der Bereitschaftszeiten an der regelmäßigen Arbeitszeit etwa 25 % beträgt11.

Wendet der Arbeitgeber das Vorliegen von Bereitschaftszeiten ein, hat er – entgegen der Auffassung der Revision, zu den tariflichen Voraussetzungen im Einzelnen vorzutragen. Dabei kann er auf Erfahrungswerte abstellen, die er beispielsweise durch Arbeitsaufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum gewonnen hat. Sofern solche nicht vorliegen, ist von ihm eine Prognose zur Schätzung des Anfalls von Bereitschaftszeiten für den jeweiligen Arbeitsbereich abzugeben. Der Zeitrahmen, aus dem der Arbeitgeber seine Erfahrungswerte herleitet bzw. auf den sich seine Prognose bezieht, muss der Lage und Länge nach so beschaffen sein, dass er die betrieblichen Gegebenheiten repräsentativ abbildet und etwa anfallende Intensitätsschwankungen hinsichtlich der Arbeitsbelastung ausgeglichen werden können. Bei Wechselschicht- oder Schichtarbeit muss er wenigstens den jeweiligen Schichtplanturnus iSd. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-V abbilden12.

Der beklagte Landkreis hat keinen solchen Sachvortrag erbracht. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Hinsichtlich des Arbeitsanfalls in der Rettungsdienstleitstelle hat der Landkreis sich auf eine Auswertung der Telefonverbindungen beschränkt, welche für sich genommen keine Bereitschaftszeit erkennen lassen. Dies gilt auch bezogen auf seine erstinstanzlichen Schriftsätze vom 22.01.2015 und 27.05.2015, deren Nichtbeachtung die Revision zu Recht rügt, weil das Landesarbeitsgericht ihren Inhalt nicht erwähnt und bezüglich des Vortrags des Landkreises zur Frage der Bereitschaftszeit nur auf dessen zweitinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt. Dies führt aber nicht zur Begründetheit der Revision.

Auch bei Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vortrags des Landkreises bezieht sich sein Vorbringen bezüglich der Telefonverbindungen nicht auf den nach den Dienstvereinbarungen jedenfalls bis November 2016 praktizierten einjährigen Schichtplanturnus, sondern auf zwei kürzere Zeiträume (April bis Juni 2014 und März bis Dezember 2016). Zudem hat der Landkreis seiner Berechnung die pauschale Annahme zu Grunde gelegt, es würden durchschnittlich drei Stunden anderweitige Tätigkeit pro Schicht anfallen. Der Ansatz von drei Stunden wird nicht begründet und ist deshalb nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die Ergebnisse hinsichtlich der beiden Zeiträume stark unterscheiden. So kam der Landkreis bezogen auf die Zeit von April bis Juni 2014 zu einer Bereitschaftszeit in der Tagschicht von 44, 2 %, in der Nachtschicht von 57, 6 %. Für die Zeit März bis Dezember 2016 ergaben sich Werte von 66, 1 % bzw. 70, 4 %.

Der beklagte Landkreis ist ferner weder in der ersten noch in der zweiten Instanz dem Vortrag des Arbeitnehmers substantiiert entgegengetreten, wonach das Abstellen auf die ein- und ausgehenden Anrufe ohnehin keine Aussagekraft habe, weil die erforderliche Kommunikation mit den beteiligten Stellen auch über Funkverbindungen, Direktleitungen, E-Mail oder Telefax geführt werde. Zudem hat er den nachvollziehbaren Vortrag des Arbeitnehmers nicht entkräftet, wonach Abstimmungen mit den Kollegen durchzuführen und Dokumentationen sowie weitere Einträge in das Computersystem vorzunehmen seien. Der Landkreis hat auch die behauptete Besetzung mit konstant drei Disponenten, welche der Arbeitnehmer in Abrede stellt, nicht belegt.

Die Revision ist dennoch begründet. Sie rügt zu Recht die unterlassene Prüfung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD-V.

Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Leistungsklage kann die tarifliche Ausschlussfrist in zeitlicher Hinsicht nicht wahren. Die geltend gemachten Ansprüche betreffen den Zeitraum von Januar 2014 bis einschließlich Dezember 2016. Ein etwaiger Überstundenvergütungsanspruch wäre wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12 2016 im Jahr 2017 nicht mehr auszugleichen gewesen und daher gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 iVm. Satz 2 TVöD-V als ein nicht in Monatsbeträgen festgelegter Entgeltbestandteil auch dann spätestens am 28.02.2017 zur Zahlung fällig gewesen, wenn es für die Fälligkeit des Entgeltanspruchs auf den einjährigen Ausgleichszeitraum in § 3 Ziff. 5 der Dienstvereinbarung vom 20.11.2013 nicht ankäme. Die Leistungsklage vom 19.10.2017, zugestellt am 26.10.2017, konnte die jedenfalls mit dem 28.08.2017 abgelaufene Ausschlussfrist folglich nicht wahren.

Mit den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Feststellungsanträgen hat der Arbeitnehmer die nunmehr erhobenen Zahlungsansprüche nicht hinreichend geltend gemacht.

Für eine ordnungsgemäße Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 TVöD-V ist erforderlich, dass der Anspruchsgegner zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufgefordert wird. Der Anspruchsteller muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung ist und auf der Erfüllung dieser Forderung besteht. Eine Geltendmachung erfordert jedoch keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, die der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt. Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist jedoch nicht erforderlich. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend erforderlich13.

Die ursprünglich gestellten Feststellungsanträge bringen zwar zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer davon ausging, zu einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 statt 48 Wochenstunden verpflichtet zu sein. Der Wille, etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung zu erheben und durchzusetzen, ist den Feststellungsanträgen jedoch nicht zu entnehmen. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des absehbaren Eintritts des Arbeitnehmers in den Ruhestand. Es wäre Sache des Arbeitnehmers gewesen, eine Anpassung seiner Anträge oder eine außergerichtliche Geltendmachung rechtzeitig vorzunehmen.

Es kann daher offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Erhebung einer unzulässigen Feststellungsklage eine ordnungsgemäße Geltendmachung iSd. § 37 Abs. 1 TVöD-V darstellt14.

Die Ausschlussfrist könnte jedoch bereits durch das erstinstanzlich vorgelegte Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers vom 28.05.2014 gewahrt worden sein. Der Arbeitnehmer verweist in seiner Revisionserwiderung auf seinen diesbezüglichen Vortrag im Schriftsatz vom 26.02.2018. Das Landesarbeitsgericht wird dieses Geltendmachungsschreiben und den hierauf bezogenen Vortrag der Parteien zu würdigen haben. Dem Bundesarbeitsgericht ist eine eigene Beurteilung des Schreibens als nichttypischer Erklärung verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht den Parteivortrag der ersten Instanz nicht in Bezug genommen hat und weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien hierzu nicht ausgeschlossen ist15.

Sollte das Landesarbeitsgericht zum Ergebnis kommen, dass dem Arbeitnehmer für den streitgegenständlichen Zeitraum eine nicht verfallene Überstundenvergütung zusteht, wird es den Arbeitnehmer darauf hinweisen müssen, dass die Höhe seiner Klageforderung derzeit nicht schlüssig begründet ist. Die Berechnung geht zwar im Ansatz nachvollziehbar von einem Tabellenentgelt in Höhe von 2.919, 91 Euro brutto für Dezember 2016 aus. Dies entspricht Entgeltgruppe 6 Stufe 6 der ab 1.03.2016 als Anlage A zum TVöD-V geltenden Tabelle. Vorher waren die Tabellenwerte jedoch niedriger. Der Arbeitnehmer müsste daher bezogen auf das jeweilige Ende eines Schichtplanturnus seine Überstunden angeben und das hierfür geforderte Entgelt anhand des dann jeweils geltenden Tabellenwerts errechnen16. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass Überstunden höchstens mit dem Tabellenentgelt der Stufe 4 der jeweiligen Entgeltgruppe zu vergüten sind (§ 8 Abs.01.1 Satz 2 TVöD-V).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 AZR 16/19

  1. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand April 2019 E § 9 Rn. 29[]
  2. LAG Sachsen-Anhalt 19.10.2018 – 5 Sa 9/16[][]
  3. BAG 6.09.2018 – 6 AZR 204/17, Rn. 25[]
  4. vgl. BAG 19.02.2014 – 10 AZR 293/13, Rn. 7, 15; 22.07.1998 – 4 AZR 662/97, zu II 3 a der Gründe, BAGE 89, 246[]
  5. vgl. BAG 6.08.1997 – 10 AZR 167/97[]
  6. aA Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand August 2016 Teil B 4.1 TVöD-V Anlage D Kommunaler feuerwehrt. Dienst Rn. 4[]
  7. BAG 22.03.1990 – 6 AZR 411/88[]
  8. vgl. hierzu BAG 23.03.2017 – 6 AZR 161/16, Rn.20 ff., BAGE 158, 360; 25.04.2013 – 6 AZR 800/11, Rn. 18 ff.[]
  9. vgl. BAG 17.12 2009 – 6 AZR 729/08, Rn. 32, BAGE 133, 14[]
  10. vgl. BAG 17.12 2009 – 6 AZR 729/08, Rn. 21, BAGE 133, 14[]
  11. so zu § 9 Abs. 1 TV-L BAG 6.09.2018 – 6 AZR 204/17, Rn. 37[]
  12. vgl. BAG 6.09.2018 – 6 AZR 204/17, Rn. 40[]
  13. BAG 11.04.2019 – 6 AZR 104/18, Rn. 32 f. mwN[]
  14. vgl. zur fehlenden Wahrung einer zweistufigen tariflichen Ausschlussfrist BAG 11.07.1990 – 5 AZR 609/89, BAGE 65, 264; 29.06.1989 – 6 AZR 459/88, BAGE 62, 217[]
  15. vgl. BAG 11.04.2019 – 6 AZR 104/18, Rn. 29[]
  16. vgl. BAG 6.09.2018 – 6 AZR 204/17, Rn. 32; zur Zulässigkeit eines jahresbezogenen Schichtplanturnus vgl. BAG 11.04.2019 – 6 AZR 249/18, Rn. 17[]