Bei der Verurteilung zur Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses handelt es sich regelmäßig um eine Holschuld.

Erklärt der Vollstreckungsschuldner auf einen Zwangsgeldantrag des Gläubigers (Arbeitnehmers), das von ihm aufgrund einer arbeitsgerichtlichen Verurteilung zu erteilende Arbeitszeugnis liege bei ihm zur Abholung bereit, macht er regelmäßig den Einwand der Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) der ausgeurteilten Verpflichtung geltend.
- Erklärt der Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungsantrag für erledigt und stimmt der Schuldner der Erledigung nicht zu, ist (auch) im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens festzustellen, ob der Antrag erledigt ist. Insoweit gelten die Grundsätze für die Behandlung der einseitigen Erledigungserklärung im Erkenntnisverfahren entsprechend.
- Erklärt der Vollstreckungsgläubiger seinen Antrag nach der Erklärung des Schuldners, das Zeugnis liege zur Abholung bereit, nicht für erledigt, ist der Vollstreckungsantrag als unbegründet abzuweisen.
So war im hier vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall hinsichtlich des Antrags des Arbeitnehmers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes die Erledigung festzustellen:
Prüfungsgegenstand ist insoweit die Frage, ob der Zwangsgeldantrag der Arbeitnehmerin ursprünglich zulässig und begründet war und ob er sich durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis erledigt hat. Hat ein Schuldner im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht zugestimmt, handelt es sich um eine einseitige Erledigungserklärung. Im Rahmen des Klageverfahrens ist anerkannt, dass bei einer einseitigen Erledigungserklärung an die Stelle des ursprünglichen Klageantrags regelmäßig ein Sachantrag tritt, gerichtet auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, das heißt, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Auch im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO ist eine einseitige Erledigungserklärung in diesem Sinne möglich1.
Der Zwangsgeldantrag der Arbeitnehmerin war zulässig, insbesondere statthaft nach § 888 Abs. 1 ZPO. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen nicht.
Der Zwangsgeldantrag der Arbeitnehmerin war auch ursprünglich begründet.
Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen lagen vor. Bei dem arbeitsgerichtlichen Urteil vom 24.09.2019 handelt es sich um einen Titel im Sinne des § 704 ZPO. Die gemäß § 724 Abs. 1 erforderliche vollstreckbare Ausfertigung ist der Arbeitnehmerin am 06.04.2020 erteilt worden. Diese hat die Arbeitnehmerin bei der Vollstreckung vorgelegt. Das arbeitsgerichtliche Urteil ist dem Arbeitgeber auch wirksam zugestellt worden.
Der Zwangsgeldantrag der Arbeitnehmerin war auch ursprünglich begründet. Der Arbeitgeber hat seine Verpflichtung aus dem Titel vor Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nicht erfüllt.
Insoweit kommt es weder darauf an, ob der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Zeugnisinhalt „falsch“ gewesen ist, noch ob dem Arbeitgeber gegen die Erteilung des Zeugnisses ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden hat. Beide Einwände richten sich gegen die materiellrechtliche Richtigkeit des Urteils und sind im Zwangsvollstreckungsverfahren unbeachtlich2. Gleiches gilt auch für den im Beschwerdeverfahren ergänzend vorgebrachten Einwand, die Arbeitnehmerin könne wegen Zeitablaufs inhaltliche Einwendungen des ihr ursprünglich erteilten Zeugnisses nicht mehr geltend machen. Auch hierbei handelt es sich um eine materiellrechtliche Einwendung gegen den Titel, die im Zwangsvollstreckungsverfahren unbeachtlich ist.
Der Zwangsgeldantrag der Arbeitnehmerin ist auch erledigt. Allerdings ist die Erledigung nicht erst mit der Übersendung des Zeugnisses durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmerin eingetreten, sondern bereits mit der Erstellung des Zeugnisses durch den Arbeitgeber und der Mitteilung an die Arbeitnehmerin, sie könne es in seinem Büro abholen.
Grundsätzlich sind Arbeitspapiere, zu ihnen zählt auch das Arbeitszeugnis; vom Arbeitnehmer abzuholen. Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmen, so hat die Leistung am Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen (§ 269 Abs. 1 BGB); an die Stelle des Wohnsitzes tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hat, der Gewerbebetrieb des Schuldners, wenn die Verbindlichkeit in seinem Gewerbebetrieb entstanden ist (§ 269 Abs. 2 BGB). Nach einhelliger Ansicht in der Literatur hat ein Arbeitnehmer ein von ihm begehrtes Arbeitszeugnis bei seinem Arbeitgeber grundsätzlich abzuholen. Allerdings wird insoweit die Ansicht vertreten, aus Gründen der nachwirkenden Fürsorge könne aus der Holschuld eine Schickschuld werden, zum Beispiel dann, wenn die Abholung der Arbeitspapiere für den Arbeitnehmer mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder besonderen Mühen verbunden sei3. Nach Verurteilung zur Zeugniserteilung ist der Schuldner regelmäßig gehalten, den Arbeitnehmer und Gläubiger des Zeugnisanspruchs darauf hinzuweisen, dass das Zeugnis für ihn erstellt sei und zur Abholung bereitliege. Der Gläubiger ist nicht gehalten, persönlich „auf gut Glück“ beim Schuldner vorstellig zu werden, ohne zu wissen, dass das Zeugnis bereits fertiggestellt ist4.
Aus dem Titel des Arbeitsgerichts ergibt sich im vorliegenden Fall nichts Anderes, insbesondere nicht, dass das Arbeitsgericht von einer „Bringschuld“ ausgegangen ist. Das Arbeitsgericht hat entsprechend dem Antrag der Arbeitnehmerin den Arbeitgeber zur „Erteilung“ eines Zeugnisses verurteilt und damit den Begriff aus § 109 Abs. 3 GewO aufgegriffen, der ebenfalls von einer Zeugniserteilung spricht. Damit hat das Arbeitsgericht nur die übliche Formulierung für die Begründung einer Holschuld gewählt. Für eine anderweitige Auslegung des Tenors ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts nichts.
Damit war das Zwangsvollstreckungsverfahren erledigt, nachdem der Arbeitgeber erklärt hat, das Zeugnis liege abholbereit bei ihm in seinem Büro. Dies hat der Arbeitgeber ausdrücklich schriftsätzlich mitgeteilt. Damit hat er das von ihm zur Erfüllung des Titels Geschuldete getan. Damit war das Zwangsvollstreckungsverfahren in der Sache erledigt. Umstände, nach denen die Abholung des Zeugnisses für die Arbeitnehmerin mit besonders großen Mühen oder unverhältnismäßigen Kosten verbunden gewesen wäre, sind von dieser nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens trägt gemäß § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO der Arbeitgeber. Dass die Arbeitnehmerin ihre Erledigungserklärung „verspätet“ abgegeben hat, nämlich erst nach Zugang des Arbeitszeugnisses per Post, wirkt sich kostenmäßig nicht aus. Dies hätte allenfalls eine Rolle spielen können, wenn der Arbeitgeber nach der Mitteilung, dass er seiner Verpflichtung zur Zeugniserteilung nachgekommen sei und das Zeugnis zur Abholung bereitliege, seinerseits eine Erledigungserklärung abgegeben hätte. In diesem Falle hätte das Arbeitsgericht nicht mehr zum Nachteil des Arbeitgebers über den Zwangsgeldantrag entscheiden dürfen. Eine Beschwerde des Arbeitgebers wäre dann begründet gewesen mit der Folge einer anderweitigen Entscheidung auch hinsichtlich der Kosten.
Landesarbeitsgericht Schleswig -Holstein, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 1 Ta 118/20
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.2010 – 3 W 22/10; Zöller, Kommentar, 33. Auflage, § 91 a, Rn. 58[↩]
- für alle: Zöller, a.a.O., Vor § 704, Rn. 14[↩]
- BAG, Urteil vom 08.03.1995 – 5 AZR 848/93[↩]
- LAG Hessen, Beschluss vom 19.06.2017 – 10 Ta 172/17[↩]
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