Einer Verweisungsklausel auf gewisse Tarifverträge im Arbeitsvertrag kann ohne besondere Anhaltspunkte im Wortlaut keine Statusbestimmung als Gewerkschaftsmitglied für den Arbeitnehmer unterstellt werden. Gleiches gilt auch für eine Gleichstellungsabrede1. Eine sogenannte einfache Differenzierungsklausel zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtmitgliedern hinsichtlich der Höhe der Jahressonderzahlung kann sich als zulässig erweisen.

Eine einfache Differenzierungsklausel ist dadurch charakterisiert, dass sie in einer anspruchsbegründenden einzelnen Tarifregelung „im Inneren des Tarifvertrages“ die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft ausdrücklich zu einer anspruchsbegründenden Voraussetzung macht2. Weitere Formen von Differenzierungsklauseln sind die Tarifausschlussklausel, die Spangenklausel sowie die Abstandklausel. Bei diesen Klauseln besteht der Unterschied im Verhältnis zur einfachen Differenzierungsklausel darin, dass sie jeweils regulierend auf die Vereinbarungen oder die Vertragspraxis des tarifgebundenen Arbeitgebers mit nichtorganisierten Arbeitnehmern im Verhältnis zu den Ansprüchen der Gewerkschaftsmitglieder Einfluss nehmen wollen. Um solche Klauseln handelt es sich im konkreten Einzelfall beim § 20 TV-UMN nicht. Der TV-UMN legt in seinem § 20 schlicht nur fest, dass unmittelbar aus den Regelungen des Tarifvertrages heraus Gewerkschaftsmitglieder eine doppelt so hohe Jahressonderzahlung erhalten wie Nichtgewerkschaftsmitglieder. Eine Außenwirkung dieser tariflichen Regelung auf die Vertragspraxis des Arbeitgebers besteht nicht. Dieser ist nach der tariflichen Regelung frei, mit Arbeitnehmern, die Nichtgewerkschaftsmitglieder sind, andere und günstigere Regelungen zur Jahressonderzahlung zu vereinbaren.
aßstab für die Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln ist die sogenannte negative Koalitionsfreiheit, insbesondere der Außenseiter. Diese umfasst insbesondere das Recht des Einzelnen, sich nicht zu Koalitionen zusammenzuschließen, bestehenden Koalitionen fern zu bleiben und bei bereits erfolgtem Eintritt wieder austreten zu dürfen. Das Recht, einer Koalition fernzubleiben, wird im Kern nicht in Frage gestellt. Andererseits ist es aber auch unbestritten, dass die Mitgliedschaft in einer Koalition nicht folgenlos bleibt und dass von den rechtlichen Folgen der koalitionsmäßigen Organisierung eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers für Außenseiter auch ein gewisser Anreiz ausgehen kann, selbst Mitglied der Koalition zu werden. Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz schützt den Nicht-Organisierten lediglich vor einem Zwang oder Druck, einer Koalition beizutreten. Ein bloßer Anreiz, der Koalition beizutreten, erfüllt diese Voraussetzung nicht3. Eine allgemein akzeptierte, abstrakte Grenze zwischen dem, was noch zulässiger Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ist, und dem, was als unzulässiger Druck oder gar Zwang anzusehen ist, ist nicht zu erkennen. Gleichzeitig hält eine zulässige Differenzierung dem Diskriminierungsverbot und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stand4.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG5, geht das Gericht davon aus, dass eine einfache Differenzierungsklausel bereits strukturell keinen unzulässigen unmittelbaren Druck auf Außenseiter ausüben kann und deshalb keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken begegnet. Vorliegend handelt es sich um eine einfache Differenzierungsklausel. Es werden nur Ansprüche innerhalb des Tarifvertrages geregelt. Auf die Vertragsfreiheit außerhalb des Tarifvertrages wird nicht Einfluss genommen. Irrelevant ist es auch, wenn der Arbeitnehmer meint, hier würden Gewerkschaftsmitglieder nicht ein Mehr, sondern Nichtgewerkschaftsmitglieder vielmehr ein Weniger erhalten. Dies ist vorliegend nur eine Formulierungsfrage. Es macht keinen Unterschied, ob zunächst für Gewerkschaftsmitglieder eine gewisse Höhe der Jahressonderzahlung festgelegt wird und sodann im Inneren des Tarifvertrages für Nichtgewerkschaftsmitglieder die Jahressonderzahlung auf 50 Prozent hiervon festgelegt wird oder aber ob andersherum zunächst für Nichtgewerkschaftsmitglieder ein gewisser Betrag festgelegt wird und dieser sodann für Gewerkschaftsmitglieder verdoppelt wird.
Im Ergebnis beeinträchtigt die hier vorliegende einfache Differenzierungsklausel die Freiheit der Außenstehenden nicht mehr, als ohnehin jede tarifrechtliche Norm ohne Differenzierung. Auch andere für den Arbeitnehmer im Verhältnis zum Gesetz günstige tarifliche Normen enthalten einen gewissen Anreiz, einer Gewerkschaft beizutreten, wenn der Arbeitnehmer es nicht vermag, dieselbe Rechtsfolge auch individual-vertraglich zu erreichen.
Auch die konkrete Regelung der Jahressonderzahlung im vorliegenden Fall des § 20 TV-UMN ist weder der Art noch der absoluten Höhe nach geeignet, einen unverhältnismäßigen, einem Zwang nahe kommenden Druck auszuüben, von der Entscheidung, keiner Gewerkschaft angehören zu wollen, Abstand zu nehmen. Ebenso wie im Fall des dem Urteil des BAG vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, zu Grunde liegenden Fall, handelt es sich hier um nur eine einmalig jährlich zu zahlende und damit außerhalb des laufenden Austauschverhältnisses liegende Leistung.
Auch ist zu beachten, dass die Differenz zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern nur bei 35, 75 Prozent der Bemessungsgrundlage (im Kern einer Monatsvergütung) liegt. Die Differenz erreicht damit nicht ganz drei Jahresmitgliedbeiträge bei v. Im konkreten Fall des Arbeitnehmers hat das Gericht aus den vorliegenden Daten (Rückrechnung der Jahressonderzahlung auf die Bemessungsgrundlage) ermittelt, dass der Eintritt bei v. für den Arbeitnehmer durch die erhöhte Jahressonderzahlung eine Steigerung des Jahreseinkommens von 2,9 Prozent bedeuten könnte. Dabei ist das Gericht nur von der Monatsvergütung im Bemessungszeitraum und von der Jahressonderzahlung im November ausgegangen. Sollte der Arbeitnehmer weitere Entgeltbestandteile erhalten, würde die Jahressteigerung prozentual noch niedriger ausfallen. Um diese Steigerung von 2,9 Prozent (911 €) zu erhalten, müsste der Arbeitnehmer jedoch etwa 315 € Mitgliedsbeiträge für verdi aufwenden. Dies entspricht einem Prozent seines Jahreseinkommens. Damit könnte der Arbeitnehmer mit einem Gewerkschaftseintritt tatsächlich nur noch eine Bruttosteigerung von etwa 596,00 € oder aber 1,9 % im Jahr erreichen. Geht man von etwa 40 % Belastungen für SV-Beiträge und Steuern aus, verbliebe für den Arbeitnehmer eine Nettosteigerung von 357,00 € (gerundet). Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ist im Ergebnis der Ansicht, dass diese möglichen Vorteile im Ergebnis nur einen geringen Anreiz darstellen, verdi beizutreten. Ein erheblicher Druck bzw. ein schon notwendiger Zwang, der Gewerkschaft verdi beizutreten, lässt sich aus diesen Wertverhältnissen nicht ableiten. Die Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) lässt sich aus der vorliegenden Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern somit nicht ableiten.
Im Weiteren folgt auch aus dem Umstand, dass § 20 TV-UMN eine Mitgliedschaft bei verdi von 15 Monaten voraussetzt, keine Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel. Zum einen hatte schon das Gericht erster Instanz richtigerweise festgestellt, dass die Frage hier im Kern unbeantwortet bleiben kann, da der Arbeitnehmer ohnehin nicht der Gewerkschaft beitreten möchte. Damit würde er ohnehin nicht in den Genuss der erhöhten Jahressonderzahlung gelangen. Die Frage der Zulässigkeit eines Stichtages stellt sich für den Arbeitnehmer daher nicht.
Zum weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Stichtagsregelung im Übrigen ohnehin keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, die Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt als Kriterium für die Anspruchsentstehung einer Sonderzahlung heranzuziehen6. Der Arbeitnehmer war und ist frei, für die Zukunft der Gewerkschaft beizutreten und damit den erhöhten Anspruch auf Jahressonderzahlung im Folgejahr zu erwerben. Der hiesige Fall unterscheidet sich insoweit von der Konstellation des Falles, welcher der Entscheidung des BAG vom 09.05.20077 zu Grunde lag. Denn im Fall der letztgenannten Entscheidung des BAG war ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnerhöhung dauerhaft davon abhängig, dass er zu einem gewissen festen Datum in der Vergangenheit bereits Mitglied der Gewerkschaft war und dies blieb. In dem damaligen Fall blieb dem Arbeitnehmer aufgrund der starren Stichtagsregelung in der Tat der Ertrag des erst nachfolgenden Gewerkschaftsbeitrittes verwehrt. Im hiesigen Fall gilt dies nicht. Hier ist nur eine einmalige jährliche Sonderzahlung im Streit. Zudem kann sich jeder Arbeitnehmer durch rechtzeitigen Beitritt die Sonderzahlung des jeweiligen Folgejahres sichern. Soweit der Arbeitnehmer durch die hiesige Stichtagsregelung also die Sonderzahlung des laufenden Jahres, und bei ungünstigem Verlauf ggf. auch des Folgejahres, nicht erhält, kann nicht festgestellt werden, dass unzulässig in den eigentlich gesetzlich vorgesehenen Ertrag der Gewerkschaftsmitgliedschaft (§§ 3, 4 TVG) eingegriffen wird. Denn letztlich beträgt der Vorteil der erhöhten Jahressonderzahlung (etwa 35,75 % eines Monatsgehaltes) fast 3 Jahresmitgliedsbeiträge.
Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Vereinbarung einer Mitgliedschaft von mindestens 15 Monaten unwirksam wäre, würde dies nicht zu einem Anspruch des Arbeitnehmers führen. Denn die Rechtswidrigkeit der Stichtagsregelung würde nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Differenzierungsklauseln im Ganzen führen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass die Rechtsunwirksamkeit einzelner Tarifbestimmungen grundsätzlich entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB nicht zur Unwirksamkeit der übrigen tariflichen Regelung führt8. Es ist vielmehr maßgeblich, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt. Dies wäre hier selbst bei Annahme der Unwirksamkeit der Stichtagsregelung zu bejahen. Danach wäre wiederum zu berücksichtigen, dass eine Regelung verbliebe, wonach ohne Stichtagsregelung Gewerkschaftsmitglieder eine höhere Jahressonderzahlung erhalten würden als Nichtgewerkschaftsmitglieder. Dies entspräche auch dem erkennbaren Willen der Tarifvertragspartner, den Gewerkschaftsmitgliedern in jedem Fall ein Mehr zuzusprechen. Da der Arbeitnehmer nicht Gewerkschaftsmitglied ist bzw. seiner Zeit war, würde auch die Nichtbeachtung der Stichtagsregelung nicht zu einer anderen Entscheidung führen.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg -Vorpommern, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 5 Sa 237/13
- im Anschluss an BAG, 18.03.2009, 4 AZR 64/08[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/09[↩]
- Bundesverfassungsgericht, 11.07.2006, 1 Bv L 4/00[↩]
- BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 37, 38[↩]
- BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 47[↩]
- BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08[↩]
- BAG 09.05.2007 – 4 AZR 275/06[↩]
- BAG vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 125[↩]