Die Auslagerung von Geschäftstätigkeiten auf eine in Dublin ansässige Managementgesellschaft hindert nach einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht die Annahme eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG.

Gem. § 18 Abs. 1 AStG sind die Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 – 14 AStG (in der für 1995 geltenden Fassung) gesondert festzustellen. Dabei handelt es sich insbesondere um den Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG. Die Feststellung erfolgt mehreren an der ausländischen Gesellschaft Beteiligten gegenüber einheitlich. Der Hinzurechnungsbetrag als steuerpflichtige Einkünfte gem. § 10 Abs. 1 AStG ergibt sich für eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft, die an einer ausländischen Gesellschaft zu mehr als der Hälfte beteiligt ist, gem. § 7 Abs. 1 AStG aus den Einkünften dieser ausländischen Gesellschaft, für die diese Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 AStG ist. Danach ist eine ausländische Gesellschaft eine Zwischengesellschaft für Einkünfte, die sie aus so genanntem „passiven Erwerb“ erzielt, die Einkünfte also einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegen und nicht unter den Katalog der „aktiven“ Einkünfte des § 8 Abs. 1 Nr. 1 – 7 AStG fallen.
Ein Unternehmen unterhält einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG, wenn es über eine personelle und sachliche Mindestausstattung für Bank- oder Versicherungsgeschäfte verfügt, für die ausgeübte Tätigkeit die §§ 238 ff. HGB entsprechend Handelsbücher führt, die Geschäftskorrespondenz aufbewahrt und eine Inventur und eine Bilanz aufstellt.1.
Ob die personelle und sachliche Mindestausstattung das Vorhalten eigenen Personals und eigener Geschäftsräume erfordert, wird unterschiedlich beurteilt:
Nach der steuerrechtlichen Literatur, insbesondere Wassermeyer/Schönfeld2 komme es entscheidend darauf an, dass die wirtschaftliche Kernfunktion von der Gesellschaft selbst ausgeübt werde. Sollte diese einem Dienstleister übertragen sein, sei die Konstruktion künstlich. Nach anderer Auffassung3 beschaffe sich die ausländische Gesellschaft gerade die erforderliche betriebliche Organisation, um die von ihr ausgeübten Geschäfte abzuwickeln. Der Erfolg aus den Geschäften werde ihr zugerechnet. Der Abschluss von Managementverträgen sei daher nicht generell als missbräuchlich zu bewerten.
Die Finanzverwaltung vertritt in ihrem Anwendungserlass zum Außensteuergesetz vom 8. Januar 20074 die Auffassung, dass u.a. die Beschäftigung eigenen Personals erforderlich sei. In dem Anwendungserlass vom 12. Februar 19945 geht die Finanzverwaltung davon aus, dass ein eingerichteter Geschäftsbetrieb unterhalten wird, wenn die Unternehmen sachlich und personell so ausgestattet sind, dass sie mit fremden Versicherungsgeschäfte in einem ein Versicherungsunternehmen begründenden Umfang abschließen können. Der Beklagte leitet daraus ab, dass zwingend eigene Räume und eigenes Personal vorzuhalten seien, mit denen die Ausübung der Geschäftstätigkeit erfolge.
Bereits 1986 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in einem Urteil zur Versicherungsbranche entschieden, dass ein Versicherungsunternehmen, das eine ständige Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat unterhält, den Bestimmungen des EU-Vertrags über das Niederlassungsrecht auch dann unterliege, wenn die Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung habe, sondern lediglich von einem Büro wahrgenommen werde, das unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln6. Diese Rechtsprechung hat in der Literatur Kritik insoweit erfahren, dass aus dem zu Art. 59 EG-Vertrag ergangen Urteil nicht der Schluss gezogen werden dürfe, dass generell rechtlich unabhängige Vertreter oder Vermittler eine sekundäre Niederlassung i.S.d. Art 43 Abs. 1 S. 2 EG in der Fassung des Vertrages von Amsterdam7 begründeten. Im Gegenteil dürften selbständige Vermittler gerade nicht als sekundäre Niederlassung angesehen werden (so Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, EGV Art. 43 Rn. 59).
Zur Hinzurechnungsbesteuerung nach englischem Recht hat der EuGH entschieden, dass es den Artikeln 43 EG und 48 EG zuwiderlaufe, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen würden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterlägen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betreffe nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt seien, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme sei folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweise, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt sei und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehe. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Steuerpflichtigen sei insbesondere das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Niederlassungsfreiheit verfolgt werde. Dieses Ziel bestehe darin, es den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweitniederlassung zu gründen, um dort ihren Tätigkeiten nachzugehen, und so die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Durchdringung auf dem Gebiet der selbständigen Erwerbstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern. Zu diesem Zweck wolle die Niederlassungsfreiheit es den Staatsangehörigen der Gemeinschaft ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen. In Anbetracht dieses Zieles der Eingliederung in den Aufnahmemitgliedstaat impliziere der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit. Daher setze sie eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem voraus. Folglich lasse sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, wenn das spezifische Ziel der Beschränkung darin liege, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet werde8.
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 17. November 20049 herausgestellt, dass eine Gesellschaft nicht dadurch funktionslos werde, dass sie über keine eigenen Geschäftsräume und kein eigenes Personal verfüge. Entscheidend stellt der BFH auf ab, ob eine Gesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Bereits in seiner Entscheidung vom 25. Februar 200410 hat er bekräftigt, dass die Einschaltung einer Managementgesellschaft bei einer passiv tätigen Kapitalanlagegesellschaft nicht rechtsmissbräuchlich sei und auch nicht zur Funktionslosigkeit der Gesellschaft führe. Für die steuerliche Beurteilung sei zwischen einer funktionslosen Basisgesellschaft und einer eigenwirtschaftlich tätigen Kapitalanlagegesellschaft zu unterscheiden. Letztere sei jedenfalls dann nicht ohne jede steuerlich anzuerkennende Funktion, wenn sie auf eine gewisse Dauer angelegt sei und über ein Mindestmaß an personeller und sachlicher Ausstattung verfüge, die die unternehmerische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sicher stelle. Dies belege zum einen die Regelung in § 10 Abs. 6 AStG a.F. und zum anderen der mit der Gründung sog. Dublin-Docks-Gesellschaften in Irland verfolgte und von der EG-Kommission genehmigte Förderungszweck (vgl. dazu Art. 92 Abs. 3 des Vertrags zu Gründung der Europäischen Gemeinschaft –EGV–). Seien letztere Voraussetzungen erfüllt, so sei es unerheblich, wenn die Geschäftsführung der Dublin-Dock-Gesellschaft einem Board of directors übertragen sei.
Bei der Entscheidung müsse innerhalb der EG –und damit auch für irische Kapitalanlagegesellschaften– der zwischenzeitlichen Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum Gemeinschaftsrecht Rechnung getragen werden. Einerseits habe die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs letztlich „noch nie eine auf Dauer angelegte Zwischenschaltung inländischer Kapitalgesellschaften als Rechtsmissbrauch qualifiziert, wenn ein Steuerpflichtiger –aus welchen Gründen auch immer– zwischen sich und eine Einkunftsquelle eine inländische Kapitalgesellschaft schalte und alle sich daraus ergebenden Konsequenzen ziehe“11. Andererseits sehe der EuGH es generell als einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit an, wenn die in einem Mitgliedsstaat errichtete Kapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat gegenüber dort ansässigen Kapitalgesellschaften benachteiligt werde.
Deshalb lasse sich schwerlich rechtfertigen, die entsprechende Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften innerhalb der EG als Missbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 AO zu behandeln. Die Abschirmwirkung einer solchen Gesellschaft sei vielmehr grundsätzlich auch dann zu akzeptieren, wenn damit steuerliche Vorteile verbunden seien. Ebenso wenig wie im Regelfall im Inland danach gefragt werde, ob die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft erfolge, weil sie –verglichen mit anderen Handlungs- und Gesellschaftsformen– eine geringere Gesamtsteuerbelastung verspreche (beispielsweise infolge des anzuwendenden Steuersatzes, der Abzugsfähigkeit von Pensionszusagen und Geschäftsführergehältern), seien solche Fragen gerechtfertigt, wenn sich der Steuerpflichtige steuerliche Vorteile in Gestalt günstigerer Steuersätze davon verspreche, dass er unter ähnlichen Umständen eine ausländische Kapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat zwischenschalte. Das gelte umso weniger dann, wenn die in Anspruch genommenen Steuervorteile solche sind, die wie in dem vom BFH entschiedenen Streitfall als Fördermaßnahme in Einklang mit dem einschlägigen EG-Beihilferecht stünden.
Insbesondere unter Berücksichtigung der neueren EuGH-Rechtsprechung und auch der Rechtsprechung des BFH führt nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts allein der Umstand, dass die Dubliner Tochtergesellschaft weder über eigenes Personal noch über eigene Geschäftsräume verfügte, nicht bereits dazu, einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb zu verneinen. Insoweit vermag das FG allein darin keine rein künstliche und missbräuchliche Gestaltung zu erkennen. Auch wenn die Rechtsprechung des EuGH, dass die Niederlassungsfreiheit ihren Schutz bereits dann entfalte, wenn die Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung habe, sondern lediglich von einem unabhängigen Büro wahrgenommen werde, in der Literatur Kritik erfahren hat, macht diese Rechtsprechung deutlich, dass der Niederlassungsbegriff des Art. 43 EG sehr weit zu verstehen ist.
Vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen, ob die Dubliner Tochtergesellschaft selbst – unter Zurechnung der Tätigkeiten der nachgeschalteten Servicegesellschaft – einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb führt, also unter Erfüllung der übrigen Voraussetzungen (Aufbewahrung von Geschäftspost, Buchführung usw.) tatsächlich wirtschaftlich tätig geworden ist.
Bei der Auslegung dieses Merkmals ist das Gemeinschaftsrecht zu beachten. Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften sind nach der Rechtsprechung des EuGH12 nur dann gemeinschaftsrechtskonform, falls die von ihnen vorgesehene Besteuerung ausgeschlossen ist, wenn die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhängt. Diese Gründung muss mit einer tatsächlichen Ansiedlung zusammenhängen, deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen. Diese Feststellung wiederum muss auf objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten beruhen, die sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der beherrschten ausländischen Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen, wobei es sich – wie zuvor dargelegt – nicht zwingend um eigenes Personal oder eigene Geschäftsräume handeln muss. Führt die Prüfung zu der Feststellung, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft nur mit einer fiktiven Ansiedlung zusammenhängt, die keine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entfaltet, so ist die Gründung dieser beherrschten ausländischen Gesellschaft als eine rein künstliche Gestaltung anzusehen. Solches könnte insbesondere bei einer Tochtergesellschaft der Fall sein, die eine „Briefkastenfirma“ oder eine „Strohfirma“ ist.
Auf diese Grundsätze hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit konnte sich nach Ansicht der Hannoveraner Finanzrichter auch die Dubliner Tochtergesellschaft berufen. Die Einbindung in die Wirtschaft des Aufnahmelandes setzt nicht zwingend ein Tätigwerden in dem Land voraus; ausreichend ist bereits auch ein Tätigwerden von dort aus13. Damit unterfallen die Dubliner Tochtergesellschaft und die deutsche Muttergesellschaft auch dann dem Schutz der Niederlassungsfreiheit, wenn die Dubliner Tochtergesellschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit von Irland aus Risiken außerhalb Irlands versichert.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13. Mai 2009 – 6 K 476/06
- Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 AStG, Rn. 101[↩]
- GmbHR 2006, 1065[↩]
- Lehfeldt in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, § 8 AStG, Rn. 32, 64[↩]
- IV B 4 – S1351 – 1/07[↩]
- BMF 1994-12-02 IV C 7-S 1340-20/94[↩]
- EuGH, Urteil vom 04.12.1986 – C-205/84, Slg. 1986, 3755, Rz. 21[↩]
- Vertrag zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte –EG–, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. C 340, 1997, 1[↩]
- EUGH-Urteil vom 12. September 2006 C-196/04, Cadbury Schweppes[↩]
- I R 55/03, BFH/NV 1016[↩]
- I R 42/02, BStBl II 2005, 14[↩]
- so BFH, Urteil vom 23. Oktober 1996 – I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90; vgl. auch BFH, Urteil vom 15. Oktober 1998 III R 75/97, BFHE 187, 245, BStBl II 1999, 119[↩]
- vgl. insb. EUGH, Urteil vom 12. September 2006 – C-196/04, Cadbury Schweppes[↩]
- Roth in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E I Rz. 52, Fn. 245 unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 5. Juni 1997 C-56/96, EuGHE 1997 I-03143[↩]