Hat ein Steuerberater durch Übersendung einer Abschrift eines auftragswidrig nicht eingelegten Einspruchs den Anschein erweckt, der Steuerbescheid, der angefochten werden sollte, sei nicht in Bestandskraft erwachsen, kann er sich bis zur Aufdeckung seines Fehlers und des eingetretenen Schadens auch dann nicht auf die eingetretene Verjährung des gegen ihn gerichteten Haftungsanspruchs berufen, wenn ihm ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden kann.

Die Steuerberaterin hat ihre vertraglichen Pflichten gegenüber den Mandanten verletzt, indem sie es unterließ, auftragsgemäß für diese Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen. Dadurch ist der Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden und hat zu einem Schaden in Höhe der auf dessen Grundlage berechneten Steuer geführt. Der Schadensersatzanspruch gegen den Steuerberater verjährt im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gemäß der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 68 StBerG aF1 allerdings binnen dreier Jahre ab Entstehung des Anspruchs. Entstanden ist der Anspruch mit der infolge der Versäumung der Einspruchsfrist eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheides2, obwohl dieser vorliegend noch keine Festsetzung enthielt, sondern Besteuerungsgrundlagen selbständig feststellte, welche für die nachfolgende Steuerfestsetzung gemäß § 182 Abs. 1 AO bindend waren3.
Der Steuerberaterin ist es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen.
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm4 kann der Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) der Arglisteinwand nicht nur dann entgegengesetzt werden, wenn der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat5. Vielmehr reicht aus, dass der Schuldner durch sein Verhalten objektiv – sei es auch unabsichtlich – bewirkt, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen6.
Vorliegend fällt der Steuerberaterin objektiv ein besonders grober Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last. Die Steuerberaterin hat es zunächst versäumt, Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen. Die Mandanten, die eine Abschrift des vorbereiteten, aber nicht an das Finanzamt abgesandten Einspruchsschreibens erhalten hatten, konnten jedoch davon ausgehen, dass der Feststellungsbescheid nicht bestandskräftig geworden war. In diesem Glauben wurden sie durch das nachfolgende Schreiben, in welchem die Steuerberaterin ihnen der Wahrheit zuwider darlegte, dass der Feststellungsbescheid vorläufig sei und im Falle einer günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben werde. Der weitere Bescheid, mit welchem das Finanzamt die Erteilung eines Vorläufigkeitsvermerks ablehnte, weil Bestandskraft eingetreten sei, wurde ihnen vorenthalten.
Hinzu kommt, dass sich die Steuerberaterin gemäß § 278 BGB auch die irreführenden Auskünfte zurechnen lassen muss, welche in den folgenden Jahren durch die Mitarbeiterin Z. den Mandanten erteilt wurden Nach § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Aufgrund der von der Steuerberaterin begangenen Vertragsverletzungen, dem unterlassenen Einspruch und der anschließenden Irreführung über diesen Umstand bestand die zwischen ihr und den Mandanten bestehenden Sonderrechtsbeziehung unabhängig von einer etwaigen Beendigung des Mandats fort.
Die Mandanten haben vorliegend auch nicht nach Kenntnis vom Fehlverhalten der Steuerberaterin zu lange gewartet, bis sie Klage erhoben. Der Bundesgerichtshof hat allerdings in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass der Gläubiger einer verjährten Forderung, der sich aufgrund des Verhaltens seines Schuldners darauf verlassen durfte, dass dieser sich nicht auf Verjährung berufen werde, seinen Anspruch binnen einer angemessenen, nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist gerichtlich geltend zu machen hat, wenn der Schuldner die Verjährungseinrede schließlich doch erhob. Diese Frist wurde kurz bemessen, denn sie diente nur dazu zu verhindern, dass der Gläubiger infolge einer überraschenden Wendung der Dinge seinen Anspruch noch verlor; eine großzügige Bemessung dieser Frist hätte im Widerspruch zum Zweck der bereits eingetretenen Verjährung gestanden7.
Den genannten Entscheidungen lagen jedoch jeweils Fälle zugrunde, in denen unter der Geltung des alten Verjährungsrechts, insbesondere vor Einführung des § 203 BGB, über einen mehr oder weniger langen Zeitraum verhandelt oder sogar ein teilweises Anerkenntnis erzielt worden war. Die kurze Frist wurde von dem Zeitpunkt der als solcher erkennbaren endgültigen Leistungsverweigerung an berechnet. Im Zeitpunkt des Abbruchs von Vergleichsverhandlungen sind den betroffenen Gläubigern die vermeintlich oder wirklich anspruchsbegründenden Umstände längst bekannt, und die gegenseitigen Standpunkte sind ausgetauscht worden. Das war hier jedoch nicht der Fall. Im November 2010 war den Mandanten lediglich mitgeteilt worden, dass der Einspruch versehentlich nicht abgesandt worden war. Erst auf Nachfragen ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gemäß Schreiben vom 23.02.2011 erfuhren sie, dass die Steuerberaterin bereits seit dem 11.08.2003 von dem unterbliebenen Einspruch wusste. Erst diese Information ermöglichte ihnen, das Verhalten der Beklagten als arglistig zu bewerten und den an sich verjährten Einspruch mit Aussicht auf Erfolg einzuklagen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. November 2013 – IX ZR 215/12
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24.01.2013 – IX ZR 108/12, WM 2013, 940 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2010 – IX ZR 170/09, WM 2010, 2284 Rn. 11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2013, aaO Rn. 9[↩]
- OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2012 – 25 U 2/12[↩]
- BGH, Urteil vom 03.02.1953 – I ZR 61/52, BGHZ 1, 5; vom 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 96; vom 12.06.2002 – VIII ZR 187/01, NJW 2002, 3110 f; vom 17.06.2008 – VI ZR 197/07, NJW 2008, 2776 Rn. 31; RGZ 153, 101, 107 f[↩]
- BGH, Urteil vom 01.10.1987 – IX ZR 202/86, WM 1988, 127, 128; vom 29.02.1996 – IX ZR 180/95, ZIP 1996, 791, 793; Beschluss vom 20.11.2008 – IX ZR 145/06, nv, Rn. 2; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, 3. Aufl., § 214 Rn. 9; Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1447[↩]
- BGH, Urteil vom 20.01.1976 – VI ZR 15/74, VersR 1976, 565; vom 06.12 1990 – VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975; vom 04.11.1997 – VI ZR 375/96, NJW 1998, 902, 903 f; Bamberger/Roth/Henrich, aaO § 214 Rn. 12; Chab, aaO Rn. 1448[↩]