Der Sanitätsoffizier-Anwärter, die Beurlaubung zum Studium und die Kriegsdienstverweigerung

Die per­so­nal­be­ar­bei­ten­de Stel­le kann die Be­ur­lau­bung zum Stu­di­um wi­der­ru­fen, wenn der Sa­ni­täts­of­fi­zier-An­wär­ter seine An­er­ken­nung als Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer be­an­tragt.

Der Sanitätsoffizier-Anwärter, die Beurlaubung zum Studium und die Kriegsdienstverweigerung

Der Widerruf der Beurlaubung des Sanitätsoffizier-Anwärters zum Studium, nachdem er seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Gemäß § 11 SUV1, können Sanitätsoffizier-Anwärterinnen und Sanitätsoffizier-Anwärter (u.a.) zum Studium der Medizin beurlaubt werden. Die Beurlaubung kann gemäß § 9 SUV i.V.m. § 15 Abs. 1 SUrlV2, widerrufen werden, bei einem befristeten Urlaub jedoch nur aus zwingenden dienstlichen Gründen; gemäß § 9 SUV i.V.m. § 15 Abs. 2 Alt. 2 SUrlV ist die Urlaubsbewilligung zu widerrufen, wenn Gründe, die die Soldatin oder der Soldat zu vertreten hat, den Widerruf erfordern.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Widerruf der Beurlaubung bereits nach § 9 SUV i.V.m. § 15 Abs. 2 Alt. 2 SUrlV geboten war, weil der Sanitätsoffizier-Anwärter die zum Widerruf führenden Gründe zu vertreten hat. Jedenfalls ist der vom Personalamt der Bundeswehr als Ermessensentscheidung ausgesprochene Widerruf mit den vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verwaltungsvorschriften festgelegten Maßgaben vereinbar3 und weist auch im Übrigen keine Ermessensfehler auf (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO und § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO).

Der Widerruf der Beurlaubung entsprach den geltenden, die Ermessensausübung leitenden Verwaltungsvorschriften.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Februar 20124 unter Aufgabe seiner bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung entschieden, dass Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr auch vor Beendigung ihres Wehrdienstverhältnisses ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer haben. Eine Folge dieser Rechtsprechungsänderung ist, dass Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit im Sanitätsdienst nicht mehr darauf angewiesen sind, unter Hinweis auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ihre vorzeitige Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf der Grundlage der Härtefallklauseln des § 46 Abs. 6 und § 55 Abs. 3 SG zu betreiben; vielmehr haben sie nunmehr einen unmittelbaren Anspruch auf Entlassung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, sobald sie als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind.

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Im Hinblick auf diese Rechtsprechungsänderung hat die Bundeswehr ihre Vorschriftenlage dahingehend angepasst, dass die Vorgaben des KDV-Erlassess des Bundesministeriums der Verteidigung5 auch auf die Angehörigen des Sanitätsdienstes anzuwenden sind, sowie weitere Folgeregelungen getroffen6. Danach sind Sanitätssoldaten, die einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt haben, sofern sie sich in einem Studium befinden, aus diesem herauszunehmen und grundsätzlich unter Wechsel der Dienststelle, möglichst innerhalb des bisherigen Standorts, zu versetzen (Nr. 8 3. und 4. Strichaufzählung der Weisung BMVg FüSK II 1 vom 29.08.2012). Bestimmt ist ferner, dass es in Einzelfällen bei Sanitätsoffizier-Anwärtern zweckmäßig sein kann, sie im Studium zu belassen, insbesondere dann, wenn sie im Studium fortgeschritten sind und ihr KDV-Antrag vermutlich abgelehnt wird (Fußnote 2 zu Nr. 8 3. Strichaufzählung der Weisung BMVg FüSK II 1 vom 29.08.2012).

Die Entscheidung des Personalamts der Bundeswehr, die Beurlaubung des Sanitätsoffizier-Anwärters zum Studium der Medizin aufzuheben, nachdem dieser am 24.09.2012 seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt hatte, stimmt mit dieser Erlass- und Weisungslage überein. Insbesondere lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dessen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer – wie auch tatsächlich nicht geschehen – abgelehnt würde.

Das Personalamt war auch nicht auf die Widerrufsgründe beschränkt, die Nr. 5.3 Abs. 3 des Rahmenerlasses des Bundesministeriums der Verteidigung – Fü San II 3 – vom 17.10.2007 für die Einstellung, rechtliche Stellung, Ausbildung, Betreuung und Fürsorge der Sanitätsoffizier-Anwärter und Sanitätsoffizier-Anwärterinnen vorsieht. Nr. 5 des Rahmenerlasses regelt nur die spezifisch mit der Durchführung des Studiums zusammenhängenden Fragen der Beurlaubung. Die Bundeswehr war nicht gehindert (wenn nicht sogar gehalten), im Erlasswege die Behandlung von Sanitätsoffizier-Anwärtern und Sanitätsoffizier-Anwärterinnen zu regeln, die von der – erst durch die Rechtsprechungsänderung eröffneten – Möglichkeit Gebrauch machten, ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu beantragen.

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Der Widerruf der Beurlaubung weist auch im Übrigen keine Ermessensfehler auf.

Der Bundesminister der Verteidigung hat im Beschwerdebescheid – neben dem Hinweis auf die genannten Verwaltungsvorschriften – ausgeführt, dass wegen des Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begründete Zweifel an der uneingeschränkten Eignung des Sanitätsoffizier-Anwärters bestünden, das begonnene Studium auf Kosten des Dienstherrn fortzusetzen, weil er für den Fall der Anerkennung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SG unverzüglich aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit zu entlassen sei. Da er im Falle der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer somit nicht als Sanitätsoffizier verwendet werden könne, sei ein dienstliches Interesse an der Fortsetzung des Studiums nicht mehr gegeben.

Diese Erwägungen sind – gemessen an der der Beurlaubung zugrundeliegenden Zwecksetzung des § 11 SUV – nicht ermessensfehlerhaft (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 Satz 1 VwGO). Das Studium ist auch für Sanitätsoffizier-Anwärter ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung des Berufsoffiziers und länger dienenden Offiziers auf Zeit7. Dementsprechend erfolgt – wie auch im Falle des Sanitätsoffizier-Anwärters – die Versetzung zum Studium „aus dienstlichen Gründen“; die studierenden Sanitätsoffizier-Anwärter werden grundsätzlich nach den festgelegten Mindestdienstzeiten befördert, unterstehen während der Beurlaubung zum Studium truppendienstlich dem Dienststellenleiter der Betreuungsdienststelle, zu der die Versetzung erfolgt ist, und absolvieren während des Studiums die militärische Offizierausbildung sowie Truppenpraktika (Nr. 3.4, 3.7 Abs. 1 und 4.2 des Rahmenerlasses). Der dienstliche Zweck der Beurlaubung zum Studium wird daher im Kern in Frage gestellt, wenn der Sanitätsoffizier-Anwärter, wie hier der Sanitätsoffizier-Anwärter, seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und damit seine zwangsläufige Entlassung aus dem Dienstverhältnis betreibt. Es ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die zuständigen personalbearbeitenden Stellen, die auf das vom Sanitätsoffizier-Anwärter initiierte Verfahren keinen Einfluss haben, von einem Eignungsmangel für die vorgesehene dienstliche Verwendung ausgehen, die Beurlaubung widerrufen und den Sanitätsoffizier-Anwärter jedenfalls solange, bis der Fortbestand des Dienstverhältnisses geklärt ist, seinen bis dahin erworbenen Fähigkeiten entsprechend in einem Sanitätszentrum einsetzen. Eines weitergehenden „zwingenden“ dienstlichen Grunds (§ 15 Abs. 1 Halbs. 2 SUrlV) für den Widerruf bedurfte es nicht, weil die Beurlaubung zwar zweckgebunden, jedoch nicht befristet erfolgte.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. März 2013 – 1 WB 61.12

  1. Verordnung über den Urlaub der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung – SUV) i.d.F. der Bek. vom 14.05.1997, BGBl I S. 1134, zuletzt geändert durch Art. 3 Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 vom 28.04.2011, BGBl I S. 678[]
  2. Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, Richterinnen und Richter des Bundes (Sonderurlaubsverordnung – SUrlV) i.d.F. der Bek. vom 11.11.2004, BGBl I S. 2836, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 22 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 05.02.2009. BGBl I S. 160[]
  3. zur diesbezüglichen gerichtlichen Überprüfung vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.02.2003 – 1 WB 57.02, BVerwGE 118, 25, 27 = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2[]
  4. BVerwG, Urteil vom 22.02.2012 – 6 C 11.11, BVerwGE 142, 48 = Buchholz 448.6 § 2 KDVG Nr. 7 = NZWehrr 2012, 170[]
  5. BMVg, Erlasses vom 10.10.2003 – Fü S I 1 – über die „Behandlung von Soldatinnen und Soldaten, die ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerin bzw. als Kriegsdienstverweigerer beantragt haben“, VMBl.2003, S. 162, zuletzt geändert durch Erlass vom 03.11.2005, VMBl.2005, 133[]
  6. vgl. im Einzelnen die Weisungen BMVg FüSK II 1 „Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer von Sanitätssoldaten und -soldatinnen“ vom 29.08.2012 und PersABw IV 1 „KDV-Antrag in den Laufbahnen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr“ vom 02.10.2012[]
  7. vgl. für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes: BVerwG, Beschluss vom 29.04.2008 – 1 WB 11.07, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 31 Rn. 23[]
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