Die Grenze der in Form von Satire geäußerten Kritik am Verhalten Dritter ist dort erreicht, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handelt und die Menschenwürde angetastet wird. Im Falle des auf den türkischen Präsidenten bezogenen Gedichts von Jan Böhmermann ist diese Grenze durch bestimmte Passagen des Gedichts überschritten worden, die schmähend und ehrverletzend sind.

Mit dieser Begründung hat das Landgericht Hamburg in dem hier vorliegenden Fall auf Antrag des türkischen Präsidenten eine einstweilige Verfügung gegen den Fernsehmoderator Jan Böhmermann erlassen. Am 31. März 2016 hat Herr Böhmermann in einer Fernsehsendung ein Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ veröffentlicht. Gegen die darin enthaltenen Äußerungen hat sich der türkische Präsident mit dem Antrag auf Unterlassung gewehrt.
In seiner Entscheidung hat das Landgericht Hamburg darauf abgestellt, dass hier eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers vorzunehmen sei. Nach Auffassung des Landgerichts vermittle das angegriffene Gedicht als Satire ein Zerrbild von der Wirklichkeit, mit der sich der Antragsgegner mithilfe des Gedichts auseinandersetze. Bei dieser Kunstform, der Übertreibungen und Verzerrungen wesenseigen seien, müsse für die rechtliche Beurteilung zwischen dem Aussagegehalt und dem vom Verfasser gewählten satirischen Gewand, der Einkleidung, unterschieden werden. Zudem seien die konkrete Präsentation und der Zusammenhang zu berücksichtigen, in den das Gedicht gestellt worden sei. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handele bzw. die Menschenwürde angetastet werde.
Nach Ansicht des Landgerichts sei durch bestimmte Passagen des Gedichts diese Grenze überschritten worden, die schmähend und ehrverletzend seien. Zwar gelte für die Einkleidung eines satirischen Beitrages ein großzügiger Maßstab, dieser berechtige aber nicht zur völligen Missachtung der Rechte des Antragstellers. Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichts überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß.
Die übrigen Teile setzten sich dagegen in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Der Antragsgegner trage als Staatsoberhaupt politische Verantwortung und müsse sich aufgrund seines öffentlichen Wirkens selbst harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass der Antragsgegner sich in satirischer Form über den Umgang des Antragstellers mit der Meinungsfreiheit lustig mache.
Aus diesen Gründen hat das Gericht dem Antrag teilweise stattgegeben und Herrn Böhmermann die Äußerung bestimmter Passagen des Gedichts untersagt, die der Präsident angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nicht hinnehmen muss. Hinsichtlich der übrigen Teile des Gedichts hat das Gericht den Antrag zurückgewiesen.
Landgericht Hamburg, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 324 O 255/16