Rechtswegverweisung – und ihre Bindungswirkung

Ein nach § 17a GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurückgenommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend1.

Rechtswegverweisung – und ihre Bindungswirkung

Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entscheidung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den Verweisungsbeschluss. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die Verweisung nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Überprüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Demgegenüber kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug – uneingeschränkt – überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden Partei an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegehrens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, sondern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.

Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungsbereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entscheidungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen geschützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den Parteien aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen2.

Der Bundesgerichtshof hat bislang offenlassen können, ob gleichwohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Eine Durchbrechung der Bindungswirkung kommt, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert hat3, allenfalls bei „extremen Verstößen“ gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht4.

Eine solche schwerwiegende, nicht mehr hinnehmbare Verletzung der Rechtswegordnung ist im Streitfall nicht zu erkennen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handelt es sich bei dem der Klage zugrundeliegenden Anspruch um einen privatrechtlichen Makleranspruch gemäß § 652 BGB, der durch öffentlichrechtliche Normen modifiziert wird5. Zuständig sind daher die ordentlichen Gerichte. Die Erwägungen des Amtsgerichts, dass mit dieser Modifikation ein besonderer Schutz des Arbeitssuchenden verbunden sei, das Vermittlungsgutscheinverfahren an die Stelle der ansonsten kostenfreien – vom öffentlichen Recht beherrschten – Vermittlung durch die Agentur für Arbeit trete und deshalb der Rechtsstreit vor den Sozialgerichten zu verhandeln sei, sind indessen nachvollziehbar und entbehren nicht jeglicher Anknüpfung an die gesetzliche Zuständigkeitsordnung. Auch wenn diese Argumentation im Ergebnis nicht richtig ist, handelt es sich gleichwohl nicht um einen so gravierenden Rechtsverstoß, dass es geboten wäre, entgegen den von den Parteien hingenommenen Wirkungen des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts dessen Bindungswirkung zu durchbrechen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juni 2014 – X ARZ 146/14

  1. BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 9[]
  2. BGH, aaO Rn. 12[]
  3. BVerwG, Beschluss vom 08.11.1994 9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372[]
  4. BGH, Beschlüsse vom 13.11.2001 – X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; vom 08.07.2003 – X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990, 2991; vom 09.12 2010 – X ARZ 283/10, MDR 2011, 253 Rn. 16; vom 18.05.2011 – X ARZ 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 9; vom 14.05.2013, aaO Rn. 13; s. auch BAG, Beschluss vom 12.07.2006 – 5 AS 7/06, NJW 2006, 2798 Rn. 5: nur bei „krassen Rechtsverletzungen“[]
  5. vgl. BSG, NJW 2007, 1902 Rn. 14 f.[]