Bei der Klärung der streitigen Frage, ob und wann ein Steuerbescheid zugestellt wurde, darf sich das Finanzgericht mit der Würdigung des Inhalts der Zustellungsurkunde nach § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die den vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen erbringt1 begnügen.

Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden2.
Im vorliegend vom Bundesfinanzhof entschiedenen Verfahren hat der Kläger einen solchen Gegenbeweis vor dem FG auch nicht ansatzweise geführt, sondern sich lediglich darauf berufen, der Einwurf der Steuerbescheide in seinen Hausbriefkasten sei –trotz der entsprechenden Vermerke des Zustellers auf den Zustellungsurkunden– nicht belegt und werde bestritten. Möglicherweise habe die Mieterin des Obergeschosses die Briefe aus dem Briefkasten entnommen und sie ihm nicht ausgehändigt. Zudem komme es immer wieder zu Verwechslungen mit der Post für seinen Bruder, der dieselbe Anschrift wie der Kläger habe (Doppelhaus) und an dessen Briefkasten ebenfalls nur der Nachname vermerkt sei.
Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs hat das Finanzgericht in diesem Fall zu Recht darauf hingewiesen, es sei für die Bekanntgabe der Steuerbescheide unerheblich, wenn die Mieterin des Obergeschosses die Briefe dem Briefkasten des Klägers entnommen und ihn darüber nicht informiert habe. Bereits mit dem Einwurf der Postsendungen in den Briefkasten seien sie derart in den Machtbereich des Klägers gelangt, dass er Gelegenheit zur Kenntnisnahme hatte und die Bescheide als bekannt gegeben gelten. Zudem stehe nach Überzeugung des Gerichts aufgrund des späteren Verhaltens des Klägers fest, dass er die Steuerbescheide tatsächlich erhalten habe. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, dass er bei seinen Gesprächen mit dem Sachbearbeiter der Vollstreckungsstelle im Jahr 2005 nur auf die Aufhebung der Kontenpfändung hingewirkt und eine Tilgungsvereinbarung ausgehandelt habe, ohne auf die ihm nicht vorliegenden Steuerbescheide hinzuweisen. Dies gelte umso mehr, als sich der Kläger zu dieser Zeit in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen befunden und er ausweislich der Rückstandsanzeige zu diesem Zeitpunkt –abgesehen von den offenen Beträgen der streitigen Steuerbescheide– keine weiteren Steuerschulden gehabt habe. Eine weitere Sachaufklärung musste das Finanzgericht angesichts dieser Sachlage nicht betreiben.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – X B 205/12