Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbetreibenden führt nicht zur Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens über eine Gewerbeuntersagung.

Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO maßgebliche Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gilt auch für den Anwendungsbereich des § 12 Satz 1 GewO1. Daher bewirkt ein erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nicht die Rechtswidrigkeit einer Gewerbeuntersagung wegen einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden.
§ 12 Satz 1 GewO normiert kein Verbot der Vollstreckung von Gewerbeuntersagungen für die Dauer des Insolvenzverfahrens.
Das gerichtliche Verfahren ist in einem solchen Fall nicht im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO auszusetzen.
Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass der Streitgegenstand „die Insolvenzmasse betrifft“. Dies ist hier nicht der Fall. Die angefochtene Gewerbeuntersagung knüpft an in der Person des Gewerbetreibenden liegende Unzuverlässigkeitstatbestände an und entzieht ihm als Person die Befugnis, bestimmten beruflichen Tätigkeiten nachzugehen. Sie betrifft das berufliche Betätigungsrecht des Gewerbetreibenden. Dieses personenbezogene Recht gehört nicht zur Insolvenzmasse. Denn sie umfasst gemäß § 35 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) vom 05.10.19942 zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 31.08.20133 allein das dem Gemeinschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörende und das während des Verfahrens erlangte Vermögen4. Das personenbezogene Recht zur Gewerbeausübung, das aus § 1 Gewerbeordnung (GewO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.02.19995 zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 15.04.20156 folgt, zählt dazu nicht. Dementsprechend unterliegt es auch nicht der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden7. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet8.
Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung kommt es nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass seit Inkrafttreten der Neufassung des § 35 Abs. 6 GewO am 1.05.1974 eine deutliche Trennung zwischen dem Untersagungsverfahren einerseits und dem Wiedergestattungsverfahren andererseits besteht. Ist ein Gewerbe wirksam untersagt worden, hat die Behörde nicht mehr zu prüfen, ob die Untersagungsgründe die ergangene Gewerbeuntersagung weiterhin tragen. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen9.
In diesem Sinne war der Kläger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) des angefochtenen Bescheides am 21.09.2010 und damit zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Gewerbeuntersagungsverfahren unzuverlässig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die durchgreifende Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, hatte der Kläger damals Steuerrückstände von 5 013 € und schuldete zudem der AOK seit über einem Jahr Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 845 €. Ferner hatte er am 21.12 2009 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO a.F. abgegeben, wobei sich dem zugehörigen Protokoll weitere Schulden des Gewerbetreibenden von mehr als 12 000 DM entnehmen ließen. Die Verletzung seiner Pflichten zur Zahlung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge beruhte angesichts seiner Vermögensverhältnisse maßgeblich auf fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht auf einer in der Person begründeten Unzuverlässigkeit. Gegenüber dem Landratsamt hatte er sich selbst als mittellos bezeichnet. Irgendein Konzept zum Abbau seiner Schulden hatte der Kläger nicht entwickelt.
Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für die erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorlagen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass insoweit Tatsachen vorliegen müssen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“). Diese sind bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen gegeben. Außerdem muss die erweiterte Gewerbeuntersagung erforderlich sein, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Gewerbetreibenden vorliegt. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet10.
Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Ermessenserwägungen der Behörde nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO rechtsfehlerfrei sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll11. Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
An der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Erlasses des angefochtenen Bescheides (hier: 21.09.2010) für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung ändert sich auch nichts dadurch, dass die dem Gewerbetreibenden im angefochtenen Bescheid gewährte Frist12 noch nicht abgelaufen war, bis zu der die gewerbliche Betätigung eingestellt werden musste. Bis zum Ablauf der von der Gewerbeuntersagungsbehörde gesetzten Frist darf der Gewerbetreibende zwar noch gewerblich tätig sein, um Abwicklungsarbeiten vorzunehmen und die Einstellung des Geschäftsbetriebs vorzubereiten. Die Auslauffrist hebt die Wirksamkeit der bereits ergangenen Untersagungsverfügung aber nicht auf, sondern ist deren fester Bestandteil.
Der angefochtene Untersagungsbescheid ist auch nicht nachträglich nach § 12 Satz 1 GewO rechtswidrig geworden.
Für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung war ohne Bedeutung, dass nach dem Wirksamwerden des angefochtenen Untersagungsbescheides am 21.09.2010 über das Vermögen des Gewerbetreibenden durch Beschluss des Amtsgerichts Landshut – Insolvenzgericht – vom 23.09.2010 zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und die Anordnung getroffen wurde, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 InsO). Gleiches gilt für den Umstand, dass das Insolvenzgericht am 11.11.2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hat.
Nach § 12 Satz 1 GewO sind u.a. Vorschriften zur Untersagung des Gewerbes bei einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans nicht anzuwenden in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass § 12 Satz 1 GewO die aus § 35 Abs. 6 GewO folgende Vorverlegung des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Dauerverwaltungsakts „Untersagung der Gewerbeausübung“ maßgeblichen Zeitpunkts auf die letzte Verwaltungsentscheidung unberührt lässt. Ein Insolvenzverfahren, das – wie hier – erst nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnet wurde, ist daher ohne Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Untersagung des Gewerbes wegen einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden.
Der Wortlaut ist insoweit zwar nicht zwingend. § 12 Satz 1 GewO verbietet für die Dauer des Insolvenzverfahrens nicht die Maßnahme der Untersagung eines Gewerbes selbst, sondern die Anwendung entsprechender Vorschriften. Mit Blick auf die nicht nur von den Behörden, sondern auch von den Gerichten vorzunehmende Subsumtion kann von einer Anwendung der Untersagungsvorschriften auch im gerichtlichen Verfahren gesprochen werden. Daher schließt nicht bereits der Wortsinn die Annahme aus, dass auch ein erst nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nachträglich die im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten Gewerbeuntersagung auslöst13. Allerdings liegt eine solche Auslegung schon deshalb nicht nahe, weil die gerichtliche Subsumtion in die im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zu leistende Kontrolle der Rechtsanwendung durch die Behörden eingebunden ist. Entscheidend gegen die Annahme eines erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens entstehenden Anwendungsverbots spricht jedoch die im Gesetz angelegte systematische Trennung zwischen Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren. Nach dem Regelungszusammenhang von § 35 Abs. 1 und 6 GewO sind nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens eintretende Änderungen der Verhältnisse allein im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Wiedergestattung zu prüfen und zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 12 Satz 1 GewO lässt die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 6 GewO und die grundsätzliche systematische Trennung unberührt. Sie erfasst § 35 Abs. 6 GewO schon deshalb nicht, weil es sich dabei um keine Vorschrift handelt, „welche die Untersagung eines Gewerbes … ermöglicht“. Eine Berücksichtigung nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens eingetretener neuer Umstände würde die in § 35 Abs. 1 und 6 GewO normierte Systematik von Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren durchbrechen.
Sinn und Zweck des § 12 Satz 1 GewO stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, einen Konflikt mit den Zielen des Insolvenzverfahrens zu vermeiden und insbesondere die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens nicht durch eine Gewerbeuntersagung zu vereiteln14. Ohne die Regelung in § 12 Satz 1 GewO könnte zum Beispiel einem Beschluss der Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO, das Unternehmen vorläufig fortzuführen, durch eine Untersagungsverfügung und ihre Vollziehung die Grundlage entzogen werden. Ebenso könnten ohne die von § 12 Satz 1 GewO ausgelöste Sperrwirkung die Aufstellung und Durchführung eines Insolvenzplanes nach §§ 217 ff. InsO gefährdet oder gar verhindert werden. Um diese Folgen auszuschließen, ordnet die Vorschrift an, dass die Untersagungsbehörde ab Beginn der in § 12 Satz 1 GewO abschließend bestimmten Zeiträume § 35 Abs. 1 GewO nicht mehr anwenden darf, soweit die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht. Auch im Hinblick auf die Interessen am Schutz des Geschäftsverkehrs vor den Gefahren, die von einem insolventen und deshalb gewerberechtlich unzuverlässigen Gewerbetreibenden ausgehen, erschien dies, wie insbesondere die Entstehungsgeschichte der Regelung ausweist, dem Gesetzgeber vertretbar. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter kompensiert das Gefährdungspotential, das von der weiteren Ausübung des Gewerbes des insolventen Gemeinschuldners ausgeht. Neue Vertragspartner des Gewerbetreibenden können aufgrund der Vorschriften des Insolvenzrechts über die Einsetzung eines Insolvenzverwalters und dessen die Direktionsrechte des insolventen Gewerbetreibenden ersetzenden Befugnisse, den Vorrang der Masseverbindlichkeiten und die Aufsicht des Insolvenzgerichts geschützt werden. Vorläufige Anordnungen des Insolvenzgerichts nach § 21 InsO dienen dem gleichen Ziel, wenn auch mit unterschiedlichen Schutzwirkungen für den Geschäftsverkehr.
Das an die Behörden gerichtete Verbot des Erlasses von Untersagungsverfügungen wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden während eines parallel zum Gewerbeuntersagungsverfahren laufenden Insolvenzverfahrens dient dem Ziel des § 12 Satz 1 GewO, die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens offenzuhalten. Dieses Ziel erfordert nicht darüber hinaus, dass ein erst nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren unter Durchbrechung der Trennung von Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren die nachträgliche Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten Untersagung auslöst. Allerdings hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zu Recht angenommen, dass § 12 Satz 1 GewO kein Verbot der Vollstreckung von Gewerbeuntersagungen wegen wirtschaftlicher Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden normiert, um die insolvenzrechtlichen Ziele zu sichern, wie dies zum Teil in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur vertreten wird. Dagegen spricht schon der klare Wortlaut der Vorschrift. Denn die vollstreckungsrechtlichen Vorschriften etwa zur Anordnung oder Festsetzung von Zwangsgeld „ermöglichen“ nicht im Sinne von § 12 Satz 1 GewO die Untersagung eines Gewerbes wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, sondern den Vollzug einer bereits ergangenen Gewerbeuntersagung. Außerdem betrifft die Frage der Unzuverlässigkeit wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes „Untersagung“, die von der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zur Vollstreckung des Grundverwaltungsaktes strikt zu trennen ist15. Zudem würde ein Vollstreckungsverbot eine ungerechtfertigte Privilegierung derjenigen Gewerbetreibenden bewirken, die eine vor Beginn der in § 12 Satz 1 GewO bezeichneten Zeiträume ergangene sofort vollziehbare oder bestandskräftig gewordene Untersagungsverfügung missachten. Die Frage, ob und inwieweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die insolvenzgerichtliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO bei Ausübung des vollstreckungsrechtlichen Ermessens Berücksichtigung finden kann, betrifft allein die Auslegung und Anwendung des landesrechtlichen Vollstreckungsrechts.
Dem Ziel des § 12 Satz 1 GewO, dem Gewerbetreibenden die mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens eröffnete Chance zu einem Neuanfang zu sichern, kann jedoch auch unter Wahrung der im Gesetz angelegten Trennung von Gewerbeuntersagungs- und Wiedergestattungsverfahren Rechnung getragen werden. Zwar ist § 12 GewO nach seinem Wortlaut nicht auf das Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO anwendbar. Soweit die Untersagung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf dessen ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht, kann jedoch ein nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren die Grundlage für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung bieten. Das setzt die Prognose voraus, dass der Gewerbetreibende künftig wirtschaftlich hinreichend leistungsfähig sein wird, um das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben zu können. Allerdings rechtfertigen allein die oben genannten insolvenzrechtlichen Sicherungen eine solche Prognose nicht. Wie ausgeführt, bewirken diese Sicherungen, solange und soweit sie greifen, dass kein Bedürfnis im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GewO besteht, den Geschäftsverkehr von einer Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit des insolventen Gewerbetreibenden zu schützen16. Für die Prognose einer auf den Aspekt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezogenen dauerhaften Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist darüber hinaus erforderlich, dass begründete Aussicht auf eine Sanierung seiner Vermögensverhältnisse infolge der im Insolvenzverfahren durchzuführenden Maßnahmen besteht. Für diesen Fall werden in der Regel die Voraussetzungen des § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung wegen künftig geordneter Vermögensverhältnisse und zwischenzeitlich fehlender Gefährdung des Geschäftsverkehrs vorliegen. Umgekehrt wird eine Wiedergestattung im Regelfalle nicht in Betracht kommen, wenn die Sanierungschancen negativ zu bewerten sind. Ist der Sanierungserfolg – insbesondere zu Beginn des Insolvenzverfahrens – noch offen, fehlt zwar zunächst die Grundlage für die Feststellung, dass der Gewerbetreibende die Gewähr dafür bietet, das Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß auszuüben. Insoweit kann dem in § 12 GewO zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interesse, eine Sanierung des insolventen Gewerbes im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht durch eine fortdauernde Untersagung der Gewerbeausübung von vornherein zu vereiteln, dadurch Rechnung getragen werden, dass die nach § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO vorausgesetzte Gewähr dauerhafter Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden – hier nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – durch geeignete Nebenbestimmungen gesichert wird, die den weiteren Bestand der Wiedergestattung vom Ergebnis des Insolvenzverfahrens abhängig machen (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Zur raschen vorläufigen Klärung der Befugnis zur Fortführung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO steht dem Gewerbetreibenden die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO zur Verfügung.
Das Wiedergestattungsverfahren ist auch nicht deshalb ungeeignet, die Chance für eine Sanierung des insolventen Gewerbes durch ein nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren zu erhalten, weil im Regelfall für die Wiedergestattung eine Wartefrist von einem Jahr nach Durchführung der Untersagungsverfügung einzuhalten ist (§ 35 Abs. 6 Satz 2 GewO). Denn für den Fall, dass Aussicht auf eine Sanierung der Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden im Wege insolvenzrechtlicher Maßnahmen besteht oder ein Sanierungserfolg jedenfalls möglich erscheint, wird vom Vorliegen „besonderer Gründe“ im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO auszugehen sein, weil es dann nicht mehr aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist, den Betroffenen trotz fehlender Gefährdung des Geschäftsverkehrs länger von der Ausübung des Gewerbes fernzuhalten und dadurch den Sanierungserfolg zu gefährden ((vgl. BVerwG, Urteil vom 21.07.1959 – 1 C 101.54 – DVBl.1959, 775, 776 und Beschluss vom 23.11.1990 – 1 B 155.90, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 47; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, Bd. I, § 35 Rn. 177.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. April 2015 – 8 C 6.2014 –
- Fortentwicklung der Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146.80, BVerwGE 65, 1, 2 ff.[↩]
- BGBl. I S. 2866[↩]
- BGBl. I S. 3533[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 18.01.2006 – 6 C 21.05, Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 53[↩]
- BGBl. I S.202[↩]
- BGBl. I S. 583[↩]
- stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 05.08.1965 – 1 C 69.62, BVerwGE 22, 16[↩]
- BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146.80, BVerwGE 65, 1, 4[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146.80, BVerwGE 65, 1, 2 ff.; Beschlüsse vom 15.02.1995 – 1 B 19.95, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 58 = GewArch 1995, 200; und vom 09.04.1997 – 1 B 81.97, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 67[↩]
- BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 17.79, BVerwGE 65, 9, 11; Beschluss vom 11.09.1992 – 1 B 131.92 – GewArch 1995, 116[↩]
- BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 17.79, BVerwGE 65, 9, 11[↩]
- 21.10.2010[↩]
- vgl. Hahn, GewArch 2000, 361, , 365 f.[↩]
- vgl. dazu vor allem die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 12 Satz 1 GewO, BT-Drs. 12/3803, S. 103 f.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12 2004 – 1 C 30.03, BVerwGE 122, 293, 296 f.[↩]
- vgl. BT-Drs. 12/3803 S. 103[↩]