Ungarische Straßenmaut – und ihre Beitreibung in Deutschland

Die Bestimmungen des ungarischen Rechts über die Erhebung einer Straßenmaut verstoßen auch hinsichtlich der für die Angabe eines falschen Länderkennzeichens in der ungarischen Mautverordnung getroffenen Regelungen nicht gegen den deutschen ordre public1.

Ungarische Straßenmaut – und ihre Beitreibung in Deutschland

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall verlang eine ungarische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der ungarischen Autobahnmaut ist, die Zahlung der Maut von einem Autofahrer, der am 21.06.und 3.08.2019 jeweils einmal einen Abschnitt der ungarischen Autobahn befuhr, für den auf Grundlage des ungarischen Gesetzes Nr. I von 1988 über den Straßenverkehr (im Folgenden: Straßenverkehrsgesetz) i.V.m. der Verordnung des ungarischen Ministers für Wirtschaft und Verkehr Nr. 36/2007 (III. 26.) GKM über die Maut von Autobahnen, Autostraßen und Hauptstraßen (im Folgenden: MautVO) eine Straßenmaut zu entrichten ist. Gemäß § 4 Abs. 2a MautVO müssen beim Verkauf der Berechtigung unter anderem das Kennzeichen und das Länderkennzeichen des berechtigten Fahrzeugs eingegeben werden.

Schuldner der Maut ist nach § 15 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz der Halter des Fahrzeugs. Wird die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) entrichtet, ist gemäß § 33/A Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes in Verbindung mit § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 MautVO eine Grundersatzmaut von 14.875 ungarischen Forint (HUF) bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu zahlen bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 HUF bei einer Zahlung nach mehr als 60 Tagen.

Vor den Befahrungen der mautpflichtigen Straßen hatte der Autohalter jeweils eine gültige elektronische Vignette erworben. Hierbei hatte er das Kennzeichen seines Fahrzeugs korrekt in die Rubrik „Licence plate number“ der elektronischen Eingabemaske eingegeben. Unter „Country of vehicle registration“ war jedoch „Hungary“ eingetragen, obgleich das Fahrzeug des Autohalters in Deutschland zugelassen war. Aufgrund der nicht übereinstimmenden Länderkennung wurden im Rahmen des automatisierten Abgleichs der Fahrzeugkennzeichen mit den erworbenen Vignetten insgesamt zwei Straßenbenutzungen ohne vorherigen Erwerb einer Benutzungsberechtigung registriert.

Mit Schreiben vom 30.08.2019 forderte ein im Inland ansässiges Inkassounternehmen den Autohalter zur Zahlung der Grundersatzmaut für die Straßenbenutzung am 21.06.2019 und mit Schreiben vom 28.10.2019 zur Zahlung der Grundersatzmaut für die Straßenbenutzung am 3.08.2019 auf. Nachdem der Autohalter diese nicht beglichen hatte, forderte die Mautgesellschaft ihn mit weiteren Schreiben vom 02.01.2020 zur Zahlung der erhöhten Zusatzgebühren auf.

Mit der Klage hat die Mautgesellschaft die Zahlung von 364, 80 € nebst Zinsen sowie von 163, 74 € außergerichtlichen Inkassokosten verlangt. Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat den Autohalter antragsgemäß mit Ausnahme der Zinsen verurteilt2. Das Landgericht Berlin hat die zugelassene Berufung des Autohalters zurückgewiesen3; hiergegen richtet sich dessen zugelassene Revision, die der Bundesgerichtshof als begründet ansah, und die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führte:

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Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Mautgesellschaft habe gegen den Autohalter als Halter des PKW einen Anspruch auf Zahlung einer erhöhten Zusatzgebühr für das Befahren der ungarischen Autobahn am 21.06.2019 in Höhe von 182, 28 € und am 3.08.2019 in Höhe von 182, 52 € gemäß Anlage 1 MautVO. Der Autohalter habe die gebührenpflichtigen Autobahnen ohne entsprechende Berechtigung befahren. Dem stehe nicht entgegen, dass der Autohalter tatsächlich zwei Vignetten erworben habe, denn diese wiesen nicht das zutreffende Länderkennzeichen auf. Auf das Rechtsverhältnis sei gemäß Art. 4 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 3 Rom IVO das ungarische Recht anzuwenden. Ein Verstoß gegen den ordre public, der zur Nichtanwendung der Vorschriften der MautVO führen könnte, liege nicht vor. Bei der Grundersatzmaut handle es sich um einen mit den Kosten des durch die nachträgliche Mauterhebung verbundenen Verwaltungsaufwands zu rechtfertigenden Schadensersatz. Auch die erhöhte Zusatzgebühr vermöge einen Verstoß gegen den ordre public nicht zu begründen. Ein Strafschadensersatz sei darin nicht zu sehen, sondern eine Vertragsstrafe für den hier vorliegenden Fall, dass der Schuldner die Grundersatzmaut nicht innerhalb der als angemessen anzusehenden Zahlungsfrist von 60 Tagen leistet. Bei dem Vergleich der ungarischen Regelungen mit der deutschen Rechtsordnung sei zu berücksichtigen, dass auch das deutsche Zivilrecht eine Sanktionierung des Zahlungsverzugs in einer Verzinsung (§ 288 BGB) unabhängig vom Eintritt eines konkreten Schadens kenne.

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als es an Feststellungen zur Berechtigung der Mautgesellschaft fehlt, die Zahlung in inländischer Währung zu fordern.

Die Klage ist zulässig erhoben.

Das Landgericht hat die von ihm nicht eigens erörterte internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in der Revisionsinstanz unbeschadet des § 545 Abs. 2 ZPO uneingeschränkt zu überprüfen ist, zu Recht bejaht. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden hat, fällt eine Klage auf gerichtliche Beitreibung der ungarischen Straßenmaut unter den Begriff der „Zivil- und Handelssache“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012 (Brüssel-Ia-VO = EuGVVO)4. Nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen5.

Die Bestimmung des anwendbaren Vertragsstatuts richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO)6. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die geltend gemachte Forderung aus einem vertraglichen Schuldverhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO herrührt. Der Begriff des „vertraglichen Schuldverhältnisses“ bezeichnet eine von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung und ist nicht eng auszulegen. Hierunter fällt auch eine Verpflichtung, die dadurch freiwillig eingegangen wird, dass der Fahrzeugführer das als Realofferte in der Bereitstellung des mautpflichtigen Straßenabschnitts liegende Angebot durch schlichtes Befahren annimmt7.

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Offenbleiben kann, ob hier die Kollisionsnorm für Dienstleistungsverträge (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO) anzuwenden ist, nach der das Recht des Staates berufen ist, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Denn wäre dies nicht der Fall, käme die Auffangnorm des Art. 4 Abs. 2 Rom IVO zur Anwendung, wonach der Vertrag dem Recht des Staates unterläge, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beides führt im vorliegenden Fall gleichermaßen zur Anwendung ungarischen Sachrechts8.

Die Frage, ob der beklagte Autohalter in seiner Eigenschaft als Halter auf Zahlung der vertragsmäßig begründeten Mautforderung in Anspruch genommen werden kann, unterliegt keiner gesonderten Anknüpfung. Denn das Vertragsstatut bestimmt grundsätzlich, wer Schuldner und Gläubiger ist. Die Reichweite des Vertragsstatuts erstreckt sich nach dem autonom auszulegenden Art. 12 Abs. 1 Buchst. b Rom IVO auf die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen und damit auch darauf, ob der Fahrer auch in seiner Eigenschaft als Halter in den Vertrag einbezogen ist9.

Nach den vom Landgericht im Freibeweis10 getroffenen Feststellungen zum Inhalt des ungarischen Rechts ist, wenn die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette entrichtet ist, gemäß § 33/A Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes in Verbindung mit § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 MautVO eine Grundersatzmaut von 14.875 HUF bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu zahlen bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 HUF bei einer Zahlung nach mehr als 60 Tagen. Schuldner der nachträglich zu entrichtenden Maut ist nach § 15 Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes der Halter des Fahrzeugs. Aufgrund von zwei Benutzungen von Autobahnabschnitten an verschiedenen Tagen, für die auf Grundlage der MautVO eine Straßenmaut anfällt, ergibt sich eine Forderung gegen den Autohalter als Halter des Fahrzeugs in Höhe von zweimal der erhöhten Zusatzgebühr.

Zu Unrecht meint die Revision, der beklagte Autohalter habe die Straßenabschnitte aufgrund des vorangegangenen Erwerbs von elektronischen Vignetten, die auf das Kennzeichen des vom Autohalter benutzten Fahrzeugs personalisiert gewesen seien, berechtigt befahren. Denn der rechtsgültige Erwerb der Straßenbenutzungsberechtigung setzt nach § 4 Abs. 2a MautVO die zutreffende Eingabe sowohl des Kennzeichens als auch des Länderkennzeichens des berechtigten Fahrzeugs voraus. Hieran fehlt es, da das eingegebene Länderkennzeichen nicht mit dem des Fahrzeugs übereinstimmte.

Die Anwendung der Vorschriften des ungarischen Rechts über die zu entrichtende erhöhte Zusatzgebühr kann auch nicht gemäß Art. 21 Rom IVO deshalb versagt werden, weil diese mit der inländischen öffentlichen Ordnung („ordre public“) offensichtlich unvereinbar wäre. Denn ein ordre public-Verstoß läge nur dann vor, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stünde, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint11.

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Der ordre public-Vorbehalt ist mit Rücksicht auf die vorrangig anzuwendende ausländische Rechtsordnung gegenüber dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates restriktiv zu handhaben. Dabei kommt es auch darauf an, dass der zu prüfende Sachverhalt überhaupt einen Inlandsbezug hat, und wie stark dieser ausgeprägt ist12.

Im vorliegenden Fall besteht ein starker Auslandsbezug dadurch, dass das Vertragsverhältnis in Ungarn begründet und die charakteristische Leistung in Ungarn erbracht worden ist. Demgegenüber besteht nur ein geringer Inlandsbezug, der allein darin liegt, dass das Fahrzeug auf einen Halter im Inland zugelassen ist. In dieser Konstellation mit nur schwach ausgeprägtem Inlandsbezug führt die Anwendung des ausländischen Rechts zu keinem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre13.

Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht darin begründet, dass nach ungarischem Recht im Falle der Benutzung der mautpflichtigen Straße durch einen vom Halter verschiedenen Fahrer ein Vertrag zulasten Dritter begründet würde14.

Diese abstrakte Frage stellt sich im vorliegenden Fall im Übrigen schon deshalb nicht, weil für einen Verstoß gegen den ordre public nicht nur die abstrakte Unvereinbarkeit der ausländischen Rechtsordnung mit den Grundsätzen des deutschen Rechts in den Blick zu nehmen ist, sondern es zusätzlich entscheidend darauf ankommt, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts aus der Sicht des deutschen Rechts zu missbilligen ist15. Dieses wäre hier schon deshalb zu verneinen, weil mit dem Halter des Fahrzeugs diejenige Person in Anspruch genommen ist, die das Fahrzeug auch selbst gefahren und damit die mautpflichtige Straße persönlich genutzt hat.

Der Autohalter ist auch nicht dadurch in einer dem ordre public widersprechenden Weise benachteiligt, dass die erworbene Vignette eine Straßenbenutzungsberechtigung zunächst nur für ein Fahrzeug vermittelt, das sowohl hinsichtlich des Kennzeichens als auch hinsichtlich des Länderkennzeichens übereinstimmt. Denn es ist nicht auszuschließen, dass es bei der Vergabe von Fahrzeugkennzeichen in den verschiedenen Staaten zu Überschneidungen kommt.

Daher wird ein Fahrzeug erst durch die Kombination von Kennzeichen und Länderkennzeichen eindeutig individualisiert. Es entspricht einem berechtigten Interesse, die Straßenbenutzungsberechtigung nur für dementsprechend eindeutig individualisierte Fahrzeuge zu erteilen.

Ebenso verstößt es nicht gegen den ordre public, dass der Autohalter zu einer höheren Maut als bei Vorabentrichtung herangezogen wird. Eine Tarifgestaltung, die die Vorabentrichtung der Maut preislich günstiger offeriert als bei einer Nachentrichtung, ist schon deshalb nicht unangemessen, weil mit der nachträglichen Einziehung der Maut sowohl ein erhöhter Aufwand als auch Realisierungsrisiken verbunden sind. Schließlich sollen durch die unterschiedliche Preisgestaltung auch im Massengeschäft notwendige Lenkungseffekte erreicht werden, die auf eine Vorabentrichtung der Maut zielen. Regelungen mit dieser Zielsetzung sind auch dem inländischen Recht nicht grundsätzlich fremd; beispielsweise erheben Beförderungsunternehmen gemäß § 9 Abs. 1 der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.02.197016 ein erhöhtes Beförderungsentgelt, wenn der Fahrgast sich keinen gültigen Fahrausweis beschafft hat17.

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Ist danach bereits die Grundersatzmaut nicht als pauschalierter Schadensersatz, sondern als gewöhnliches Vertragsentgelt im nachträglichen Bezahlmodus zu verstehen, geht auch die Auffassung der Revision fehl, die bei Nichtentrichtung innerhalb von 60 Tagen nach der Zahlungsaufforderung anfallende erhöhte Zusatzgebühr stelle der Sache nach einen Strafschadensersatz in Form einer zweiten Vertragsstrafe auf die Nichterfüllung der ersten Vertragsstrafe dar, was gegen den ordre public verstoße. Die erhöhte Zusatzgebühr stellt sich vielmehr als eine (erste) Vertragsstrafe dar, mit der der Zahlungsverzug hinsichtlich der Grundersatzmaut sanktioniert und der Verzugsschadensersatz pauschaliert wird. Der Charakter eines pauschalierten Verzugsschadensersatzes zeigt sich etwa darin, dass zusätzliche Verzugszinsen nicht geschuldet sind (§ 33/B Abs. 5 Satz 4 Straßenverkehrsgesetz). Schließlich verstößt die Regelung auch nicht gegen das im inländischen Recht für Vertragsstrafen verankerte Verschuldensprinzip, da die erhöhte Zusatzgebühr erst anfällt, wenn der Fahrzeughalter die Maut nicht innerhalb von 60 Tagen nach der ihm zugegangenen Zahlungsaufforderung entrichtet18.

Zwar kann auch eine übermäßig hohe Vertragsstrafe für sich genommen gegen den ordre public verstoßen. Die Vertragsstrafe für sich genommen beträgt hier aber nur den Aufschlag von (59.500 – 14.875 =) 44.625 HUF, was derzeit rund 110 € entspricht und keinen unangemessen hohen absoluten Betrag darstellt. Relativ betrachtet bedeutet die erhöhte Zusatzgebühr einen dreifachen Aufschlag auf das Vertragsentgelt für den nachträglichen Bezahlmodus, was ebenfalls noch nicht ordre publicwidrig überhöht ist19.

Selbst wenn man in den Blick nimmt, dass die erhöhte Zusatzgebühr das Zwanzigfache des Entgelts bei Vorabentrichtung der Maut beträgt (59.500 HUF gegenüber 2.975 HUF), hält sich die Vervielfachung der betragsmäßig geringen Ausgangsmaut um diesen Faktor noch im Rahmen dessen, was nach inländischem Recht beispielsweise von Beförderungsunternehmen als gewöhnliches erhöhtes Beförderungsentgelt verlangt werden kann, und widerspricht deshalb nicht offensichtlich hiesigen Rechtsgrundsätzen20.

Schließlich wird der Autohalter auch nicht im Hinblick darauf, dass er Vignetten vorab erworben und dabei lediglich das Länderkennzeichen falsch angegeben hatte, durch die Heranziehung zur Grundersatzmaut und zur erhöhten Zusatzmaut ordre publicwidrig benachteiligt.

Denn für den Fall der falschen Eingabe eines Länderkennzeichens eröffnet § 8 Abs. 5a MautVO die Möglichkeit, das richtige Länderkennzeichen innerhalb von 60 Kalendertagen nach Beginn der Gültigkeitsdauer der Straßennutzungsberechtigung bzw. innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt der Aufforderung zur Zahlung der Zusatzgebühr wegen eines falschen Länderkennzeichens im Kundendienstbüro der Nationale Mauterhebung geschlossene Dienstleistungs-AG (NMGD AG) oder der von der NMGD AG einbezogenen Stelle sowie auf die von der NMGD AG andersartig gewährte Weise durch die entsprechende Änderung des Länderkennzeichens erfassen zu lassen.

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Das in § 8 Abs. 9 und 10 MautVO näher geregelte Verfahren der Änderung des Länderkennzeichens ist auch nicht in einer Weise ausgestaltet, die das Beschreiten dieses Weges unzumutbar erschweren würde und deshalb für sich genommen einen ordre public-Verstoß begründete.

Nach § 8 Abs. 10 MautVO setzt die Änderung des Länderkennzeichens lediglich voraus, gleichzeitig mit der Einreichung seines Antrags oder spätestens innerhalb von 90 Tagen nach der Aufforderung der NMGD AG alle für die Inanspruchnahme der Dienstleistung erforderlichen Unterlagen restlos vorzulegen; dieses sind die Zulassung des Kraftfahrzeugs und der Kontrollabschnitt oder die Quittungsmitteilung zum Nachweis des Kaufs der Berechtigung (§ 8 Abs. 5a Satz 2 MautVO). Auch ist die in § 8 Abs. 9 MautVO vorgesehene Gebühr für die Änderung des Länderkennzeichens von 1.470 HUF, was derzeit rund 3, 60 € entspricht, nicht unangemessen hoch, zumal sie für mehrere für dasselbe Fahrzeug beim gleichen Kaufvorgang gekaufte Berechtigungen nur einmal zu zahlen ist.

Im Falle einer Durchführung dieses Verfahrens, das der Autohalter nicht beschritten hat, hätte die Berechtigung für das geänderte Länderkennzeichen rückwirkend für die gesamte Gültigkeitsdauer gegolten (§ 8 Abs. 5a Satz 4 MautVO). Der Autohalter hat keine Umstände dargelegt, die ihn gehindert hätten, auf diese Weise der ansonsten durch die MautVO vorgesehenen Inanspruchnahme auf die Grundersatzmaut und die im Falle deren Nichtentrichtung einsetzende erhöhte Zusatzmaut zu entgehen.

Rechtlich zu beanstanden ist allerdings, dass das Landgericht den Autohalter wie von der Mautgesellschaft beantragt zur Zahlung einer Geldschuld in inländischer Währung verurteilt hat.

Fremdwährungsschulden sind als solche, also in fremder Währung einzuklagen. Die Inlandswährung ist kein minus, sondern ein aliud dazu. Eine auf die falsche Währung gerichtete Zahlungsklage wäre somit abzuweisen21.

Für die Frage, in welcher Währung vertragliche Zahlungsansprüche geschuldet sind, gilt das Statut, das den Vertrag insgesamt beherrscht, hier also das ungarische Recht22. Insoweit fehlt es an Feststellungen, dass die Mautgesellschaft nach ungarischem Sachrecht dazu berechtigt ist, die Mautschulden in Euro zu fordern. Aus der vom Landgericht herangezogenen MautVO ergibt sich nur eine Zahlungspflicht in ungarischen Forint.

Denkbar wären allerdings vom Landgericht nicht ermittelte Vorschriften im allgemeinen ungarischen Schuldrecht, die entweder einen Wechsel in eine andere Währung erlauben oder die eine Ersetzungsbefugnis entsprechend der inländischen Regelung des § 244 BGB enthalten, auf die hin auch eine stillschweigende Einigung im Prozess über eine Umwandlung in die Heimwährungsschuld in Betracht käme23.

Einer revisionsrechtlichen Verfahrensrüge der mangelnden Aufklärung des ungarischen Rechts24 bedurfte es insoweit nicht. Denn die angefochtene Entscheidung gibt keine Begründung für die vorgenommene Umwandlung in inländische Währung. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bereits die Anwendbarkeit des ungarischen Rechts insoweit verkannt hat.

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Das angefochtene Urteil des Landgerichts Berlin konnte daher keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof konnte in der Sache jedoch nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen zum ausländischen Recht hinsichtlich einer dort verankerten Berechtigung, den Zahlbetrag anstatt in ungarischen Forint auch in Euro zu verlangen, nicht selbst treffen konnte. 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Dezember 2022 – XII ZR 34/22

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644[]
  2. AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 06.01.2021 – 10 C 142/20[]
  3. LG Berlin, Urteil vom 14.03.2022 – 51 S 4/21[]
  4. ABl. EU L 351 S. 1[]
  5. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 9 mwN[]
  6. ABl. EU L 177 S. 6, ABl. EU ber. L 309 S. 87[]
  7. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 18 mwN[]
  8. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn.19[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn.20 f.[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 22 mwN[]
  11. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 25 mwN[]
  12. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 26 mwN[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 27[]
  14. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 28 ff. mwN[]
  15. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 XII ZB 309/21 FamRZ 2022, 93 Rn. 32 mwN[]
  16. BGBl. I S. 230[]
  17. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 33 mwN[]
  18. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 34 mwN[]
  19. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 35[]
  20. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 36[]
  21. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 38 mwN[]
  22. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 39 mwN[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2022 XII ZR 7/22 NJW 2022, 3644 Rn. 41 mwN[]
  24. vgl. BGH Beschlüsse vom 30.04.2013 – VII ZB 22/12 WM 2013, 1225 Rn. 39 mwN und BGHZ 198, 14 = NJW 2013, 3656 Rn. 24 ff. mwN[]

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