Die Auslegung des Arbeitsvertrags durch das Berufungsgericht befasst sich zunächst gründlich und überzeugend mit der Frage, ob dort eine dynamische Anwendung von Tarifverträgen vereinbart worden ist. Es kommt im Ergebnis zutreffend zu dem Schluss, dass der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers hinsichtlich der Höhe des vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelts zeitdynamisch auf einen nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für den Arbeitnehmer einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag Bezug nimmt.

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden kann1.
Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Wortlaut der
Ist in der in einem formularmäßig vereinbarten Arbeitsvertrag getroffenen Vergütungsvereinbarung für den Arbeitnehmer bei einer „Tarifliche[n] Einstufung: L 2 b“ als „Vergütung“ ein „Tarifentgelt“ iHv.02.993, 00 DM vorgesehen, so hat das Bundesarbeitsgericht – im Anschluss an seine Entscheidung vom 13.02.20132 – hinsichtlich vergleichbarer Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt idR redlicherweise davon ausgehen darf, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern.
Ein redlicher Arbeitgeber würde – wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte – die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll3.
Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, ob das ohne weiteres auch dann gilt, wenn – wie im Streitfall – der Tarifvertrag, dem sich die im Vertrag genannte Entgeltgruppe und Entgelthöhe entnehmen lassen, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt war. Denn im hier entschiedenen Streitfall folgt der Wille der Arbeitgeberin zur dynamischen Inbezugnahme der für den Arbeitnehmer maßgeblichen tariflichen Entgeltregelungen bereits aus Ziff. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die dortige Anrechnungsregelung – „Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlaß auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden“ – darf ein durchschnittlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass die Arbeitgeberin nicht lediglich auf die aus der Allgemeinverbindlichkeit des Lohntarifvertrags folgenden Pflicht zur Zahlung des Tarifentgelts verweisen, sondern sich auch unabhängig von der Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags zur Zahlung des jeweiligen Tarifentgelts verpflichten wollte. Zwar hat der Anrechnungsvorbehalt nicht ausschließlich bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich4, sondern auch dann, wenn künftig Tarifvertragsänderungen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Allerdings hat die Arbeitgeberin den Anrechnungsvorbehalt nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Zudem hat sie durch den Zusatz „gleich aus welchem Anlaß“ zum Ausdruck gebracht, dass Anlass für eine Erhöhung des tariflichen Entgelts des Arbeitnehmers nicht ausschließlich ein künftiger für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag sein kann, sondern jede künftige tarifliche Entgeltsteigerung.
Schließlich zeigt auch das an den Arbeitnehmer gerichtete Schreiben der Arbeitgeberin vom 27.05.2004, in dem ein Teil des Gesamtentgelts als „Tarifgehalt“ bezeichnet wird und in dem sich ebenfalls der Hinweis findet, dass „freiwillige Zulagen zukünftig bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden“, dass die Arbeitgeberin den Willen hatte, künftige Tariferhöhungen unabhängig von der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehenden Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags an den Arbeitnehmer weiterzugeben. Auf den Rechtscharakter dieser Erklärung kommt es hier im Ergebnis nicht an.
Das Landesarbeitsgericht Köln5 hat es im vorliegenden Fall in der Vorinstanz aber versäumt, festzustellen, an welche (Entgelt-)Tarifverträge welcher Tarifvertragsparteien diese arbeitsvertragliche Anbindung erfolgt ist. Ohne eine – Zweifel ausschließende – Identität des oder der Tarifvertrags/Tarifverträge zu benennen, an die die Arbeitsvertragsparteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses (hier: die Vergütung) dynamisch ankoppeln wollten, und ohne die nach Beendigung des hiervon ursprünglich erfassten Tarifvertrags als gleichfalls von der Verweisungsklausel erfassten „Folgetarifverträge“ zu benennen, ist eine Bestimmung des zu einem Jahre später nach dieser vertraglichen Verweisungsklausel maßgebenden Tarifvertrags nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, die Dynamik der Verweisungsklausel zu begründen; auf welchen Tarifvertrag sie sich aus welchen Gründen mehr als 12 Jahre später beziehen sollte, auf welche Anspruchsgrundlage sich also der Arbeitnehmer berufen kann, und inwieweit die dort – mutmaßlich – genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, hat das Landesarbeitsgericht nicht angesprochen.
Der von den Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt der Vereinbarung der dynamischen Anbindung gemeinte „Entgelttarifvertrag“ mag sich beim Arbeitnehmer noch aus dem Datum des Arbeitsvertragsschlusses ergeben, zu dem im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen einige Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt worden waren. Dabei handelte es sich – neben dem vom Landesarbeitsgericht ebenfalls nicht thematisierten Manteltarifvertrag vom 20.09.1996 – um den Lohntarifvertrag vom 29.06.1998 und den Gehaltstarifvertrag vom gleichen Tage. Dementsprechend begründet das Landesarbeitsgericht, warum aus seiner Sicht mit dem Arbeitsvertrag die dynamische Anwendung der „Vergütungstarifverträge“ – an anderer Stelle „Entgelttarifverträge“, worunter wohl der Lohntarifvertrag und der Gehaltstarifvertrag zu verstehen sind, nicht nur für die Dauer der Allgemeinverbindlichkeit, sondern auch über deren Ende hinaus vereinbart worden sind. Dabei kann hier noch dahinstehen, ob die Parteien des Arbeitsvertrags tatsächlich beide Tarifverträge dynamisch vereinbaren wollten. Die im Arbeitsvertrag gewählte Bezeichnung der „tariflichen Einstufung“ mit der Lohngruppenbezeichnung spricht für den Lohntarifvertrag, die in der „Gehaltsveränderungsmitteilung“ vom 27.05.2004 gewählten Formulierungen dagegen eher für den Gehaltstarifvertrag.
Die Allgemeinverbindlichkeit dieser Tarifverträge endete am 31.03.1999. Die Folgetarifverträge wurden zwischen denselben Tarifvertragsparteien vereinbart und auch für allgemeinverbindlich erklärt. Diese erneute Allgemeinverbindlicherklärung endete am 31.03.2000 und wurde auch nicht ersetzt oder erneuert. Angesichts dessen hätte es für die Bestimmung der Rechtsfolge aus der Verweisungsklausel ab diesem Zeitpunkt zu einem Rückgriff auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Dynamik kommen müssen, anhand derer zu bestimmen gewesen wäre, ob ein anderer und ggf. welcher (Lohn- oder Gehalts-)Tarifvertrag danach zur Anwendung kommen sollte. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund erforderlich gewesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag nach seinem Ablauf eine Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG auch in denjenigen Arbeitsverhältnissen entfaltet, die vorher nicht durch Mitgliedschaft gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, sondern durch Allgemeinverbindlichkeit gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 TVG der zwingenden Wirkung unterworfen waren6. Selbst wenn man davon ausginge, dass eine vor dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit vereinbarte dynamische Verweisungsklausel eine andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG wäre, oder dass eine solche individuelle Vereinbarung von vorneherein die Verdrängung einer Nachwirkung zur Folge hätte, wäre es erforderlich gewesen, die Erfassung eines Folgetarifvertrags durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel – ggf. durch ergänzende Vertragsauslegung – festzustellen und zu begründen7. Dies hat das Landesarbeitsgericht sowohl für den von ihm offenbar als zutreffend angesehenen, aber nicht benannten Folgetarifvertrag als auch für die danach anzuwendenden „Entgelttarifverträge“ versäumt.
Das Landesarbeitsgericht wendet im Ergebnis dann einen nicht näher bezeichneten Lohn- oder Gehaltstarifvertrag an, von dessen Erfassung durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel es offenbar ausgeht. Auch dies hätte einer Begründung bedurft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende und der danach vereinbarte Lohn- bzw. Gehaltstarifvertrag, die jeweils allgemeinverbindlich waren, auf Arbeitgeberseite von dem „Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“, die letzten, dem Revisionsgericht vorliegenden Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge jedoch vom „Handelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ geschlossen wurden. In der dazwischen liegenden Zeit haben auch andere Verbände mit den Gewerkschaften Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Handel, Banken und Versicherungen (HBV) bzw. der Gewerkschaft ver.di Gehalts- und Lohntarifverträge abgeschlossen. Aber auch die bereits oben genannte „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“ ist insoweit tätig geworden, zum Beispiel durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags vom 10.12 2013, eines Manteltarifvertrags oder schon im Jahre 2003 durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags mit der „Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V.“ Auf weitere Unklarheiten ist bereits oben hingewiesen worden.
Auf den Umstand, dass zum persönlichen Geltungsbereich des vom Landesarbeitsgericht „angewandten“ Tarifvertrags sowie zur Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit zu der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der von ihm geltend gemachten Lohngruppe keinerlei Ausführungen im Berufungsurteil gemacht worden sind, kommt es danach nicht mehr an.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2017 – 4 AZR 517/15
- st. Rspr., vgl. nur BAG 19.05.2010 – 4 AZR 796/08, Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283[↩]
- BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12[↩]
- vgl. nur BAG 8.07.2015 – 4 AZR 51/14, Rn. 16; 13.05.2015 – 4 AZR 244/14, Rn. 17 ff.[↩]
- anders aber bei nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen BAG 8.07.2015 – 4 AZR 51/14, Rn. 17; 13.05.2015 – 4 AZR 244/14, Rn. 18; 20.04.2012 – 9 AZR 504/10, Rn. 29[↩]
- LAG Köln 13.07.2015 – 2 Sa 437/15[↩]
- vgl. nur BAG 11.02.2009 – 5 AZR 168/08, Rn. 16; 17.01.2006 – 9 AZR 41/05, Rn. 22, BAGE 116, 366; ausf. 25.10.2000 – 4 AZR 212/00, zu 1 der Gründe; ebenso Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 5 Rn. 125; Däubler/Bepler TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 961; ErfK/Franzen 17. Aufl. TVG § 5 Rn. 26; HWK/Henssler 7. Aufl. TVG § 5 Rn. 37; krit. Sittard Tarifnormerstreckung S. 289; Creutzfeldt FS Bepler S. 45, 48 ff.[↩]
- vgl. zur Frage der Anwendung des TVöD oder des TV-Ärzte nach Ende des BAT aufgrund einer auf diesen verweisenden Klausel im Arbeitsvertrag eines Arztes BAG 18.04.2012 – 4 AZR 392/10, Rn. 13 ff., BAGE 141, 150[↩]